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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 24 Antworten
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Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
Calimero

Beiträge: 3.280


17.03.2008 13:56
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Antworten
Die Wiedervereinigung wurde auf beiden Seiten als eine Korrektur irregulärer Verhältnisse angesehen.
Im Freudentaumel wurde dabei völlig übersehen, dass sich da 2 Staaten aus den Trümmern des WK2 völlig
unterschiedlich entwickelt haben.

Die westdeutsche Politik meinte, dass sich alles von selbst richten würde. Ein paar mehr Staatsbürger,
ein paar km² mehr Staatsgebiet. 100 DM Begrüßungsgeld und die deutsche Wirtschaft würde dermaßen angekurbelt,
dass sie das "neue Gelände" freudig ökonomisieren wird, um die Nachfrage (auch aus Osteuropa, Verträge bestanden
ja noch) befriedigen zu können. Blöd war, dass die Osteuropäer keine Devisen dafür übrig hatten.

Die enthusiasmierten Neu-Bundesbürger haben nur gesehen, dass sie jetzt auch den "Adler-Pass" bekommen und
zukünftig in DM bezahlt werden würden. Endlich würde man von Politikern regiert, die nicht nur versprechen,
sondern auch (wirtschaftlich potent) "was ankurbeln könnten".

Das Ende vom Lied war dann ein Kurzaufschwung für Einzelhandel und Gebrauchtwagenhändler, wie auch der Export
diverser westdeutscher Beamter (die man wahrscheinlich in der Heimat jahrelang unter Verschluss gehalten hatte),
um die Zone auf bundesdeutschen Verwaltungsstandart zu bringen (schön schmackhaft mit "Buschzulage").

Der Ex-DDR ist das "Tal der Tränen", durch das die osteuropäischen Staaten gehen mussten, die kein Vereinigungs-
volk hatten, welches sie "aufnehmen" konnte, erspart geblieben. Die "Abwicklung" der ostdeutschen Industrie
wurde wenigstens finanziell etwas abgefedert. Es konnten also kurzfristig die ärgsten kapitalistischen
"Gemeinheiten" kaschiert werden ... "die DDR-Propaganda hatte Unrecht, die Politik hat die Sache im Griff,
wir lassen euch nicht alleine ... gebt uns eure Stimme!"

Langfristig ging die Kiste allerdings extrem in die Hose. Zuerst wurde die ostdeutsche Wirtschaft durch die
Währungsunion in einen Weltmarkt geworfen, in dem sie trotz geringerer Löhne nicht bestehen konnte, da sie
gezwungen war, auch sämtliche Gesetze und Verordnungen zu befolgen, die schon den West-Industrien riesige
Investitionen (auch in Automatisierung) abverlangte. Was sollte da ein Ex-VEB mit maroden Strukturen und
der Zwangsbeschäftigung von vielen Werktätigen machen? Und die Gemeinden? Jedes Dorf hatte innerhalb kurzer Zeit
ein erschlossenes Gewerbegebiet. Und Kläranlagen wurden völlig überdimensioniert in die Landschaft gestellt.
Musste so sein, die Beamten haben in die Zukunft gesehen und es so verfügt.

Verlängerte Werkbank? Im Kleinen vielleicht, aber meist stand nach dem Kauf die Abwicklung. Es gibt auch Ausnahmen.
Konnte ein "Ost-Betrieb" mit dem Weltmarkt konkurrieren? Bei diesen Altlasten? Bei dieser durchgehenden
Verordnungsstruktur, diesen Gesetzen, dieser starken Währung?

Man schaue sich mal die Entwicklung der asiatischen "Tigerstaaten" an. Erstmal Abschottung des eigenen Marktes
und der eigenen Währung. Gesetze, die der eigenen Entwicklung entsprechen, erstmal verlängerte Werkbank sein,
bevor man zum großen Sprung ansetzt. Erst Protektion und Ausbeutung der "human ressources", bevor man respektierter
Mitspieler wird. Diese Option stand hier nie zur Debatte.

Was haben wir verpasst? Die DDR hatte ein Bildungssystem, welches von den Skandinaviern kopiert wurde und heute
die PISA-Sieger hervorbringt. Die Ausbildung erfolgte (neben dem Staatsbürgerkundeunterricht) polytechnisch strikt in Richtung
Naturwissenschaften. Unangenehme Fächer abwählen? Nix da ... jeder bekommt seine Grundausbildung in Deutsch, Mathe,
Geschichte, Physik, Chemie, Biologie, etc.
Ab der siebten Klasse wurden schon Einblicke in die Industrie/Automatisierung gegeben (Stromkreise, Logik-Schaltpläne,
regelmäßige Einsätze in Betrieben im Rahmen des Unterichts etc.)
Es gibt Berichte im Internet von Kindern, die mit ihren Eltern in "den Westen" gegangen sind, und sich dort
in der Schule mindestens 1-2 Jahre langweilten, weil ihre Mitschüler ihnen gegenüber um dieselbe Zeit zurücklagen.

Da wurde m.E. ein riesiges Potential verschleudert. Der langfristig bessere Weg wäre der gewesen:
Keine verfrühte Währungsunion, was natürlich eine Visa-Pflicht und Aufenthaltskontrolle durch die BRD gebraucht hätte.
Sonderwirtschaftszone EX-DDR mit eigenen Zöllen, Steuern, Gesetzgebungen.
Kein plötzliches Aufgehen im BRD-Föderalismus.
Bildungshoheit.

Mir ist schon klar, dass sowas damals niemals umsetzbar gewesen wäre, aber in der Rückschau wäre dies eventuell
der Weg für ein neues "Wirtschaftswunder" gewesen. Die DDR-ler waren es gewohnt, zu improvisieren und sich selbst
zu kümmern, um mit "dem Arsch an die wand" zu kommen. Die Rückholung in die "Gemeinschaft aller Deutschen" hat
lediglich eine trügerische Sicherheit vorgespiegelt um gleichzeitig alle wirtschaftlichen Tugenden der DDR-ler für
unnütz zu erklären.

Wo stehen wir jetzt? Wenn ein Politiker Wählerstimmen haben möchte, hält er die Gießkanne über irgendwelche
Gebiete, die heute nicht mal mehr unbedingt im Osten sein müssen. Bildungspolitik? Ein föderal zerriebenes
Trauerspiel, in dem man missliebige Fächer abwählen kann, dafür aber toll in Sozialkunde und Theaterspielen
unterwiesen wird, wenn man nicht grade 68-er Kultliteratur analysiert.

Mit den Ostlern, von damals hätte man was reißen können, aber sie wurden entweder abgewürgt,
desillusioniert oder waren nicht angepasst genug ... oder sie haben sich angepasst und hecheln jetzt den neuen
Anforderungen des Selbstmarketings hinterher. Die Nachkommenschaft ist zumeist gezwungen, einem adäquaten Job zu folgen
und sich in die Altbundesländer aufzumachen.

Auf die eine oder andere Weise werden sich aber die alten und die neuen Bundesländer angleichen ... traurig, aber wahr.

Themen Überblick
Betreff Absender Datum
Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Zettel16.03.2008 02:08
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Gansguoter16.03.2008 07:49
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Kane16.03.2008 09:34
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Eltov16.03.2008 12:16
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Zettel16.03.2008 14:59
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Kane16.03.2008 18:04
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Wamba16.03.2008 22:29
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? dirk16.03.2008 19:57
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Ungelt16.03.2008 22:03
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Zettel25.03.2008 19:57
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Kaa16.03.2008 18:36
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Frankfurter16.03.2008 19:41
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Gansguoter16.03.2008 22:26
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Kaa17.03.2008 11:51
Wirkungsgefüge und Analyseebenen Zettel17.03.2008 16:36
RE: Wirkungsgefüge und Analyseebenen C.17.03.2008 17:10
RE: Wirkungsgefüge und Analyseebenen Calimero17.03.2008 23:52
RE: Wirkungsgefüge und Analyseebenen Zettel18.03.2008 01:25
RE: Wirkungsgefüge und Analyseebenen Calimero18.03.2008 15:29
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Zettel20.03.2008 23:28
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Chripa16.03.2008 14:20
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? str197716.03.2008 19:41
Ostertage Zettel16.03.2008 23:48
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Calimero17.03.2008 13:56
RE: Zettels OsterfragerEi (1): Scheitern der Wiedervereinigung? Meister Petz19.03.2008 09:56
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