Hallo Zettel,
ich war zur damaligen Zeit auch dort (und auch die vorhergehenden 16 Jahre meines Lebens ).
Wie ich mich an diese turbulente Zeit erinnere, war zum Zeitpunkt der "fliegenden Händler" der Drops schon gelutscht. Der einprägsame Slogan damals: "Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, gehn wir zu ihr!" Die Richtung war klar, das Zeitfenster für Experimente hatte sich geschlossen. Im Westen wurden kritische Stimmen als pessimistische Spielverderber angesehen, im Osten wurden sie zu Ewiggestrigen und roten Socken erklärt.
Die Weichen mussten also in Richtung Wiedervereinigung gestellt werden, etwas anderes wurde zunehmend unwahrscheinlicher, irgendwann unmöglich. Ohne den Beitritt der fünf neuen Bundesländer wäre eine Entwicklung wie in Tschechien oder Ungarn zu erwarten gewesen, vielleicht auch etwas besser, wegen der engen Verbundenheit zur Bundesrepublik.
Dies hätte aber einer konsequenten Zurückhaltung Westdeutschlands bedurft, sowohl was die Einreise und Arbeitsgenehmigung für "DDR"-Bürger angeht, als auch bezüglich einer Konkurrenzsituation mit dem Osten Deutschlands. Wenn im Osten niedrige Löhne, niedrige Steuern, unkomplizierte Genehmigungsverfahren sowie laschere Standarts geherrscht hätten, wäre es in Verbindung mit der gemeinsamen Muttersprache und den kurzen Transportwegen sicherlich verlockend für so manchen Unternehmer gewesen, sich dort anzusiedeln.
Wie es letztendlich gekommen ist, sehen wir uns ja nun seit mittlerweile 18 Jahren an. Die deutsche Wirtschaft konnte das Anschlussgebiet locker mit den bisherigen Kapazitäten versorgen. Ein Wirtschaftswunder blieb aus.
Ich denke übrigens, dass das deutsche Wirtschaftswunder ein singuläres Ereignis bleiben wird. Die Voraussetzungen dafür waren ziemlich einmalig. Ganz Europa war gerade aus Trümmern wiederauferstanden, die Startbedingungen waren für ganz Westeuropa in etwa gleich, das Know-how der Ingenieure entsprach in etwa dem der Nachbarn. Dazu kam noch die besondere Bedeutung der Bundesrepublik für die USA, die hier ein starkes Bollwerk an der Front zum Kommunismus wollten und eine kluge Politik, die Ökonomie und soziales miteinander verbinden konnte.
Die Voraussetzungen im "Anschlußgebiet" waren aber völlig andere. Das Modell Bundesrepublik, welches in den späten 80-ern schon nicht mehr das Frischeste und Dynamischste war, wurde den neuen Ländern einfach übergestülpt. Dass die deutsche Wirtschaft da ein wenig zurückhaltend agierte, während sich Neugründer in diversen betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und finanziellen Fallstricken verhedderten und so kaum gegen die erfahrene Konkurrenz bestehen konnte, durfte kaum überraschen.
Mittlerweile sollte man aber nicht mehr so schwarz malen. Dort, wo sich Industrie ansiedelt wird auf höchstem Standart produziert. Solche Cluster bewirken auch wieder Ansiedlungen von Zulieferen, Logistik und Dienstleistungsgewerbe. Es gibt diese Leuchttürme bspw. in Potsdam, Dresden, Leipzig oder Jena (und noch einige mehr!). Man sollte den Osten nicht abschreiben und auf irgendwelche Statistiken gucken, da wird auch einiges verzerrt wiedergegeben.
Gruß, Calimero
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