Zitat von ZettelIch fürchte, lieber RexCramer, das Erstarken der Extremisten - im Augenblick ja nur der Kommunisten - ist genau das, was durchgreifende Reformen verhindert.
Ursache und Wirkung sehe ich hier genau andersrum als Sie: Ich denke, die Wahlerfolge extremistischer Parteien (egal, ob wir nun von der NPD in Sachsen oder dem Einzug der SED-Nachfolgepartei in westdeutsche Parlamente reden) sind die Folge der zunehmenden Unzufriedenheit mit den demokratischen Parteien. Zuviele Probleme wurden aufgeschoben, ignoriert, dilettantisch angegangen usw. Bei diesem Thema muß ich manchmal an "Sabine Christiansen" denken, an eine Sendung lange vor der letzten Bundestagswahl, als Schwarz-Gelb laut Umfragen locker vorne lag, in der die große Steuerreform diskutiert wurde. Es waren einige Fachleute geladen, es ging um Stufentarife, Flat Tax, Negativsteuer usw. - eine sachliche und vernünftige Diskussion. Gegen Ende der Sendung ging die Moderatorin zu einem im Publikum sitzenden Holländer, ein ebenfalls sachkundiger Mann, und stellte ihm die Frage, welchen der Vorschläge und aus welchem Grund er denn für Deutschland empfehle, auch angesichts seiner Erfahrungen mit den Erfolgen der Reformen in den Niederlanden. Alle warteten ganz gespannt, doch er ging darauf überhaupt nicht ein, sondern sagte stattdessen: "Jedes dieser vorgeschlagenen Systeme ist gut und bei weitem besser als ihr jetziges. Hören sie auf zu diskutieren und entscheiden sie sich. Warten sie nicht länger, sondern handeln sie!" Der Mann hatte es auf den Punkt gebracht: Uns mangelt es nicht an guten Ideen und Konzepten, sondern es wird alles zerredet und so gut wie nichts umgesetzt! Von diesem Stillstand haben die Menschen die Faxen dicke. Ein anderer Grund bestärkt mich in dieser Ansicht, denn wenn man sich Wählerwanderungen etc. anguckt, dann stellt man schnell fest, daß das Potenzial für rechts- wie linksextreme Parteien, also diejenigen, die diesen Schwachsinn tatsächlich glauben, gar nicht so bedrohlich groß ist, sondern ein beträchtlicher Teil Protestwähler sind, die sich endlich eine bessere Politik wünschen, auch wissen, daß sie sie so nicht bekommen, aber in ihrer Hilflosigkeit sich nicht mehr anders zu helfen wissen, wie sie den demokratischen Parteien für ihre Versäumnisse sonst einen Denkzettel verpassen können. In diesem Sinne sind die jüngsten Wahlausgänge nicht der Grund für ausbleibende Reformen, sondern deren Ergebnis.
Zitat von ZettelDie SPD ist ja dabei, die Agenda 2010 Punkt für Punkt zu demontieren, weil ihr die Kommunisten im Nacken sitzen. Und die CDU rutscht in der Reaktion darauf (und natürlich wegen der Großen Koalition) ebenfalls nach links. Zumal ihr fähigster Liberaler, Friedrich Merz, im persönlichen Duell mit Angela Merkel (die ich nach wie vor, anders als viele andere, auch zum liberalen Flügel rechne) außer Gefecht gesetzt wurde.
Ja, das ist das, was wir beobachten und mich ziemlich staunen läßt: Statt endlich konkrete Probleme zu lösen, ist ein Überbietungswettberb in Gang gekommen, wer mehr Heilsversprechen macht. Den kann man gegen Extremisten nie gewinnen, denn je weniger Regierungsverantwortung eine Partei trägt, desto abenteuerlichere Forderungen kann sie stellen. Das ist allerdings eine Entwicklung, die ich so nicht erwartet hätte, daß Grüne, SPD und CDU nun über die Stöckchen springen, die ihnen von links hingehalten werden.
Zitat von ZettelOder anders gesagt: Die zaghaften Liberalisierungen am Ende der rotgrünen Regierung waren nur möglich, weil damals die Kommunisten vergleichsweise schwach waren, jedenfalls auf Bundesebene.
Ich weiß nicht. Es ist ja nicht so, daß man vorher nicht Jahrzehnte Zeit gehabt hätte, ein einfaches, gerechtes und transparentes Steuersystem einzuführen.
Zitat von ZettelAlso, lieber RexCramer, wenn die SPD nicht nur am Rand eine Grauzone zu den Kommunisten hat, sondern wenn - wie jetzt - die Führung selbst wackelt, dann ist das für mich im Wortsinn Alamrstufe Rot.
Ohne Zweifel, das ist eine gefährliche Entwicklung. Dennoch bin ich der Meinung, befaßten sich die demokratischen Parteien endlich mit den massiven und unübersehbaren strukturellen Problemen des Landes, erledigte sich das Problem an den politischen Rändern weitgehend von selbst. Jedenfalls ist das meine Überzeugung, daß aufkommender Extremismus auch immer ein Versagen demokratischer Kräfte ist.
Zitat von ZettelUnd - um zum Ausgangspunkt zurückzukommen - an Reformen ist solange nicht zu denken, wie die Kommunisten eine so starke Position haben wie jetzt. Dank der SPD (denn ihre Erfolge basieren ja wesentlich auch darauf, daß Wowereit sie in Berlin in die Regierung geholt hat; das war der Schritt, durch den sie hoffähig wurde).
Ein wenig hege ich ja noch die Hoffnung, daß das gerade ein Grund für echte Reformen sein könnte - schon aus eigenem Interesse, denn den Niedergang von sich selbst kann sich niemand wünschen. Andererseits bekommt das Volk auch immer die Politik, die es verdient ...
Zitat von ZettelIst Ihnen das aufgefallen? Trotz des jämmerlichen Zustands der SPD hat bei fast allen Umfragen die Volksfront eine Mehrheit. Der SPD laufen die Wähöer davon, aber zu den Kommunisten oder den Grünen. Ich fürchte, eine Krise unseres Parteiensystems würde weder zu einer Änderung des Wahlrechts führen, noch zu durchgreifenden Reformen, sondern sie würde die Volksfront an die Macht bringen.
Momentan schon, leider. Ich bin halt Optimist und hoffe, daß es sich doch genug Wähler überlegen werden und ins bürgerliche Lager wechseln.
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