Zitat von Philipp
Zitat von str1977 Natürlich ist die Entscheidungsfreiheit die Grundlage jedweder moralischen Handlung, denn wenn ich gezwungen bin ist es nicht wirklich meine Handlung. Ich würde daher Freiheit eher als eine basale Gegebenheit ansehen denn als höchster Wert.
Als Bastion des Einzelnen gegen äußere Zwänge und als Ausgangspunkt moralischen Handelns geltend, ist persönliche Freiheit keine Gegebenheit, muss sie doch beständig und mit größtmöglicher Anstrengung gegen die zahlreichen Versuche der Beschneidung und Beeinflussung verteidigt werden.
Ja. Weshalb ich ja auch nicht von "Gegebenheit" sprach sondern von der Grundlage. Ohne die geht es nicht, so wie etwa ein Blinder nicht autofahren kann. Aber ist das Sehvermögen der höchste Wert des Autofahren?
Zitat von Philipp
Zitat von str1977 Wäre Freiheit der höchste Wert müßte man solche, die unrefklektiert das gute tun schelten, solche die freiwillig das böse tun (z.B. Osama bin Ladin) belobigen. Sie folgen schließlich den eigenen Werten.
Freiheit ist nicht gleichbedeutend mit Moral und Tugendhaftigkeit. Doch ist sie die conditio sine qua non. Weil persönliche Freiheit außerdem das Verständnis dafür voraussetzt, dass sie nur so lange Gültigkeit haben kann, wie der Einzelne die private Sphäre des Nächsten unberührt lässt, kann jemand, der dieser Notwendigkeit zuwiderhandelt, diese Bedingung gar mit allen Kräften zu zerstören sucht, nicht Adressat von Lob sein.
Ihr erster Satz ist genau mein Punkt von oben: sine qua non.
Zum zweiten: ja, das sehe ich auch so, nur ist das nicht selbstverständlich das andere das so sehen. Und was den Liberalismus angeht, dieser anerkennt zwar (meistens) diese Schranke, setzt diese aber absolut und will nichts anderes akzeptieren, in der Meinung nur so konsequent zu bleiben und Freiheit als den Höchstwert und letztlich einzigen Wert hochzuhalten. Das GG z.B. anders.
Lassen wir das Terroristenbeispiel. Sie könnten für Osama auch einen anderen schlechten Menschen einsetzen. Dieser übt jedenfalls auch seine Freiheit aus.
Zitat von Philipp
Zitat von str1977 Staatliche Verbote kommen erst ganz am Ende in nur sehr wenigen Bereichen.
Was Kallias sehr treffend beschrieben hat, ist der Irrglaube, man könne mit Verbotspolitik bessere Sitten der Bürgerinnen und Bürger erzwingen. Das ist schlicht falsch: Dem Menschen noch das letzte Laster auszutreiben, ist ein aussichtsloses Unterfangen.
Und wer will bitte "das letzte Laster" austreiben? Es ist doch in Wahrheit so, daß der Liberalismus am Ende gar keine Laster mehr kennt sondern nur Präferenzen.
Man kann vielleicht durch Verbote den Menschen nicht verbessern, aber 1. ist der Zweck von Verboten nicht die Besserung der Menschen sondern das Verhindern von bestimmtem Verhalten (der Mordparagraph will nicht den Mörder bessern, sondern ihn und andere abschrecken) und 2. die Abwesenheit bzw. Ablehnung jedweder Verbote macht auf lange Sicht die Menschen noch schlimmer.
Zitat von Philipp Noch dazu ein Unterfangen, das nichts mehr mit der eigentlichen Aufgabe des Staates gemein hat, sondern ebendiese Aufgabe, nämlich die Sicherung der Unversehrtheit und Freiheit der Bürger, sogar konterkariert.
Noch so eine liberale Obsession. Der Liberale meint, die Wahrheit gefunden zu haben und nun dekretierten zu können, was denn die "eigentliche" Aufgabe des Staates ist. Da er aber nur in der Dimension "Freiheit" denken kann, muß er diese wiederum in "Sicherung der Freiheit" umdefinieren. Wie wäre es mit Gerechtigkeit nach innen und Sicherheit nach außen? (Wobei ich Gerechtigkeit im ganz altmodischen Sinne verstehe, nicht als "jeder kriegt gleichviel")
In Antwort auf: Die Obsession, jedem Übel mit einem Gesetz zu begegnen, hat sich in allzu vielen Politikerhirnen festgesetzt und erscheint auch vielen Zeitgenossen als nachgerade unvermeidlich.
Die Obsession, gegen Verbote, Gesetze und Regeln anzurennen, ist leider in vielen Liberalenhirnen eingepflanzt. Das Verbot ist nunmal ein (nicht perfektes aber) ziemlich effektives Mittel, unerwünschtes Verhalten einzuschränken. (Und über die Definition von unerwünschtem Verhalten müßte man dann sicherlich reden.)
Was tatsächlich moderne Politiker umtreibt ist es, neue Verbote einzuführen und alte abzuschaffen. Sie darin aber nur Teil und Schatten des Liberalismus. Es ist ja die Moderne (seit dem Absolutismus), die meint Gesetze ändern zu müssen (und zur Not dafür Abstimmungsregeln zu vergewaltigen, wie Herr Schäuble).
In Antwort auf: Dabei ist für jeden Liberalen offensichtlich, dass das Trachten der Obrigkeit, den individuellen Lebensstil der Einzelnen zu einem einheitlichen zu modellieren, ein wesentlicher Schritt hin zur grundsätzlichen Gleichmachung ist - und demnach bekämpft werden muss.
So so. Hier fliegen die Vorsätze von oben, Grenzen der Freiheit etc. zum Fenster hinaus. [Sarkasmus ein] Dieses allgemeine Mordverbot ist ja nur Gleichmacherei. Laßt doch tausend Blumen blühen.[Sarkasmus aus]
Und mal ernsthaft: wenn es ihm paßt, hält sich der Liberalismus nicht daran. Wo waren denn die Überzeugung, man dürfe nicht "den individuellen Lebensstil der Einzelnen zu einem einheitlichen zu modellieren", als die Nationalliberalen den Kulturkampf veranstalteten?
Zitat von Philipp
Zitat von str1977
Untertanen sind wir so oder so (ja, auch im modernen Staat). Dies bedingt aber nicht unbedingt eine Staatsgläubigkeit, wie Sie sie beschreiben.
Kein Liberaler bei Verstand wird leugnen[(quote]
So weit er bei Verstand ist. Leider kann man das nicht immer voraussetzen.
In Antwort auf: Doch die Tatsache, Rechtsunterworfener zu sein, bedeutet nicht, dass der Unterworfene zu allem nur Ja und Amen zu sagen hätte, was die Obrigkeit vorschreibt.
Natürlich nicht. Die Gedanken sind frei. Der nicht-totalitäre Staat verlangt keine innere Zustimmung, sondern nur Gehorsam.
Aber der Liberalismus ist ja nicht mit dem Dagegensein zufrieden. Wie Sie selbst oben demonstriert haben, wird gleich ein absoluter Wahrheitsanspruch aufgerichtet, wo definiert wird, was denn der wahre Zweck des Staates ist und blahblahblah.
Und das geht dann bis ins kleinster herunter. Dann "darf" (!) der Staat dies nicht und das nicht und jenes nicht.
In Antwort auf: Wenn der Mensch alles mit sich geschehen ließe, was ihm die Herrschenden aufoktroyieren wollen, dann wäre es wohl nicht mehr weit hin mit der Freiheit.
Und sobald die Übeltäter darüber entscheiden, welche Gesetze sie befolgen wollen, ist es ohnehin vorbei.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich sehe Dialektik der Sache schon, nur ist eben der Liberalismus nicht die Antwort darauf.
In Antwort auf: Der Hinweis aus der liberalen Perspektive, dass das Selbstverständnis vieler Rechtsunterworfener problematische Auswirkungen zeitigt, bedeutet nicht die Negation der Tatsache, dass man so wie jeder dem Recht unterworfen ist.
Ja, nur eben klang das noch ganz anders. Da durfte der Mensch es nicht mit sich geschehen lassen.
Zitat von Philipp
[quote="str1977"] Man kann sehr wohl zu seinem Glück gezwungen werden. Klar, wenn man pubertierend gegen Autorität rebelliert, wird man es nicht einsehen.
Man kann. Bleibt die Frage nach Mitteln, Sinn und Zweck. Im Zweifelsfall ist in der Abwägung die persönliche Freiheit stets der Bevormundung vorzuziehen.
Da stimmen wir also überein bis auf den letzten Satz. Nicht daß das nicht stimmen könnte. Aber in der Praxis wird aus dem Zweifelsfall bald ein "immer".
Zitat von Philipp
Zitat von str1977
Vielleicht ist der Liberalismus auch einfach nur die ewige Pubertät des menschlichen Geistes? Vielleicht gehen liberale Parteien dort, wo sie gesiegt haben, zugrunde.
Liberalismus ist zu allererst der unerschütterliche Respekt vor der Einzigartigkeit des Menschen, vor dessen indivuellen Bedürfnissen, Begabungen und Neigungen. Ein gedeihliches gesellschaftliches Leben ohne unverhältnismäßige Bevormundung zu ermöglichen, wo die individuelle Möglichkeit des Strebens nach Glück Fortschritt garantiert, ist das grundlegende liberale Ansinnen. Liberalismus verlangt eine Reife, die den Einzelnen dazu auffordert, Eigenverantwortung zu tragen und die Konsequenzen für sein Handeln zu übernehmen. Insofern empfinde ich es geradezu als absurd, den überzeugten Liberalen als unverbesserlichen, ewigen Pubertierenden zu beschreiben.
Und wir bei diesem Lobgesang auch ziemlich übel. Mal abgesehen davon, Sie reden von "Reife". Der Staat ist aber nicht für Engel gemacht sondern für Menschen.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
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