Lieber Zettel, ich bin mir, obwohl kein Jurist, da nicht so sicher, ob die ganze Affäre juristisch wirklich wasserfest ist. Immerhin haben jetzt zwei Berliner Anwälte mit plausibel klingender Begründung Anzeige gegen die Bundesregierung und den BND wegen Untreue und Anstiftung zur Ausspähung von Daten erstattet. Es sei ein einmaliger Vorgang, dass sich die Regierung mit einem Straftäter zusammentue, um eigene Bürger verfolgen zu können. Die Anwälte sind der Ansicht, dass zumindest das Bundesverfassungsgericht sagen werde, der Staat dürfe nie so handeln. Es könne nicht angehen, dass sich die Bundesregierung sehenden Auges in die Nähe von Straftaten rücke. Besonders umstritten sei die Verwertbarkeit der Daten vor Gericht. Einen Mitarbeiter einer Bank mit hohen Geldangeboten zu korrumpieren, sei nicht nur moralisch fragwürdig, sondern es kämen auch eine ganze Reihe von Straftatbeständen des deutschen Strafgesetzbuches in Betracht. Darüber hinaus raten die Anwälte möglichen Betroffenen vor einer Selbstanzeige ab. Diese Empfehlung der Behörden sei eine Finte, da eine Selbstanzeige nur dann in strafrechtlicher Sicht Sinn mache, wenn noch keine Ermittlungen laufen. Und sie sind der Ansicht, dass konkret im Fall Zumwinkel der Rechtsstaat und die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten worden seien. http://www.welt.de/politik/article169451...emacht_hat.html )
Ob Hehlerei offizieller Stellen vorliegt oder nicht und ob man mit Daten Hehlerei betreiben kann (die sich ja auf Dinge zu beschränken scheint), sollen die Gerichte entscheiden. Wenn man mit Daten den Tatbestand der Hehlerei nicht erfüllen kann, dann gibt es wohl mit dem entsprechenden Gesetz ein erhebliches Problem und es müsste schleunigst an die Neuzeit angepasst werden. Liechtenstein wirft Deutschland auf jeden Fall Hehlerei in grossem Stil vor. Erbprinz Alois, das Staatsoberhaupt, und der stellvertretende Regierungschef, Klaus Tschütscher, verurteilten scharf die Praktiken des BND: Das Vorgehen der deutschen Behörden wäre in Liechtenstein nicht möglich. «Bei uns können fiskalische Interessen nicht über rechtsstaatliche Prinzipien gestellt werden», erklärte Erbprinz Alois und er ergänzte, dass Deutschland das Problem mit seinen Steuerzahlern nicht mit einem Angriff auf Liechtenstein lösen werden könne. "Deutschland sollte seine Steuergelder besser dafür einsetzen, sein Steuersystem in den Griff zu bekommen als Millionenbeträge für Daten auszugeben, deren rechtliche Verwertbarkeit zweifelhaft ist." Offenbar verfolge Deutschland bei der Steuereintreibung eine neue Strategie und nehme damit bewusst die Störung ausländischer Finanzplätze in Kauf. «Dies dient einzig dazu, die eigenen Bürger und Bürgerinnen einzuschüchtern», sagte der Erbprinz. (http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft...e_1.674190.html)
Es bestehen ja ernste Zweifel an der Richtigkeit der offiziellen Darstellung, dass die Daten Deutschland einfach so zugetragen worden seien. Der BND, dessen Aufgabenbereich ist, sich Erkenntnisse über das Ausland zu beschaffen, die von aussen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, hat sich seit dem Ende des Kalten Kriegs neue Betätigungsfelder gesucht, zu denen, wie die Neue Zürcher Zeitung in einem Bericht aufzählt, auch organisierte Kriminalität und der Handel mit Drogen, nuklearem Material und Menschen, sowie Geldwäsche gehören. Zur Terrorabwehr erhielt der BND auch Kompetenzen im Inland einschliesslich der Möglichkeit zur Abfrage von Bankkonten und Telekomdaten. Dass der BND nicht ganz so tatenlos gewesen ist, wie die Regierung glauben machen will, deuten Berichte über eine grossangelegte und seit Jahren laufende Aktion des BND über das Ausspähen von Liechtensteiner Banken an. Dem BND soll es durch den Einsatz von hohen Geldsummen gelungen sein, leitende Bankmitarbeiter anzuzapfen. Mit Hilfe mindestens einer dieser Quellen sollen auch die Unterlagen beschafft worden sein, die zur aktuellen Steueraffäre geführt haben. Die bisher offizielle Version des BND, dass ein Informant das brisante Material angeboten und dafür 5 Mio. Euro kassiert habe, ist, wie die "Berliner Zeitung" meldet, eine Geschichte, um diplomatische Verwicklungen zwischen Deutschland und Liechtenstein zu vermeiden. (http://www.berlinonline.de/berliner-zeit...tik/726430.html) Und man kann hinzufügen, um die wackelige eigene Rechtsposition nicht zu zeigen.
Im Blog der "Bissigen Liberalen ohne Gnade (B.L.O.G.)" wird die Plausibilität der offiziellen Version mit Hinweis auf Ockhams Rasiermesser, d. h. auf das Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaft, bezweifelt und die einfachste (und realitätsnäher erscheinende) Erklärung geliefert:
"Da wäre ein Dieb, der irgendwie auf die Idee gekommen ist, die Daten ausgesuchter deutscher Staatsbürger auf DVD zu ziehen, auf den BND zugekommen und hätte einen Verkauf angeregt. Und der BND hätte dann nur den Boten gespielt und diese DVD per Amtshilfe an die zuständige Behörde weitergeleitet...
Aber mal ganz nüchtern: Wie wahrscheinlich ist denn dieses Szenario? Ein Bankangestellter klaut Daten. Ganz aus eigenem Antrieb, um sie zu verwerten. Die natürliche Idee wäre anschließend, die Betroffenen um etwas Schweigegeld zu bitten. Oder aber - wenn man die deutschen Gesetze schon mehr respektiert als die von Liechtenstein - die zuständigen deutschen Behörden zu kontaktieren. Die Steuerfahndung, das Finanzministerium, vielleicht auch Polizei oder Zoll.
Aber doch bestimmt nicht einen Geheimdienst, der überhaupt keine Zuständigkeit hat und dessen Außenstellen wohl auch nicht so leicht zu kontaktieren sind.
Wenn Ockham noch irgendwie ernst zu nehmen ist, dann war es doch wohl ganz anders: Die Bundesregierung will mal publikumswirksam gegen die pösen Reichen vorgehen, gibt beim BND eine Operation gegen das störende Liechtenstein in Auftrag, und die finden dort einen Informanten, den sie mit Geld und guten Worten dazu bringen, die gewünschten Daten zu klauen."
Auf die Summe von mehr als 4 Mio. Euro scheint man im übrigen durch die einfache Überlegung gekommen zu sein, dass dies der Mindestbetrag ist, den man heute braucht, um vom Kapital leben zu können. Der Informant muss sich ja eine neue Existenz aufbauen ...
So viel (zu viel) zu diesem leidigen Thema.
Herzlich
Andreas
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