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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 1.173 mal aufgerufen
 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2007 03:23
Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten

In diesem Beitrag versuche ich, die außenpolitische Strategie Sarkozys zu skizzieren.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

24.07.2007 09:15
#2 RE: Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten
Lieber Zettel

Ich halte diese Pläne für die üblichen politischen Selbstbeweihräucherungen.
Ursprung ist in Frankreich immer derselbe, Frankreich und insbesondere seine führenden Politiker können es einfach nicht verknusen, dass ihr Land eben keine Supermacht ist und sogar als Mittelmacht nicht führend.

Eine Mittelmeer -Union halte ich für ein Luftschloss. Die führenden Mittelmeernationen wären Spanien, Italien, Griechenland und die Türkei.
Spanien, Italien und Griechenland sind in der EU, welches Interesse sollten diese Staaten haben eine Mittelmeerunion zu gründen. Man engaschiert sich immer nur in einer Union, wo man ganz selbstsüchtig Vorteile erwartet. Vorteile haben die Staaten in der EU, in einer Mittelmeerunion sehe ich keine.

Die Türkei will in die EU, wird mit Sicherheit keine Mittelmeerunion anstreben, und unter der Führung Frankreichs, dass ja den Zutritt der Türkei zur EU blockiert, schon eh nicht.

Mal ganz davon abgesehen, sind die Beziehungen der Bundesrepublik zu Algerien ebenfalls sehr gut.

Herzlich M. Schneider
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2007 18:12
#3 RE: Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten

Lieber M. Schneider,

Zitat von M.Schneider
Eine Mittelmeer -Union halte ich für ein Luftschloss. Die führenden Mittelmeernationen wären Spanien, Italien, Griechenland und die Türkei. Spanien, Italien und Griechenland sind in der EU, welches Interesse sollten diese Staaten haben eine Mittelmeerunion zu gründen.

Sarkozy hat dazu laut Jean Daniel nur gesagt, das werde natürlich nicht leicht, aber halte es für richtig, sich schwierige Ziele zu setzen.

Wenn ich mal versuche, mich in die Gedankenwelt Sarkozys zu versetzen, dann würde ich sagen:

Erstens, Spanien hat Interessen in Nordafrika, Italien hat traditionelle Interessen in Libyen. Eine Mittelmeer-Union mit diesen Ländern des nördlichen Afrika - von Marokko bis an die Grenze Ägyptens also - würde deren Interessen ebenso dienen wie die Allianz mit Algerien den französischen Interessen.

Zweitens, im Osten könnte eine Mittelmeer-Union für die Türkei eine Alternative zur Aufnahme in die EU sein. Sarkozy ist strikt gegen den EU-Beitritt der Türkei. Aber man muß ihr eine attraktive Alternative bieten.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

25.07.2007 00:15
#4 RE: Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten

Es ist wohl ein Grundirrtum der Deutschen zu meinen, die Franzosen gingen die europäische Sache ähnlich idealistisch an wie sie. Und das trotz der EU-Wirklichkeit, die man gut und gerne als Ergebnis französischer Interessenpolitik deuten kann. Wo fließen die EU-Gelder hin? Erstens in den Agrarmarkt, und hiervon profitiert vor allem Frankreich. Und statt dass die Deutschen den Eintritt der Briten als Anlass genommen hätten, diese Schieflage zu beseitigen, haben sie mit dem Thatcher-Rabatt eine weitere hinzugefügt und zahlen für beide. Zweitens in den Strukturfonds, und dieser wurde vor allem zur Versorgung der neuen, bis dahin ausschließlich südeuropäischen (und daher im Fokus Frankreichs liegenden) Staaten geschaffen. Die Wiedervereinigung und die Osterweiterung darf man aus französischer Sicht als ungewollte Schocks ansehen, die mehr schlecht als recht über die polnische Bande gespielt abgemildert werden.

Sarkozy erweist sich als legitimer Erbe de Gaulles und Mitterands, wenn er seine Strategie wie beschrieben den aktuellen Fakten anpasst.

Man möge mich nicht falsch verstehen: Ich glaube, dass deutsch-französischen Allianzen enorme Kräfte freizusetzen in der Lage sind. Aber dazu müssen die Deutschen noch ein paar Lektionen Realismus lernen. Merkel ist dabei, und das bestätigt ihre außenpolitische Größe.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 04:04
#5 RE: Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten

Lieber Rayson,

Zitat von Rayson
Es ist wohl ein Grundirrtum der Deutschen zu meinen, die Franzosen gingen die europäische Sache ähnlich idealistisch an wie sie. Und das trotz der EU-Wirklichkeit, die man gut und gerne als Ergebnis französischer Interessenpolitik deuten kann.

Ich kann das nur bestätigen, und zwar aus wirklich sehr langer Erfahrung.

Meine ersten Reisen nach Paris habe ich als Jugendlicher nämlich zu einem Onkel gemacht, der Beamter bei der OEEC war, die ihren Sitz in Paris hatte. Eine der frühen europäischen Organisationen, die später in OECD umbenannt wurde.

Dieser Onkel, ein durchaus frankophiler Mann, erboste sich immer wieder darüber, mit welcher Entschlossenheit und welcher Effizienz seine französischen Kollegen - meist Absolventen der ENA - ausschließlich die nationalen Interessen Frankreichs vertraten. In Brüssel ist es heute ebenso.

Das heißt nicht, daß nicht die meisten Franzosen gute Europäer wären. Nur eben innerhalb eines Europe des Patries, eines Europas der Vaterländer, wie de Gaulle es genannt hat.

Mit der Aussöhnung mit Deutschland war und ist es den meisten Franzosen, den Regierungen seit de Gaulle ernst. Ich bin nie auf Deutschenfeindlichkeit gestoßen, wie sie noch in den Jahrzehnten davor weit verbreitet war. Aber wie du richtig schreibst - was den Franzosen fehlt, das ist diese idealistische (ich würde sogar sagen: naiv-idealistische) Haltung, mit der viele Deutsche Europa sehen.
In Antwort auf:
Man möge mich nicht falsch verstehen: Ich glaube, dass deutsch-französischen Allianzen enorme Kräfte freizusetzen in der Lage sind. Aber dazu müssen die Deutschen noch ein paar Lektionen Realismus lernen. Merkel ist dabei, und das bestätigt ihre außenpolitische Größe.


Es ist halt wie bei einem Ehepaar, das sich zwar liebt, das aber in ständigem Clinch liegt, wer das Sagen hat.

Ich vermute, daß es noch ganz schön krachen wird, wenn Sarkozy erst mal fest im Sattel sitzt.

Übrigens - die Vorstellung, daß Kurt Beck oder Klaus Wowereit Gegenspieler von Sarkozy werden könnte, kann einen schon um den Schlaf bringen.

Herzlich, Zettel

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

25.07.2007 08:51
#6 RE: Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie Antworten

Lieber Zettel, lieber Rayson

die Aussage mit dem fehlenden französischen Idealismus in Sachen EU unterstreiche ich ebenfalls.

Als kühler, emotionsloser Beobachter würde ich die Sache jedoch noch härter formuliert.
Sämtliche Mitglieder, außer Deutschland, sehen die EU als einen großen Geldtopf, aus dem man sich mehr oder weniger direkt in Form von Zuschüssen bedienen kann.
Das heißt also auch, das ist, zumindest derzeit noch, die eigentliche Triebfeder warum die EU beliebt ist und warum die Staaten mitmachen.
Frankreich steht mit der Abzocke insbesondere für seine Landwirtschaft mit an vorderster Front.

Deutschland ist die einzige Ausnahme, Deutschland kämpft nämlich bis heute mit seinem Weltkriegsschuldkomplex und weil es daraus resultierend gar kein nationales Selbstbewusstsein mehr hat, auch nicht den Mut hat dieses Problem mal grundlegend anzugehen, ist man in Deutschland auf den scheinbaren Ausweg verfallen, dann eben wenigstens ein 1. Klasse Vorzeige- Europäer zu sein. Das erkauft man sich, wie auch in deutscher Politik gewohnt, mit viel Geld, kurz, Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU.

Aber zurück zum Gedanken der Mittelmeerunion.
Aus genau diesem Verständnis der Staaten, schon in der EU, etwas nur zu tun, wenn man sich damit bereichern kann, glaube ich niemals an eine solche Mittelmeerunion.
Wer sollte denn dort den Bereicherungstopf mit Geld füllen?
Und wenn nicht Geld als unmittelbarer Zuschüsse zu bekommen sind, dann werden erst recht nationale Interessen eine solche Union verhindern.

Nein, es bleiben für mich große Supermachts- Wunschträume eines kleinen Mannes.
Solche Dinge kann nur eine wirkliche Supermacht wie die USA ins Leben rufen, wie sie beispielsweise eine neue Freihandelszone gegründet haben, wo die ganzen Karibikstaaten integriert werden, die CAFTA.

Herzlich M. Schneider

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 18:04
#7 Aktuelle Ergänzung Antworten

Daß es Sarkozy mit seiner "mediterranen Strategie" ernst meint, geht aus der heutigen Erklärung seines Pressesprechers zu dem Besuch Sarkozys in Libyen hervor. Darin heißt es zu dem, was dieser Pressesprecher sagte:

La Libye est "importante" pour la France, en tant que "partenaire du pourtour méditerranéen", a-t-il ajouté. La Libye "est un interlocuteur politique et il faut qu'il le soit, parce que la Libye ne va pas changer d'adresse et la Libye, par sa situation géographique, est forcément un acteur stratégique", a-t-il expliqué. "C'est un partenaire du sud de la Méditerranée.

Libyen ist "wichtig" für Frankreich, und zwar als "Partner am Rand des Mittelmeers", fügte er hinzu. Libyen "ist ein politischer Gesprächspartner. Das muß es auch sein, weil Libyen seine Adresse nicht ändern wird, weil es aufgrund seiner geographischen Lage notwendigerweise ein strategischer Akteur ist", erklärte er. "Es ist ein Partner am südlichen Mittelmeer".

Deutlicher kann man es kaum sagen, daß Sarkozy schon im Begriff ist, seine "mediterrane Strategie" in die Tat umzusetzen.

Übrigens hat der Presssprecher auch bestätigt, daß Sarkozy mit Gaddafi auch über Nuklearenergie reden werde, auch wenn noch keine konkreten Entscheidungen anstünden.

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