Lieber Zettel,
vor einigen Jahren habe ich mich intensiv mit dem Werk von Peter Hacks beschäftigt. (Bis ich dann der Universitätsgermanistik den Rücken gekehrt habe, aber das ist eine andere Geschichte.)
Keine Frage, daß von diesem Autor eine ungeheure Faszination ausgeht. Wer sich auf seine Lyrik und seine Essays einläßt, die nicht so ganz dem 20. Jahrhundert zu entstammen scheinen, weiß, was ich meine.
Geradezu verzweifelt habe ich in Hacks' Hymnen auf Stalin, den Kommunismus und die DDR nach dem doppelten Boden gesucht, nach der Ebene, die das ganze als uneigentliche Rede entlarvt. Denn es kann doch wohl nicht sein, so dachte ich, daß jemand, der so leicht, elegant und heiter zu schreiben versteht, der an der Sprache Wielands, Goethes und Heines geschult ist, der so emphatisch das Individuum, den Genuß und die Erotik feiert - daß so jemand Anhänger eines totalitären Systems ist.
Ich wurde nicht fündig.
Nein, Hacks meint das alles wirklich so, seine einzige Kritik an der DDR war die, daß sie nicht stalinistisch genug war.
Hacks war einer der vielen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts, die ihr Können, ja ihr Genie, in den Dienst einer totalitären Ideologie gestellt haben. Nur eben einer, der das besonders lange durchhielt, bis in eine Zeit, in der er selbst zum Anachronismus wurde.
Dieses Anachronistische ist, glaube ich, ein Teil der Erklärung für die erwähnte Faszination des Hacks'schen Oeuvres. Das man durchaus genießen kann. Aber wenn jemand es inhaltlich ernst nimmt, so wie Lafontaine, und diese Inhalte verwirklicht sehen will, ist höchste Vorsicht geboten.
Hat nicht irgendjemand einmal gesagt, Kunst und Literatur seien dazu da, die Wahnsinnigen von der Politik abzuhalten?
Gruß, I.W.
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