Schon wieder holt die Realität das ein, was man sich als Satire hätte ausdenken können (wenn man drauf gekommen wäre; ich bin es nicht): Jedem Produkt soll, so planen es Unternehmen, eine Information beigefügt werden, die darüber aufklärt, wieviel CO2 bei seiner Herstellung erzeugt wurde.
Ein hoffnungsloses Unterfangen, scheint mir. Wenn man es als ein ernsthaftes Unterfangen betrachtet, die "Klimabilanz" eines, sagen wir, Glases Orangensaft aus Konzentrat auszurechnen. Wenn man derartige Bemühungen freilich unter "Religiosität" subsumiert, dann kann man auch sagen: Sinnloser als das Drehen von Gebetsmühlen oder das Schlachten eines Hammels zum Wohlgefallen Gottes ist das auch nicht.
Verunglimpfen Sie mir nicht das Opferlamm! Wenn man schon irgendwelche Götter anbeten muss, dann soll man wenigstens was anständiges dabei essen.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Zitat von califaxVerunglimpfen Sie mir nicht das Opferlamm! Wenn man schon irgendwelche Götter anbeten muss, dann soll man wenigstens was anständiges dabei essen.
Ja, das ist ja das Erstaunliche, daß man in diesem Fall das, was man gibt, selbst konsumieren darf.
Aber meist ist das ja beim Opfern nicht der Fall. Ein interessantes Phänomen, dieses Opfern, das es ja in den meisten Religionen in irgendeiner Form gibt.
Die Götter, Gott, werden einerseits als weit in der Transzendenz angesiedelt gedacht; mehr oder weniger vollständig dieser schnöden Welt entrückt. Und dann denkt man sich, daß sie sich freuen, wenn sie einen Hammel geschenkt bekommen, oder eine Jungfrau.
Sehr eigenartig. Religionspsychologisch sehr erklärungsbedürftig, scheint mir.
Naja, lieber Zettel, was tut man nicht alles, um sich eine günstigere Ausgangsbasis zu verschaffen! Der Verlust eines Hammels schmerzt vielleicht nicht so sehr, und waren es nicht die Chinesen, die Spielgeld verbrennen, weil's die Götter ja nicht merken würden? Clever.
Zitat von Thomas PauliNaja, lieber Zettel, was tut man nicht alles, um sich eine günstigere Ausgangsbasis zu verschaffen! Der Verlust eines Hammels schmerzt vielleicht nicht so sehr, und waren es nicht die Chinesen, die Spielgeld verbrennen, weil's die Götter ja nicht merken würden? Clever.
Haben die das tatsächlich gemacht? Wieder was gelernt.
Mir fallen dazu die Tricks ein, die orthodoxen Juden zur Verfügung stehen, um sich getreulich an den Talmud halten zu können.
Beispielsweise verbietet dieser bekanntlich das Reisen am Sabbath, außer auf Wasser. (Was ja auch klar ist, denn Seereisen dauern meist mehr als eine Woche, und man kann sie ja nicht nach Belieben unterbrechen).
Meine Schwester hatte eine jüdische Freundin, deren Großmutter orthodox war. Wenn sie verreiste, dann hatte sie immer ein mit Wasser gefülltes Kissen dabei. Und wenn sie am Sabbath unterwegs sein mußte, dann setzte sie sich auf dieses Kissen. Damit reiste sie auf Wasser.
Aber noch einmal zurück zum Opfer: Was ich erklärungsbedürftig finde, lieber Thomas, das ist, sagen wir, die mangelnde Bereitschaft, sich in den Gott hineinzuversetzen. Der doch alles haben kann, was er sich wünscht. Was braucht er den Hammel? Oder den Sohn Abrahams?
Es ist, als wolle man den Gott sozusagen durch die Größe des eigenen Opfers beschämen, ihn in Zugzwang bringen.
Der Tribut/Raub der weltlichen Machtstrukturen wird auf die spirituellen Vorstellungen übertragen. Das Opfer am Opfer ist ja der Verlust, den man hinnimmt. Ein alter Hammel ist da nicht so schlimm, der kostet nur. Ein Mutterschaf, ein Lamm, ein Rind oder gar ein Mensch tut weh. Man schadet sich selbst, um so die Unterwürfigkeit zu demonstrieren. Gleichzeitig sucht man natürlich immer nach Ausreden, um den Schaden durch das Opfer zu reduzieren - bei Menschenopfern werden dann Kriegsgefangene geopfert, die man mit Preisungen ihrer Tapferkeit als besonders wertvoll bewirbt. Ich sollte das mal beim Finanzamt probieren - die Steuern meines Nachbarn sind viel ehrlicher und härter erarbeitet! Sie sind viel mehr wert! Mein erbärmliches Geld ist nicht gut genug für diesen Staat...
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Zitat von ZettelDie Götter, Gott, werden einerseits als weit in der Transzendenz angesiedelt gedacht; mehr oder weniger vollständig dieser schnöden Welt entrückt. Und dann denkt man sich, daß sie sich freuen, wenn sie einen Hammel geschenkt bekommen, oder eine Jungfrau.
Sehr eigenartig. Religionspsychologisch sehr erklärungsbedürftig, scheint mir. [...] Der doch alles haben kann, was er sich wünscht. Was braucht er den Hammel?
Die Psychologie der Götter ist bestimmt ein schwieriges Gebiet. Ich vermute mal aus dem Bauch heraus, daß sie sich wie Eltern freuen, die von ihren Kindern etwas geschenkt bekommen. Die brauchen das abgezupfte Blümchen aus dem eigenen Garten ja auch nicht. Der weltabgewandte "deistische" Gott, von dem Sie, lieber Zettel, zu reden scheinen, ist eher ein Philosophenkonstrukt, das mit tatsächlich praktizierter Religion wenig zu tun hat.
Religionspsychologisch ist es wohl das Geben, oder auch nur die Geste des Gebens, nicht die Gabe, was zählt: die Gläubigen lernen, von sich selbst und ihrer kleinlichen Selbstliebe abzusehen; ein zentraler pädagogischer Zweck der Religion.
Geben ist auch ein Ausdruck der Selbstverpflichtung, der eigenen "Hingabe". Mit dem Opfer übergibt man sich symbolisch selbst dem Gott. Das ist glaube ich so ähnlich wie das Schenken zwischen Liebenden.
Auch kommt es selten vor, daß einem Gott in Form einer Feuersäule oder etwas Ähnlichem begegnet. Damit eine Beziehung zum Numinosen zustande kommt, muß der Mensch normalerweise auf irgendeine Weise selbst aktiv werden, etwas "investieren". Opfern ist da eine der einfachsten Möglichkeiten.
Das Opfer ist schließlich eine Form der Begrüßung. Wer nicht Krieg führen will, beschenkt sich gegenseitig, das ist die Grundgeste des guten Willens. Umgekehrt sind ja auch Begrüßungen dem Opfer verwandt: "Guten Tag, lieber Zettel!" Ich kann Ihnen zwar den guten Tag nicht geben, aber der fromme Wunsch spielt auf meine Gebebereitschaft an. Mit dem Opfer nähere ich mich den Göttern freundlich-respektvoll.
Zitat von Thomas PauliUnd man beweist, daß man an ihn glaubt - warum sollte man sonst in ihn investieren?
In Antwort auf:Allerdings könnten sich [...] auch Leute in die Gemeinde einschleichen, die nur am Netzwerk des Vertrauens (wie den Wirtschaftskontakten oder den hübschen Töchtern) interessiert sind, die Anwesenheit der übernatürlichen Akteure aber nicht wirklich glauben. Dagegen hilft, von Mitgliedern kostspielige Signale wie Ritual-, Speise-, Kleidungs- oder Zeitvorschriften sowie materielle Opfer oder gar schmerzhafte Zutrittsschwellen (Initiationen) zu verlangen.
Zitat von ZettelDie Götter, Gott, werden einerseits als weit in der Transzendenz angesiedelt gedacht; mehr oder weniger vollständig dieser schnöden Welt entrückt. Und dann denkt man sich, daß sie sich freuen, wenn sie einen Hammel geschenkt bekommen, oder eine Jungfrau. Sehr eigenartig. Religionspsychologisch sehr erklärungsbedürftig, scheint mir. [...] Der doch alles haben kann, was er sich wünscht. Was braucht er den Hammel?
Die Psychologie der Götter ist bestimmt ein schwieriges Gebiet. Ich vermute mal aus dem Bauch heraus, daß sie sich wie Eltern freuen, die von ihren Kindern etwas geschenkt bekommen. Die brauchen das abgezupfte Blümchen aus dem eigenen Garten ja auch nicht. Der weltabgewandte "deistische" Gott, von dem Sie, lieber Zettel, zu reden scheinen, ist eher ein Philosophenkonstrukt, das mit tatsächlich praktizierter Religion wenig zu tun hat.
An den Gott der Deisten dachte ich eigentlich nicht, lieber Kallias. Sondern schon an Götter wie Zeus, Jahwe oder Thor.
Das mit dem Blümchen ist interessant und hat mir, als ich es las, auch erst einmal eingeleuchtet. Auf den zweiten Blick scheint es mir aber doch keine ausreichende Erklärung zu sein. Denn Opfer wie das des Esau sind ja keine Blümchen. Es sind Gaben aus einer tiefen Angst heraus. Es sind Demutsgebärden der äußersten Art.
Zitat von KalliasReligionspsychologisch ist es wohl das Geben, oder auch nur die Geste des Gebens, nicht die Gabe, was zählt: die Gläubigen lernen, von sich selbst und ihrer kleinlichen Selbstliebe abzusehen; ein zentraler pädagogischer Zweck der Religion.
Auch das leuchtet ein. Aber auch da habe ich einen Einwand: Sind denn die Opfergaben wirklich so selbstlos? Sind sie nicht vielmehr Versuche, einen gnadenlosen Gott milder zu stimmen, einem allmächtigen Gott eine Wohltat zu entlocken?
Die Katholiken mit ihren Gelübden praktizieren das ja sehr realistisch: Gegeben wird erst, wenn der Heilige die Gegenleistung erbracht hat. Dann bekommt er die versprochene Kapelle, oder man widmet ihm eine Wallfahrt.
Zitat von KalliasGeben ist auch ein Ausdruck der Selbstverpflichtung, der eigenen "Hingabe". Mit dem Opfer übergibt man sich symbolisch selbst dem Gott. Das ist glaube ich so ähnlich wie das Schenken zwischen Liebenden.
Stimmt. Vielleicht besonders im Christentum. In anderen Religionen, in denen das Opfern besonders ausgeprägt war und nachgerade die ganze Kultur bestimmte, wie bei den Maya (soviel ich weiß), scheint aber viel weniger Liebe als eine entsetzliche Furcht im Spiel zu sein.
Die dortigen Götter scheinen ja das gewesen zu sein, was in unserem Kulturkreis der Moloch war, oder der Minotaurus. Wie ja überhaupt die minoische Kultur auch solche Züge getragen zu haben scheint wie die der Maya.
Zitat von KalliasAuch kommt es selten vor, daß einem Gott in Form einer Feuersäule oder etwas Ähnlichem begegnet. Damit eine Beziehung zum Numinosen zustande kommt, muß der Mensch normalerweise auf irgendeine Weise selbst aktiv werden, etwas "investieren". Opfern ist da eine der einfachsten Möglichkeiten.
Interessanter Gedanke. Das Opfer als Kontaktaufnahme. Ja, vielleicht ist das so.
Zitat von KalliasWer nicht Krieg führen will, beschenkt sich gegenseitig, das ist die Grundgeste des guten Willens. Umgekehrt sind ja auch Begrüßungen dem Opfer verwandt: "Guten Tag, lieber Zettel!" Ich kann Ihnen zwar den guten Tag nicht geben, aber der fromme Wunsch spielt auf meine Gebebereitschaft an. Mit dem Opfer nähere ich mich den Göttern freundlich-respektvoll.
Geschenke zu überreichen scheint ja sogar bei bestimmten Vogelarten üblich zu sein.
Lieber Kallias, ich fand Ihren Beitrag ausgesprochen klug und gedankenreich. Eigentlich kann ich allen Gesichtspunkten, die Sie genannt haben, nur zustimmen.
Trotzdem bleibt das Opfern für mich etwas sehr Rätselhaftes. Warum sind die Götter so, daß sie alles das erheischen, was Sie beschreiben? Warum sind sie nicht wie liebevolle Eltern, denen man vertraut und denen man allenfalls Blümchen schenkt?
Dieses Entsetzliche, dieses Grauenhafte, das ja den allermeisten der ganz alten Götter anhaftet - in der Edda zu finden, in den ältesten Schichten der griechischen Mythologie, wo es sozusagen an der Tagesordnung ist, seine Kinder zu fressen -, das scheint mir viel mit dem Opfern zu tun zu haben.
Und welche Urangst dahinter steckt, das scheint mir noch recht unaufgeklärt zu sein.
Zitat von Zettel Dieses Entsetzliche, dieses Grauenhafte, das ja den allermeisten der ganz alten Götter anhaftet - in der Edda zu finden, in den ältesten Schichten der griechischen Mythologie, wo es sozusagen an der Tagesordnung ist, seine Kinder zu fressen -, das scheint mir viel mit dem Opfern zu tun zu haben. Und welche Urangst dahinter steckt, das scheint mir noch recht unaufgeklärt zu sein.
Nunja, diese Grausamkeit gehörte ja zur damaligen politischen Welt. Herrscher haben "notfalls" ihre ganze Verwandschaft ermordet, um Konkurrenz auszuschalten. Dabei wurden auch sehr oft Kinder getötet, präventiv sozusagen, damit sie nicht später irgendwann einen Machtanspruch aufbauen konnten. Und was machte man wohl sonst mit unerwünschten Kindern? Wie ging man mit Schwächeren um, wenn diese den Tribut und die wörtliche Unterwerfung verweigerten? Man sah die Methoden der Mächtigen. Diese Mächtigen waren von den Göttern abhängig, denn diese waren noch mächtiger. Also was sollte man wohl von den Göttern annehmen? Einen Trost gab es ja im Polytheismus - die Götter waren sich nie einig. Man konnte sich also in der Not noch an einen Konkurrenzgott wenden. Das gab Hoffnung. Und gleichzeitig spiegelte dieser ewige Götterkrieg, dessen Launen und Kollateralschäden die Menschen hilflos ausgeliefert waren, auch wieder die reale Welt mit ihren Machtkämpfen und Massakern wider. Unsere Umwelt prägt uns nun mal. Unsere Kultur ist das, was wir erleben, wie wir uns Besserung erhoffen und wie wir uns das ganze Chaos auf der Welt erklären.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Was die Religionshistoriker sagen, weiß ich nicht, daher ist mir auch etwas ungemütlich, wenn ich mir hier Vermutungen aus den Fingern sauge. Nur: Ihre Frage, lieber Zettel, wieso Götter, die "mehr oder weniger vollständig dieser schnöden Welt entrückt" sind, Opfer haben wollen, scheint mir auf einer falschen Voraussetzung zu beruhen.
Jene Götter, die Opfer wollen, sind eben nicht weltentrückte Wesen, sondern im Gegenteil sehr aktiv in Bezug auf die Welt, schaffen sie, bekämpfen Gegner, lassen es regnen und die Pflanzen wachsen, senden Blitz und Donner usw. Womöglich bestrafen sie die Menschen für Übergriffe in göttliche Kompetenzen.
(Um zu den Öko-Würgern zurückzukommen, es könnte ja so sein, daß Innovationen schon immer mit dem Gefühl verbunden waren, etwas Unerlaubtes zu tun. Dürfen wir in der Erde nach Steinen wühlen, und aus ihnen Metalle schmelzen? Dürfen wir an embryonalen Stammzellen herummanipulieren?)
Das Opfer wäre dann entweder eine Art Bezahlung (in den Fällen, wo der Mensch den Übergriff fortsetzen wollte) oder eine einmalige Strafleistung, um die Reue zu bekräftigen.
Das muss hier alles nicht stimmen, aber es scheint mir klar zu sein, daß den Göttern umso mehr am Opfer liegt, je weniger weltabgewandt sie sind, und damit löst sich Ihre Frage in Wohlgefallen auf.
***
Nun sind die Götter im Laufe der Zeit immer menschenfreundlicher und friedlicher geworden. Auch immer weltferner. Heute irritiert die Gläubigen ja mehr Gottes Schweigen als Gottes Donnern. Dennoch gibt es immer noch opferähnliche Handlungen. Um dies zu erklären, machte ich meine kleinen Hypothesen über das Geben, die Hingabe, das Begrüßen. Um den Gott zum Reden zu bringen!
Nun kann man die Frage stellen, weshalb der Mensch sich die Götter immer freundlicher gedacht hat. Was haben wir davon? Da stimmt doch auch etwas nicht. Am Ende hat der Mensch den Atheismus erfunden aus dem Bedürfnis, wieder in einer kalten grausamen Welt zu leben?
Die Ökoreligion gehört theoretisch auch zu den Atheismen. Grundsätzlich befinden wir uns daher in einer verzwickten Lage: wir dürfen in die Kreisläufe von Mutter Natur nicht eingreifen, aber wir können sie auch nicht mit Gaben beschwichtigen, wenn wir es doch tun. Trotzdem gibt es in der Praxis der Ökoreligion das Opfer durchaus: oder was anderes sind die teuren Subventionen für die Windkrafträder und die Solaranlagen? Wir beweisen Gaia, daß wir sie ganz doll lieb haben und sanft mit ihr umgehen möchten, indem wir es uns etwas kosten lassen.
Zitat von Kallias Nun sind die Götter im Laufe der Zeit immer menschenfreundlicher und friedlicher geworden. Auch immer weltferner. Heute irritiert die Gläubigen ja mehr Gottes Schweigen als Gottes Donnern. Dennoch gibt es immer noch opferähnliche Handlungen.
Traditionen sterben nicht so schnell wie Religionen. Der endgültige große Durchbruch des Christentums in Europa basierte ja auch nicht so sehr auf den Massakern und Zwangsbekehrungen sondern auf der Umdeutung wichtiger Lebenseckpunkte. Auf alten heidnischen Heiligtümern wurden nicht nur Kapellen und Kirchen errichtet, um sie "umzutaufen", sondern weil so alte unausrottbare Bräuche einfach in die neue Religion integriert werden konnten.
Ich bin Atheist, aber meine Sprache ist stark vom Christentum geprägt. Das ist kein Zufall. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht anders schreiben und reden. Es ist Teil der kulturellen sprachlichen Überlieferung meines Volkes. Da kommt man nicht so einfach raus. In meinem Fall - ich will auch gar nicht. Die Sprache ist einfach zu schön, um sie aufzugeben, bloß weil ich nicht an die Bibel glaube.
Das erinnert mich ein wenig an die Überlieferung vom Goldenen Lamm. Könnte es nicht auch ein goldener junger Stier gewesen sein, also ein Anbetungsobjekt für das damals in dieser Region übliche Bild eines starken und zukunftsweisenden Gottes? Und was sehen wir in manchen Kirchen an der Decke? Hieß es nicht mal, man solle sich kein Bild von Gott machen? Traditionslinien sterben eben nicht so schnell.
Zitat von Kallias Nun kann man die Frage stellen, weshalb der Mensch sich die Götter immer freundlicher gedacht hat. Was haben wir davon?
Das Blutvergießen ist rationaler geworden. Mit einem Geiselnehmer kann man verhandeln. Man sollte es meiner Meinung nach nicht tun, weil es den Anreiz für weitere Geiselnahmen erhöht. Aber: Das ist eine rationale Denkweise!
Auch bei Kriegsgegnern gibt es meist rationale Interessen, über die man bei günstigen Umständen verhandeln kann. Aber wenn der Gott nunmal ein Menschenopfer verlangt? Worüber will man da mit dem Gläubigen verhandeln? Man kann nicht! Denn: Der Gläubige kann nicht!
Ein freundlicher, möglichst weltabgewandter, Gott eröffnet Handlungsoptionen, schafft Raum für Vernunft und gewaltfreie Lösungen. Das haben wir davon.
Ein radikales Christentum wie in den Zeiten Roms hätte niemals eine Aufklärung zugelassen. Damals hat man sich ja schon gegenseitig für Nichtigkeiten massakriert. Die Zeit der ersten römischen Bischöfe ist eine Zeit der innerchristlichen Pogrome gewesen.
Mit Menschenopfern wird alles noch schlimmer. Das erste Aztekenreich ging unter, weil man das göttliche Gebot der Opferung von Gefangenen über die Notwendigkeit der Diplomatie gestellt hat. Es hat lange gedauert, bis sich die Azteken von dem folgenden, aus Rache und Angst motivierten, Vernichtungskrieg der Nachbarn erholt haben. Das heutige Mexico ist nicht umsonst in den Sümpfen eines Sees entstanden. Das war der letzte Unterschlupf, den die Feinde nicht mehr stürmen konnten. Von dort aus entstand dann das heute bekannte Aztekenreich. (Bis die Spanier kamen und einen antiimperialen Krieg auslösten, um die Azteken schließlich als imperiale Macht zu beerben.)
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Zitat von ZettelSind denn die Opfergaben wirklich so selbstlos? Sind sie nicht vielmehr Versuche, einen gnadenlosen Gott milder zu stimmen, einem allmächtigen Gott eine Wohltat zu entlocken? Die Katholiken mit ihren Gelübden praktizieren das ja sehr realistisch: Gegeben wird erst, wenn der Heilige die Gegenleistung erbracht hat. Dann bekommt er die versprochene Kapelle, oder man widmet ihm eine Wallfahrt.
Selbstlos sind sie überhaupt nicht. Aber im Katholizismus geht es eben nicht um den Gnadenlosen Gott, weil der Katholizismus Gott nämlich nicht als Gnadenlos ansieht, sondern als grundsätzlichg barmherzig. Das Gelübde hat die Aufgabe, die Barmherzigkeit Gottes in die richtigen Bahnen zu lenken (nämlich zu mir!).
Zur Erläuterung:
Im alten Testament glaubte man sehr stark an einen strafenden Gott. Das heißt, wenn irgendeine Katastrophe auftrat, glaubten die Israeliten an den Zorn Gottes und versuchten durch Opfer, Gott milde zu stimmen.
In der katholischen Volksreligion dagegen fehlt dieses Motiv weitgehend. Das Unheil tritt sozusagen ex nihilo auf, und Gottes Aufgabe ist, es zu verhindern. Man nehme nur mal den Hexenglauben: Wenn irgendwo viele Kinder krank geworden sind oder die Pest ausbrach, glaubte man eben nicht, dass der Allmächtige dieses Unheil hervorgebracht hat, sondern irgendwelche dunklen Mächte, die es auszurotten galt. So weit, so schlecht. Es gibt auch noch andere Beispiele: In der katholischen Liturgie gibt es (heute vor allem auf dem Land, weil es da noch größerer Bedeutung hat), den Wettersegen. Die formel lautet:
Priester: Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern. Alle: Amen P : Er segne die Felder, die Gärten und den Wald, und schenke euch die Früchte der Erde A: Amen P: Er begleite eure Arbeit, damit ihr in Dankbarkeit und Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist. A: Amen P: Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn + und der Heilige Geist. A: Amen
Gott bestimmt also nicht von Haus aus, wie das Wetter wird und ob die Ernte gut oder schlecht wird. Sondern er begleitet das Geschehen und greift nur im Notfall als Zeichen seiner Güte ein (in der Bayernhymne heißt es "Über Deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand", honni soit qui mal y pense ).
Das hat auch Konsequenzen für die religiöse Praxis im Fürbittgebet. Die Fürbitte funktioniert ziemlich gena wie der Lobbyismus im repräsentativen Parlamentarismus. Der Schutzpatron ist sozusagen der "Delegierte" im "himmlischen Parlament". Sein "Wahlkreis", die Gemeinde, beauftragt ihn nun mit einer "Eingabe" an den (allerdings absoluten) Herrscher: Heiliger XY, bitte für uns! Und wenn der Heilige Erfolg hat, wird er "wiedergewählt" (Wallfahrt) und erhält Spenden (Kerze).
So abergläubisch und altmodisch ist das gar nicht, hab ich Recht? Oder vielleicht ist auch unser repräsentatives System in Wahrheit viel reaktionärer?
Erheiternd hierzu: beim WWF kann man eine "remarkable 25-day journey by a luxury private jet" buchen: einmal rund um die Welt mit Zwischenstopps an allen üblichen Versammlungsorten ökologischer Betroffenheitsexperten.
Soso, ich bin hier nicht der einzige, der Coyote liest. Schön zu sehen.
Zitat von Thomas PauliWenn Al Gore 100000 Meilen Lear-Jet fliegt ist das GUT. Wenn Sie und ich das tun, ist es BÖSE. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Thomas Sowell hat dazu ein schönes Buch geschrieben: "The Vision of the Anointed. Self-Congratulation as a Basis for Social Policy".
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