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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 25 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Llarian Offline



Beiträge: 6.919

16.10.2014 18:46
Das Expertenunwesen Antworten

Ein paar kleine Gedanken zu Experten und anderen Amateuren.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

16.10.2014 20:01
#2 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Ich hatte mich im Juni 2009 schon mal hier im Forum zu diesem Thema ausgelassen:

Zitat von Calimero in 2009
Normalerweise sind Experten ja Menschen, die sich in Theorie und Praxis (meist langjährig) einem bestimmten Fachgebiet widmen und sich in der entsprechenden Fachschaft anerkannte Meriten erworben haben. Sie publizieren Fachaufsätze, schreiben Fachbücher, werden von Fachkollegen zu Rate gezogen. Experten sind zitierfähig, ihre Aussage gilt als „Beleg“, sie können Expertisen ausstellen.

Nun werden uns täglich „Experten“ in den Medien vorgeführt, deren fragwürdige Glaubwürdigkeit gerade darin besteht, eben nicht aus dem entsprechenden Fachbereich zu kommen. Diese „Experten“ sind vor allem in Politik und NGO weit verbreitet. Sie sind in den Medien allgegenwärtig und es zeichnet sie aus, vor allem genau wissen zu wollen, was im entsprechenden Bereich ihrer Meinung nach falsch läuft.

In der Politik gibt es dabei vor allem „Experten“ auf Zeit. Jeder Hansel, der sich in einem entsprechenden Ausschuss rumdrückt, wird quasi per Sitz zum „Fachmann“. So gibt es ungediente „Wehr-Experten“, medizinisch nicht vorbelastete „Gesundheitsexperten“, ausgewiesene Großstadtmenschen als „Umweltexperten“ etc.

Diese sind vor allem lästig. Interessant wird es, wenn solche Figuren Ministerämter bekommen. Es ist anscheinend politisch von Vorteil, wenn man gerade keine Ahnung vom Fachbereich vorweisen kann und damit unverdächtig ist, von einer „Lobby“ beeinflusst zu sein. Sigmar Gabriel, Renate Künast, Rudolf Scharping sind solche Beispiele.

In NGO hingegen wimmelt es von „Anti-Experten“. Nur wird das „Anti-“ dabei geflissentlich weggelassen. NGO-Experte wird man, wenn man ganz laut und ganz häufig irgendetwas kritisiert. Es wäre dabei sogar tödlich für die Reputation, wenn dem entsprechenden „Lautsprecher“ ein professioneller Hintergrund nachgewiesen werden könnte. Anti-Experten müssen von außerhalb kommen, sonst sind sie nicht glaubwürdig.
Eine besondere Spezies stellen dabei allerdings die „Renegaten“ dar, die wiederum besonders glaubwürdig scheinen, weil sie eben „aus dem System kommen“. Meiner Theorie nach sind solche Typen in ihrem Fachbereich (ihrer eigenen Meinung nach) nicht hinreichend gewürdigt worden, oder haben sogar irgendwie Mist gebaut, weswegen sie sich nun gegen das etablierte System stellen.
(...)


Diese Unexpertokratie ist eine Medienschöpfung, bei deren Erwähnung ich auch regelmäßig Pickel bekomme. Irgendwer von außerhalb des Journie-Zirkus muss ja herangezogen werden, wenn man sich als Informationsvermittler andient; das gehört auch zur Kompetenz eines Journalisten. Blöderweise sucht man sich dazu halt die lautesten Schreihälse oder verlässlichsten Blubbermaschinen. Echte Experten stehen meist eher selten im Rampenlicht, denn die kümmern sich ja um den Gegenstand ihrer Profession; in ihren eigenen Fachkreisen, in welchen man sich versteht, sich austauscht und befruchtet.
Politische und NGO-Fachbeackerer reden im allgemeinen nur über das was andere tun, bzw was diese nach Wunsch der Dampfplauderer doch gefälligst anders machen sollten. Jeder, dessen eigenes professionelles Spielfeld in Politik und Medien mal von solchen Un-Experten "beleuchtet" wurde, dürfte das Gefühl sich sträubender Nackenhaare kennen, ob des Schwachsinns welcher da zuweilen losgelassen wird. Ich bin schon vor Jahren dazu übergegangen, solchen "Experten" auch auf Feldern von denen ich keinen Schimmer habe nix zu glauben. Lieber zuwenig informiert, als höchstwahrscheinlich verzerrt, bzw falsch.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

16.10.2014 20:58
#3 RE: Das Expertenunwesen Antworten

An einen besonders absurden Fall kann ich mich noch erinnern, vor ca. 20 Jahren in, glaube ich, der Münchner Abendzeitung: dieses Blatt brachte doppelseitig ein großes Pro & Contra zum Thema Krebstherapie. Auf der linken Seite brachte der umstrittene Prof. Hackethal seine ketzerische, dem Publikum suspekte Meinung vor, auf der rechten Seite kam eine besonnene Gegendarstellung des aus der Schwarzwaldklinik bundesweit bekannten und beliebten, höchst vertrauenswürdigen Prof. Brinkmann



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F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

16.10.2014 23:49
#4 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #2
Irgendwer von außerhalb des Journie-Zirkus muss ja herangezogen werden, wenn man sich als Informationsvermittler andient; das gehört auch zur Kompetenz eines Journalisten. Blöderweise sucht man sich dazu halt die lautesten Schreihälse oder verlässlichsten Blubbermaschinen.


Das scheint der springende Punkt zu sein. Ein Journalist steht i.d.R. vor dem Dilemma, unter Zeitdruck irgendetwas zu einem aktuellen Thema schreiben zu müssen, von dem er weder Ahnung noch die Zeit für ausgiebige Recherche hat ("Mann, jetzt muss ich schon wieder was über Fracking schreiben!"). Es sollte aber schon irgendwie nach bedeutungsvollem Journalismus aussehen.

Daraus ergibt sich die Symbiose mit irgendwelchen profilierungssüchtigen Politikern aus der dritten Reihe, die dem Journalisten (bei freundlicher Berichterstattung) auch in Zukunft als Quelle zur Verfügung stehen werden. Die Adelung solcher Leute zu Experten dient dabei sowohl der Aufwertung der eigenen Arbeit als auch dem Ego der Quelle. Win-Win.

Der Verlierer dabei ist der Leser und mittelfristig wohl auch die Verlage; aber wer weiss, von welchen "Experten" sich deren Manager beraten lassen

Grüße,
Fonzo

Paul Offline




Beiträge: 1.285

17.10.2014 00:17
#5 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #4
Daraus ergibt sich die Symbiose mit irgendwelchen profilierungssüchtigen Politikern aus der dritten Reihe, die dem Journalisten (bei freundlicher Berichterstattung) auch in Zukunft als Quelle zur Verfügung stehen werden. Die Adelung solcher Leute zu Experten dient dabei sowohl der Aufwertung der eigenen Arbeit als auch dem Ego der Quelle. Win-Win.


Ja, lieber Fonzo, so ist es.
Jeder Politiker "hält" sich einige Journalisten, so wie umgekehrt der Journalist sich Politiker "hält". (Nicht nur die in der Dritten Reihe, sondern auch die in der Ersten.)
Beide brauchen oder man kann auch sagen - gebrauchen - sich wechselseitig. Das geht soweit, dass gegenseitig auf Anforderung auch Gefälligkeiten erwiesen werden.

Nur manchmal gibt es eben "Schwäne", die schon mal in's Nest kacken.
Der dürfte in der Branche jetzt auch "verbrannt" sein. Er hat jetzt wohl auch ausgesorgt und kann sich zur Ruhe setzen.

Ach so, beinahe vergessen:
Lieber Llarian: Vielen Dank für den Gedankensplitter.

LG, Paul

___________________________
In dubio, pro reo.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.548

17.10.2014 01:12
#6 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #5
Der dürfte in der Branche jetzt auch "verbrannt" sein. Er hat jetzt wohl auch ausgesorgt und kann sich zur Ruhe setzen.


So wird er auch wohl selbst kalkuliert haben. Allein: das ist alles andere als sicher. Ein Außenstehender macht sich in aller Regel kein Bild davon, was in der Buchbranche verdient wird: sehr dürftig - sowohl bei Verlegers als auch bei den Schreibtischtätern - und von Übelsetzern baucht man gar nicht anzufangen: die klagen zwar seit 150 Jahren, daß ihnen nur das Fell über die Ohren gezogen werde: man kann aber davon ausgehen, daß nicht alle Buchmacher Schubiake sind: nur sind die Gewinnmargen so knapp ausgelegt, daß, außer wenn sich 1 Scharteke wirklich wie geschnitten Brot verkauft, da wenig Raum für große Sprünge bleibt. Der Buchhändler greift gut 30 Prozent das Ladenpreises ab (das ist die Marge, die man beim Direktkauf vom Verlag einsparen kann, oder bei Amazon, oder wenn man den Autor ganz-lieb anschreibt & Glück hat). Davon sind aller Strom, die Ladenschwengel & der Lagerplatz für die 85% der Schwarten, die liegenbleiben, zu begleichen. Transport & Verpackung ziehen rund 15 bis 25 Prozent; der Verlag will auch was (wg. Strom & Ladenschwengeln): ~30+ %. Für den Autor bleiben - je nach Verlag, nach Bekanntheit des Namens & garantierter Sellerträchtigkeit max. 15-20 %; bei Frischlingen ~10%. Das corpus delicti kostet im Laden €19,90; bleiben maximal 5, eher 2-4, pro Exemplar. Vor Steuern. Letzten Endes bleibt da selbst bei einem success de scandale höchstens eine halbe Million; als Autor wird da nie mehr etwas kommen; höchstens, daß er unter nom de plume Auftragssudeleien zugeschoben bekommt. Wenn man, wie das häßliche Entlein*, davon den Rest seiner Tage (plus der aufgelaufenen Teilrente) zehren muss, sieht das viel bescheidener aus; Lottogewinner können da ähnliche Geschichten erzählen. Fernseh- & Drehbuchautoren habens i.d.R. etwas besser: da bleiben zwar 95% Prozent aller Manuskripte (wenn sie denn Verträge haben) Makulatur, aber sie werden dafür, & recht ordentlich, entlohnt. Verlage sind nun mal, außer den Zeitschriftenverlagen & Multis wie Bertelsmann, Mittelstandsbetriebe, & üblicherweise ziemlich kleine.

* Ein Cartoon im Punch, 60er Jahre: ein stattlicher Schwan kommt den Fluß herabgeschwommen (in England dürfte das Shakespeares Avon sein, notorisch für "Schwäne") & eine Ente bemerkt zur anderen: "Es war ein häßliches Entlein - und es ist eine ausgesprochen scheußliche Ente geworden."

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

17.10.2014 07:32
#7 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #4
Das scheint der springende Punkt zu sein. Ein Journalist steht i.d.R. vor dem Dilemma, unter Zeitdruck irgendetwas zu einem aktuellen Thema schreiben zu müssen, von dem er weder Ahnung noch die Zeit für ausgiebige Recherche hat ("Mann, jetzt muss ich schon wieder was über Fracking schreiben!"). Es sollte aber schon irgendwie nach bedeutungsvollem Journalismus aussehen.
Einem Journalisten der Sportseiten würde man eher nicht verzeihen, wenn er über Fußball schreibt und keine Ahnung davon hat.
Für die Wissenschaftsseiten braucht es halt eine entsprechende naturwissenschaftliche Ausbildung.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

17.10.2014 07:56
#8 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #7
Für die Wissenschaftsseiten braucht es halt eine entsprechende naturwissenschaftliche Ausbildung.

Mit brauchen treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Nur mit dem haben haperts bei deutschen "Wissenschaftsjournalisten" doch ganz mächtig. Journalistik ist eben keine Naturwissenschaft.

Meinen ersten echten Bruch mit der Presse habe ich erlebt, als ich am Anfang meines Studiums einen Artikel lesen "musste" der sich mit meinem Fachgebiet beschäftigte. Da stand ein Unsinn, der einem die Schuhe auszog. Erst damit habe ich angefangen die Artikel, von denen ich thematisch keine Ahnung hatte, zu hinterfragen. Und umso länger das ganz andauerte habe ich irgendwann festgestellt, dass es in den Gebieten, wo ich früher weniger Ahnung hatte, nicht viel besser war. Ich habe heute den Eindruck, dass sich eine Mehrheit der Journalisten, gerade in wissenschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Themen gerne und viel einen vom Pferd erzählen lassen und das dann irgendwie in einen Artikel verwursten. Wenn man halt "Experten" des oben genannten Schlages verwendet, ist das auch naheliegend.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.10.2014 12:08
#9 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Ich stimme dem Artikel zwar im Prinzip zu, möchte aber doch etwas relativieren.
Wenn jemand als Experte für ein Fachinstitut oder eine Behörde auftritt, dann erwarte ich in der Tat eine echte Qualifikation durch einschlägige Ausbildung und Berufspraxis. Und da gibt es in der Tat viele Peinlichkeiten, insbesondere bei NGOs und halbseidenen Beratungsinstituten aus dem politischen Umfeld.

Das gilt aber nur eingeschränkt für Politiker. Die sollen ja als Volksvertreter Entscheidungen fällen, das ist also mehr eine Managementtätigkeit, sehr stark auch eine Kommunikationsfunktion. Wenn die als "Experten" in einem Bereich agieren, dann reicht es, daß sie sich intensiver mit diesem Bereich beschäftigt haben und daher verstehen, was die eigentlichen Fachexperten ausgearbeitet haben und ihnen zur Entscheidung vorlegen. Ich selber war zum Beispiel finanzpolitischer und baupolitischer Sprecher unserer Fraktion - ohne irgendeine formale Qualifikation. Aber ich behaupte mal, daß sowohl die Kollegen der anderen Fraktionen wie die eigentlichen Experten aus Verwaltung oder Firmen nie etwas zu kritisieren hatten an dem Hintergrund, den ich mir selber angeeignet hatte.

Entsprechendes hat man ja in der Wirtschaft - die echten Experten gibt es auf der Arbeitsebene, auf der Managementebene haben die Entscheider oft einen anderen Hintergrund, brauchen aber eine gewisse Branchenerfahrung, um die Produktideen oder Projekte ihrer Experten beurteilen zu können.

Peinlich ist also nicht, wenn der "Energiexperte" von Partei X nicht Elektrotechnik studiert hat. Peinlich wird es erst (wie es häufig vorkommt), wenn er die vorgelegten Pläne überhaupt nicht verstehen und beurteilen kann.
Diese Peinlichkeit können aber nur Leute bemerken, die selber ein gewisses Minimum an Fachwissen beherrschen. Und da fallen meist die über diese Politiker berichtenden Journalisten ziemlich aus ...

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

17.10.2014 13:26
#10 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #7
Journalisten der Sportseiten würde man eher nicht verzeihen, wenn er über Fußball schreibt und keine Ahnung davon hat.


Also ich lese fast täglich Artikel über Fussball, die mir die Haare zur Berge stehen lassen; der Unterschied ist m.E., dass im Sport (abgesehen von wenigen Fakten, die allerdings auch oft falsch dargestellt werden) ein größerer Interpretationsspielraum vorhanden ist als bspw. in den Naturwissenschaften. Darüberhinaus ist das Thema auch nicht derart komplex. Ein Journalist kommt so eher in sein Element.

Es ist aber schon so, wie Llarian oben angedeutet hat: Je mehr man selbst von einem Thema versteht, um so deutlicher merkt man auch, dass die meisten Journalisten wirklich von gar nix Ahnung haben. Ich meine das auch nicht als Vorwurf; aber es erklärt, warum solche Stichwortgeber als "Experten" in der Branche so beliebt sind.

Wirklich ärgerlich finde ich nur, wenn ein Journalist zwar ein Thema nicht versteht, aber trotzdem eine politische Agenda verfolgt und zu diesem Zweck jede zweifelhafte Figur zitiert, die ihm ins Konzept passt; ich meine, das hat mit Journalismus dann auch nichts mehr zu tun und der Autor ist somit komplett überflüssig.

Grüße,
Fonzo

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

17.10.2014 17:08
#11 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Ich mußte gerade an Sie denken lieber Llarian, als ich von den rechtliche Bedenken des Experten Gernot Erler las.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

flobotron Offline



Beiträge: 279

17.10.2014 17:29
#12 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9


Peinlich ist also nicht, wenn der "Energiexperte" von Partei X nicht Elektrotechnik studiert hat. Peinlich wird es erst (wie es häufig vorkommt), wenn er die vorgelegten Pläne überhaupt nicht verstehen und beurteilen kann.
Diese Peinlichkeit können aber nur Leute bemerken, die selber ein gewisses Minimum an Fachwissen beherrschen. Und da fallen meist die über diese Politiker berichtenden Journalisten ziemlich aus ...




Zitat

„Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. […] Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, [sind] genau jene Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als richtig zu erkennen.“



- David Dunning

Paul Offline




Beiträge: 1.285

17.10.2014 20:58
#13 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Lieber Ulrich Elkmann vielen Dank, für Ihre Erläuterung. So was in dieser Größenordnung hatte ich auch im Kopf.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6
Zitat von Paul im Beitrag #5
Der dürfte in der Branche jetzt auch "verbrannt" sein. Er hat jetzt wohl auch ausgesorgt und kann sich zur Ruhe setzen.


So wird er auch wohl selbst kalkuliert haben. Allein: das ist alles andere als sicher. Ein Außenstehender macht sich in aller Regel kein Bild davon, was in der Buchbranche verdient wird: sehr dürftig....Das corpus delicti kostet im Laden €19,90; bleiben maximal 5, eher 2-4, pro Exemplar. Vor Steuern.


Habe dann aber mehr daran gedacht:

Zitat
Wie Sarrazin Millionär wurde


http://www.handelsblatt.com/unternehmen/...de/6647994.html

LG, Paul

___________________________
In dubio, pro reo.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

17.10.2014 21:37
#14 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Ich selber war zum Beispiel finanzpolitischer und baupolitischer Sprecher unserer Fraktion - ohne irgendeine formale Qualifikation. Aber ich behaupte mal, daß sowohl die Kollegen der anderen Fraktionen wie die eigentlichen Experten aus Verwaltung oder Firmen nie etwas zu kritisieren hatten an dem Hintergrund, den ich mir selber angeeignet hatte.

Ja, ich denke, die Adelung zum Experten passiert wenigstens in manchen Fällen so: gegen die Bezeichnung "finanzpolitischer Sprecher" (oder analog) ist ja nichts einzuwenden, das ist eine korrekte Bezeichnung der Aufgabe. Der finanzpolitische Sprecher beschäftigt sich intensiver mit dem entsprechenden Thema als andere in der Fraktion oder Partei und wohl auch intensiver als mit anderen Themen, er ist gewissermaßen darauf spezialisiert. Und für jemanden, der die Sprache salopp handhabt und nicht immer viel Bedeutung mit den Worten verbindet, sind "Spezialist" und "Experte" praktisch synonym. So schreibt der Journalist "Finanzexperte" und meint eigentlich "finanzpolitischer Sprecher".

Sollte diese Theorie stimmen, dann wirft sie ein übles Licht auf die journalistische Profession, denn Unkenntnis im Fach des "Experten" kann man ihr durchgehen lassen (wenn auch ungern und kopfschüttelnd), aber Unkenntnis im korrekten Gebrauch der Sprache, der eine journalistische Kernkompetenz sein sollte, ist unverzeihlich.



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Llarian Offline



Beiträge: 6.919

18.10.2014 00:28
#15 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Das gilt aber nur eingeschränkt für Politiker. Die sollen ja als Volksvertreter Entscheidungen fällen, das ist also mehr eine Managementtätigkeit, sehr stark auch eine Kommunikationsfunktion. Wenn die als "Experten" in einem Bereich agieren, dann reicht es, daß sie sich intensiver mit diesem Bereich beschäftigt haben und daher verstehen, was die eigentlichen Fachexperten ausgearbeitet haben und ihnen zur Entscheidung vorlegen.

Zum einen: Das ist mehr nicht der Fall als der Fall. Es reicht eben nicht seinen Staatssekretär zu fragen. Und jemand der einen Wattwurm nicht vom Kilowatt unterscheiden kann, der wird auch nicht durch seine Kommunikationsfähigkeit zu jemandem, der in diesem Feld etwas entscheiden sollte. Das ist ja nicht zuletzt der Grund warum die BRD immer schlechtere Gesetze bekommt, Politiker sonnen sich in ihrer Fähigkeit jedes Feld beackern zu können und scheitern daran. Und wir alle tragen die Folgen.
Zum anderen: Auch wenn sich jemand mehr mit etwas beschäftigt wird er dadurch nicht zum Experten. Ich habe genau ein Fachgebiet und das ist Robotik. Ich mache das seit 15 Jahren, halte zwei akademische Grade dazu und habe seitdem ununterbrochen in dem Feld gearbeitet. Damit kann man mich wohl als Experten bezeichnenn. In diesem Gebiet. Ich beschäftige mich parallel auch mit anderen Dingen. Aber dadurch werde ich nicht zum Experten, bestenfalls zum interessierten Laien oder begeisterten Amateur. Ich verstehe mit aller Sicherheit mehr von Elektrotechnik und Physik als die meisten "Energieexperten" die im Bundestag rumlaufen. Und ich reklamiere keinerlei tiefere Kenntnis dieses Gebietes.

Zitat
Ich selber war zum Beispiel finanzpolitischer und baupolitischer Sprecher unserer Fraktion - ohne irgendeine formale Qualifikation. Aber ich behaupte mal, daß sowohl die Kollegen der anderen Fraktionen wie die eigentlichen Experten aus Verwaltung oder Firmen nie etwas zu kritisieren hatten an dem Hintergrund, den ich mir selber angeeignet hatte.


Das mag wohl sein, vielleicht auch weil Du deine Grenzen kanntest und auch nie in die Verlegenheit gekommen bist bundesweite Gesetze zu verfassen. Aber wie dem auch genau sei, ein Finanzexperte oder Bauexperte wirst Du dadurch auch nicht.

Zitat
Entsprechendes hat man ja in der Wirtschaft - die echten Experten gibt es auf der Arbeitsebene, auf der Managementebene haben die Entscheider oft einen anderen Hintergrund, brauchen aber eine gewisse Branchenerfahrung, um die Produktideen oder Projekte ihrer Experten beurteilen zu können.


Genau daher kommt unter anderem der Spruch von den Nieten in Nadelstreifen. Das ist kein Feature, das ist ein schwerwiegender Bug und er hat was mit dem Filz zu tun, aus dem sich heute gerade in Deutschland das höhere Managment rekrutiert. Es gibt Aberdutzende Beispiele von genau solchen Leuten die dann furchtbar gescheitert sind. Natürlich braucht eine Firma keinen Spezialisten mit Kommunikationsproblem auf dem Chefsessel. Aber ein besserer Garant pleite zu gehen ist jemand auf dem selbigen zu haben, der ausser seiner Durchlauferhitzerkarriere nie etwas ernsthaft gelernt hat. Deutschland lebt ja nun gerade vom Mittelstand, kleine Firmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern. Da gibts noch nicht so viel Management, aber der Chef kennt in aller Regel das Thema besser als die meisten seiner Mitarbeiter. Das sind dann tatsächlich Experten.

Zitat
Peinlich ist also nicht, wenn der "Energiexperte" von Partei X nicht Elektrotechnik studiert hat. Peinlich wird es erst (wie es häufig vorkommt), wenn er die vorgelegten Pläne überhaupt nicht verstehen und beurteilen kann.


Um solche Pläne verstehen zu können braucht es eben mehr als einen Staatssekretär zur Hand oder ein abgeschlossenes (oder abgebrochenes) Jurastudium. Es gibt immer Platz für Quereinsteiger. Aber auch Quereinsteiger lernen ein Fach nicht schneller als die, die es "hauptamtlich" mal gelernt haben. Man kann auch ohne ein Studium zu einem Experten werden. In jahrelanger Arbeit. Eher Jahrzehnte.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

18.10.2014 00:29
#16 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6

Der Buchhändler greift gut 30 Prozent das Ladenpreises ab (das ist die Marge, die man beim Direktkauf vom Verlag einsparen kann, oder bei Amazon, oder wenn man den Autor ganz-lieb anschreibt & Glück hat).


Buchpreisbindung...

Nötig, damit die Stimmung und das Flair kleiner Buchhändler erhalten bleibt.

Die Sterben zwar trotzdem aus und bei Amazon kann ich viel mehr Bücher bestellen, als bei einem kleinen Buchhändler, geschweige denn, dass der kleine Buchhändler auf Lager hat, was ich will, aber es ist offensichtlich eine Staatsaufgabe die Atmosphäre und Stimmung bei kleinen Buchhändler auf Kosten aller zu schützen.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.548

18.10.2014 00:41
#17 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #16
aber es ist offensichtlich eine Staatsaufgabe die Atmosphäre und Stimmung bei kleinen Buchhändler auf Kosten aller zu schützen.


Awwer seker toch. Unser Dorfbuchhändler bestellt die Bücher noch über einen Grünbildschirm mit Befehlszeile, bei dem das Upgrade von DOS zu MS-DOS unterblieben ist. Und alle Kiddies müssen dort Hefte & Stifte besorgen. Das ist lebendige Geschichte: "Kuck ma: SO hat der Göhte geschrieben!"

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.10.2014 01:11
#18 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #15
Genau daher kommt unter anderem der Spruch von den Nieten in Nadelstreifen. Das ist kein Feature, das ist ein schwerwiegender Bug und er hat was mit dem Filz zu tun, aus dem sich heute gerade in Deutschland das höhere Managment rekrutiert. Es gibt Aberdutzende Beispiele von genau solchen Leuten die dann furchtbar gescheitert sind. Natürlich braucht eine Firma keinen Spezialisten mit Kommunikationsproblem auf dem Chefsessel. Aber ein besserer Garant pleite zu gehen ist jemand auf dem selbigen zu haben, der ausser seiner Durchlauferhitzerkarriere nie etwas ernsthaft gelernt hat. Deutschland lebt ja nun gerade vom Mittelstand, kleine Firmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern. Da gibts noch nicht so viel Management, aber der Chef kennt in aller Regel das Thema besser als die meisten seiner Mitarbeiter. Das sind dann tatsächlich Experten.

Aber in größeren Firmen gibt es doch zumeist eine Aufteilung im Board, die in der Regel schon das Aufgabenfeld widerspiegelt: der Technikvorstand ist ein Ingenieur, der Finanzvorstand ein Bänker, der Vertriebsvorstand..na gut, der hat im Zweifel auch irgendwas gelernt .

Und dann ist die Frage, was denn überhaupt das Kerngeschäft ist. Nimmt man z. B. die Strombranche, die extrem reguliert ist. Da reicht es für einen CEO nicht aus, wenn er sich mit der Erzeugung und dem Transport von Strom auskennt. Er muss wahrscheinlich mindestens genausoviel Jurist und Politiker sein, um in seinem Geschäft Erfolg zu haben

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

adder Offline




Beiträge: 1.073

18.10.2014 08:35
#19 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #15
Zitat von R.A. im Beitrag #9

Zitat
Entsprechendes hat man ja in der Wirtschaft - die echten Experten gibt es auf der Arbeitsebene, auf der Managementebene haben die Entscheider oft einen anderen Hintergrund, brauchen aber eine gewisse Branchenerfahrung, um die Produktideen oder Projekte ihrer Experten beurteilen zu können.

Genau daher kommt unter anderem der Spruch von den Nieten in Nadelstreifen. Das ist kein Feature, das ist ein schwerwiegender Bug und er hat was mit dem Filz zu tun, aus dem sich heute gerade in Deutschland das höhere Managment rekrutiert. Es gibt Aberdutzende Beispiele von genau solchen Leuten die dann furchtbar gescheitert sind. Natürlich braucht eine Firma keinen Spezialisten mit Kommunikationsproblem auf dem Chefsessel. Aber ein besserer Garant pleite zu gehen ist jemand auf dem selbigen zu haben, der ausser seiner Durchlauferhitzerkarriere nie etwas ernsthaft gelernt hat. Deutschland lebt ja nun gerade vom Mittelstand, kleine Firmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern. Da gibts noch nicht so viel Management, aber der Chef kennt in aller Regel das Thema besser als die meisten seiner Mitarbeiter. Das sind dann tatsächlich Experten.



Ich kann das bestätigen. Zuerst habe ich bei einem echten mittelständischen Generikahersteller gearbeitet, bei dem meine Chefin die eindeutig beste Expertin für unser Aufgabengebiet war - nebenbei auch noch eine perfekte Führungskraft. In meiner Zeit hier im Konzern habe ich zuerst in einer kleinen, sehr autonomen Tochterfirma - also quasi ein Mittelständler - gearbeitet. Mein erster Chef dort war auch ein Experte in seinem Fachgebiet, leider nicht in dem Gebiet, das er dann betreute, und auch nicht als Führungskraft - in unserem Aufgabengebiet war er dann getrieben von den beiden Gruppenleiterinnen, die, einander spinnefeind, ihn mit diesem oder jenem zumüllten. Außerdem war die Zeit an ihm vorbeigegangen - leider ist das bei ehemaligen VEBs so, da die massiven Personaleinsparungen nach der Privatisierung leider Spuren hinterlassen haben und die Mitarbeiter sehr alt sind. Als er in Rente ging, habe ich den wohl besten Chef bekommen, den ich mein Leben lang kennenlernen werde. Er kam von einem Mittelständler, der langsam aber sicher von einem Großkonzern geschluckt wurde, kannte unser Fachgebiet wie kein anderer (während ich Chef I fachlich deutlich überlegen war, war Chef II mir ebenso deutlich überlegen), kannte die Fallstricke und die Möglichkeiten und auch jedes moderne Mittel. Und er war ein guter Vorgesetzter: er diskutierte seine Entscheidungen mit den fachlichen Bearbeitern vor der Entscheidung, war jederzeit zu Gesprächen, Rückfragen oder Hilfestellungen bereit, und versuchte jeden von uns zu fördern: letzteres gelang ihm bei vielen Mitarbeitern, die richtiggehend aufblühten und sich plötzlich trauten, eigenständig zu denken und selbstständig zu arbeiten, andere Mitarbeiter, die sich vorher bequem eingerichtet hatten, waren davon überhaupt nicht begeistert und machten dicht - da konnte er dann auch nichts mehr machen, insbesondere da unsere Abteilung einige Jahre später geschlossen werden sollte, weil der autonome Status der Tochterfirma geschliffen wurde.
Im Konzern gibt es dagegen sowohl als auch - wir haben Chefs, die weniger wissen als 90% ihrer Mitarbeiter, wir haben aber auch echte Koryphäen, die tüchtig und fachlich hervorragend sind. Und wir haben eine weitere Gruppe Chefs/Abteilungsleiter, die zwar vielleicht fachlich nicht ganz so gut sind, dafür aber hervorragende Führungsfertigkeiten haben. Als "Experte" in meinem Gebiet, der leider im Moment unter fehlenden Führungsfertigkeiten eines Vorgesetzten leidet, sind mir letztere im Moment am liebsten.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #18
Aber in größeren Firmen gibt es doch zumeist eine Aufteilung im Board, die in der Regel schon das Aufgabenfeld widerspiegelt: der Technikvorstand ist ein Ingenieur, der Finanzvorstand ein Bänker, der Vertriebsvorstand..na gut, der hat im Zweifel auch irgendwas gelernt .


Naja... da gibt es aber große Differenzen zwischen Theorie und Praxis. In der Praxis ist jeder davon in irgendeinerweise durch die Betriebswirtschaft geschult, und kaum einer versteht noch das Geschäft selbst. Selbst wenn er als Chemiker bei einem Chemieunternehmen oder als Ingenieur bei einem Technikunternehmen ist, heißt das ja nicht, dass er in den letzten 20 Jahren irgendwas fachliches gemacht hat. Ist aber nicht so schlimm, denn:

Zitat:Und dann ist die Frage, was denn überhaupt das Kerngeschäft ist. Nimmt man z. B. die Strombranche, die extrem reguliert ist. Da reicht es für einen CEO nicht aus, wenn er sich mit der Erzeugung und dem Transport von Strom auskennt. Er muss wahrscheinlich mindestens genausoviel Jurist und Politiker sein, um in seinem Geschäft Erfolg zu haben

Gruß Petz



der CEO ist bei aller berechtigten Kritik an Einzelpersonen aber kein gutes Beispiel für einen fachfremden Manager, der besser facheigen besetzt wäre. Der CEO muss vor allem Moderator zwischen den Boardmitgliedern sein und nach außen das Unternehmen vertreten, er muss also zwei Kernkompetenzen haben: Führungsstärke und Kommunikation. Bei den Boardmitgliedern ist das sogar ziemlich ähnlich, aber bei den Ebenen darunter beginnt dann das Problem, wenn nur noch Leute genommen werden, die wenig Kenntnisse vom Geschäft der einzelnen Abteilungen haben.
Ein Abteilungsleiter in einer Forschungsgruppe sollte zu den zweifelsohne erforderlichen Führungskompetenzen und Budgetleitungskompetenzen auch einen guten Einblick in die Wissenschaft haben - im Kerngebiet der Forschung des Unternehmens - denn ansonsten kann er die Arbeiten seiner Untergebenen nicht verstehen und nicht bewerten, geschweige denn vernünftig an seinen Line Manager weiterkommunizieren. Dann passiert vielleicht etwas, dass sehr negativ für das Unternehmen ist: Forschungsergebnisse werden falsch bewertet, und daraufhin wird eine Aussage zum baldigen Ende und Marktreife getroffen oder es wird eine eigentlich aussichtsreiche Forschung eingestellt. Ebenso gilt das auch für andere Bereiche

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

18.10.2014 10:49
#20 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #18

Und dann ist die Frage, was denn überhaupt das Kerngeschäft ist. Nimmt man z. B. die Strombranche, die extrem reguliert ist. Da reicht es für einen CEO nicht aus, wenn er sich mit der Erzeugung und dem Transport von Strom auskennt. Er muss wahrscheinlich mindestens genausoviel Jurist und Politiker sein, um in seinem Geschäft Erfolg zu haben



Genau das ist das Problem an ständiger Einmischung der Politik und juristischer Überregulierung: Sie verlangt von Unternehmern quasi Alleskönner zu sein. Da muss man zu einem gewissen Grad dran scheitern und das gilt dann am Ende den Politikern und Juristen als Beweis, dass man die Unternehmer nicht einfach machen lasse darf...

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Jakob Nierstein Offline



Beiträge: 133

18.10.2014 12:05
#21 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Ja, das regt mich auch auf, im Großen wie im Kleinen. Als Informatiker erhebe ich mich den Anspruch, rational denken und vor allem rechnen zu können. Gerade letzteres hilft mir immer wieder. Ich hausiere nicht als "Finanzexperte", betreibe aber ein Blog, das sie vorrangig um das Thema der persönlichen Finanzen dreht, weil es mein Hobby ist. Ich versuche mit ein wenig Arithmetik und Wahrscheinlichkeitstheorie die Leser zum gescheiteren Investieren zu bewegen: http://couponschneider.blogspot.de/2014/...en-wie-ein.html Solche Berechnungen, Argumente und meine Investitionsleistung der letzten Jahren sprechen für sich. Finanzexperte nenne ich mich dennoch nicht. Insbesondere Designerprodukte wie KLV, Riester, Rürup und Bausparvertrag verstehe ich nicht. Das Feld der Anleihen ist mir auch recht kompliziert. Aber es gibt die einfache Regel: Was zu kompliziert ist, wird nicht gekauft. Das Geschäftsmodell von Procter & Gamble, Walmart, Hannover Rück, RWE, General Mills, Daimler usw. versteht jeder. Jahresberichte lesen, kann man schnell lernen. Und dann darf man das auch kaufen.

Ich könnte mich dann immer wieder aufregen über Leute, die den Aktieninvestitionen pauschal als gefährlich verunglimpfen, sich aber Finanzexperten nennen. Gerade dann auch noch von Leuten, die in ihrem Leben nie Investition auf dem Finanzmarkt getätigt haben, uns aber vorschreiben wollen, was riskant ist und was nicht.

Ob die Themen S21, Gentechnik oder Fracking sind, mir sind die Diskussionen zu emotional. Gerade die Gegner bringen die Emotionalität ins Spiel und bringen "Experten" in Stellung, während die Befürworter nur als Lobbyisten gelten (obwohl teilweise wahre Fachleute auf ihrem Gebiet und nicht nur Pressesprecher). Dabei kann man mit ein wenig Logik die "Emotionalen" aus dem Konzept bringen, z. B. beim Fracking:

1. Fracking wird erfolgreich angewendet, ohne dass es Schäden gibt. Aus Fehlern bei der Einführung, die überall passieren, hat man gelernt.
2. Wir verlangen von Fracking, dass sie risikolos, während wir bei anderen Techniken die Risiken billigend in Kauf nehmen, ja sogar subventionieren, z. B. bei der Steinkohleförderung unter Tage, wo dann echte Hohlräume entstehen, mit dem Risiko von Erdrutschen.

Für solche Argumente braucht man nicht einmal Fachmann sein. Dennoch wird man als Lobbyist beschimpft und die Äußerungen der "Experten" der Gegenseite werden dann ins Feld geführt und man hat dann keine Chance. Was beispielsweise Claudia Kemfert als "Energiexpertin" auszeichnet? Ich weiß es nicht.

Ich bin ja Informatiker, meines Erachtens ein überdurchschnittlich guter. Ich lese und lerne viel (selbst sechs Jahre nach dem Studium), probiere viel aus, daher kann ich mir dieses positive Selbsturteil erlauben. Dennoch hausiere ich nicht als Datenbankexperte, weil ich auch die Theorie der relationalen Datenbanken kenne und verstehe (viele andere nicht). Ich hausiere auch nicht als Experte für funktionale Programmiersprachen, nur weil ich einige davon kenne und teilweise beherrsche und damit Projekte umgesetzt habe. Dennoch bin ich häufig verärgert über die Selbstgefälligkeit und Hochnäsigkeit der anderen, von denen ich auch Belehrungen hören darf. Ich bin ja ein ruhiger Mensch, wobei meine ruhige Art die Leute dazu einzuladen scheint, zu denken, ich könne nichts. Mich regen die Selbstdarsteller schon im privaten und beruflichen Umfeld auf. Potitik wäre noch schlimmer.

Susanne Gaschke ist ja in Kiel gescheitert. Teilweise war sie wirklich naiv, aber ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie kürzlich im Radio davon erzählte: Als einen rationalen Vorschlag machte und glaubte, die CDU könne problemlos dafür stimmen, weil sie mit Argumenten versuchte, zu überzeugen, aus der CDU nur zu hören bekam: "Frau Gaschke, kommen Sie endlich zur Vernunft." - Mir kommt das nur allzu bekannt vor.

Jakob Nierstein Offline



Beiträge: 133

18.10.2014 12:34
#22 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #10
Also ich lese fast täglich Artikel über Fussball, die mir die Haare zur Berge stehen lassen; der Unterschied ist m.E., dass im Sport (abgesehen von wenigen Fakten, die allerdings auch oft falsch dargestellt werden) ein größerer Interpretationsspielraum vorhanden ist als bspw. in den Naturwissenschaften. Darüberhinaus ist das Thema auch nicht derart komplex. Ein Journalist kommt so eher in sein Element.



Apropos Fußball. Was mich in den letzten Monaten ärgerte war das Gejaule über Spieler wie Özil und Kroos. Das sind nachweislich echte Experten am Ball. Dennoch wird an ihnen herumgemäkelt, dass sie "phlegmatisch" wären. Wäre der Mannschaft geholfen, wenn sie nicht "phlegmatisch" wären? Thomas Müller, ein toller Spieler, aber auch ein Ballverstolperer, wird immer über den grünen Klee gelobt, weil er extrovertiert seine Arbeit angeht. Hätte Einstein seine Relativitätstheorie noch besser verkaufen können, wenn er gut gekämmt gewesen wäre? Vielleicht hätte auch seine Stellungnahme gegen Kernwaffen besser gefruchtet?

Ich habe im anderen Beitrag schon geschrieben, dass ich ein ruhiger und zurückhaltender Mensch bin. Umso älter ich werde, um stärker könnte ich mich über darüber aufregen, wie viel Wert auf den Schein gelegt wird. Früher ärgerte ich mich über die erfolgreichen Felix Krulls. Umso älter ich werde, umso Verachtung staut sich in mir für die Leute an, die betrogen werden wollen. Die sagen mir dann offen ins Gesicht, meine Argumente wären richtig, aber ihnen passe meine Nasenspitze nicht. Dann machen die das, was denken, eine nachweislich schlechtere Lösung mit dreifachem Aufwand.

Ob diese Leute auch zum Autohändler gehen, im voller Kenntnis darüber, dass Auto A besser (im Sinne des Preis-Leistungs-Verhältnisses) ist als Auto B, aber dann doch B kaufen, weil die Werbung dafür besser ist?

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 342

18.10.2014 15:51
#23 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #22

Ob diese Leute auch zum Autohändler gehen, im voller Kenntnis darüber, dass Auto A besser (im Sinne des Preis-Leistungs-Verhältnisses) ist als Auto B, aber dann doch B kaufen, weil die Werbung dafür besser ist?


Ja, aber sie werden das gegenüber sich selbst durch einen "guten" Grund rechtfertigen. Welcher "gute" Grund das sein könnte, weiß ich nicht, vielleicht hat Auto B ja ein Alleinstellungsmerkmal, weshalb man unbedingt B kaufen muss.

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.259

19.10.2014 23:08
#24 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Ich habe das bestimmt zehnmal gesehen und es schmerzt wie beim aller ersten Mal:
https://www.youtube.com/watch?v=BKorP55Aqvg

___________________
Kommunismus mordet.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.548

31.10.2014 12:33
#25 RE: Das Expertenunwesen Antworten

Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #21
1. Fracking wird erfolgreich angewendet, ohne dass es Schäden gibt. Aus Fehlern bei der Einführung, die überall passieren, hat man gelernt.


Heute morgen im Bus: Der Fahrer hält Klönschnack über hohe Spritpreise. In einem Atemzug: "In Amerika haben die Fracking. Aber die Gefahren werden verschwiegen. Da brennen die Wasserhähne!"
Das sitzt jetzt wie die Gentomaten und die Atomlobby, auf Jahrzehnte. Da brauchts keine Experten mehr.

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