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RE: Zettels Meckerecke: Die Verbieter sind überall
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Antworten
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Zitat von Gorgasal
Wie das in praxi aussehen kann, habe ich unlängst in diesem Forum verlinkt:
Zusammenfassend wurden in Großbritannien kürzlich Shariagerichte zugelassen, die in Zivilsachen bei Zustimmung beider Parteien bindende Urteile aussprechen dürfen. Grundsätzlich habe ich nun den Eindruck, dass die Sharia bei Zwistigkeiten z.B. im ehelichen Bereich strukturell nicht zur gleichberechtigten Berücksichtigung von Mann und Frau neigt, sondern die Frau eher benachteiligt (das mein uninformierter Eindruck - ich kann mich irren).
Der Liberale in mir spricht dann: "Ei fein, wenn sich beide Parteien auf ein Shariagericht einigen, dann kann man ihnen diesen ihren Willen doch schlecht verwehren, oder? Es sind schließlich beides Erwachsene! Wie kommt ein Außenstehender dazu, ihnen vorzuschreiben, nach welcher Rechtstradition sie ihren Zwist austragen sollen?"
Der Konservative hingegen erklärt: "Auf dem Papier mögen sich beide Parteien auf das Shariagericht geeinigt haben, aber wenn die Frau eine frisch importierte Cousine aus Pakistan ist, die ihr Mann kaum auf die Straße lässt, dann ist es mit dem freien Einverständnis ihrerseits wohl nicht weit her. Hier müssen wir wirklich die Frau schützen, indem wir nur die gewachsene westliche Rechtstradition zulassen."
Also ich habe spalte mein Denken ja nicht in Ideologien auf, zwischen ich dann vermitteln muß.
In dem Fall ist es doch ziemlich klar: ein Schiedsgericht bedarf der Zustimmung zweier Parteien, entweder speziell in einem Fall, oder allgemein, quasi im voraus.
Ein Schiedsgericht hat keine Zwinggewalt wie ein staatliches Gericht. Das staatliche Gewaltmonopol ist übrigens eine Folge des Absolutismus.
Zitat von Gorgasal Aber nehmen wir jetzt einmal an, der Staat ziehe sich immer weiter aus der Regulierung der Ehe zurück und überlasse die Gestaltung der Ehe der Vertragsfreiheit von Einzelnen. Ich habe kein Problem damit, dass ein Muslim seinen vier Frauen vertraglich das Recht einräumt, ihn im Krankenhaus so zu besuchen, wie es momentan nur einem Ehepartner verbindlich seitens des Krankenhauses einzuräumen ist. Mein Problem fängt an, wenn vier Hinterbliebenenrenten ausbezahlt werden. Wo soll man da die Grenze ziehen?
Die grundlegende Sache ist: der Staat bzw. die jeweiligen Instanzen (der Rententräger im genannten Fall) muß eine Grenze bzw. Regelung finden. Die kann so oder so aussehen, nur Zivilehe gilt, oder Ehelizenzen (siehe USA), oder durch Verteilung der Rente etc.
Aber egal wie (und auch egal wer - deshalb ist das Privatisieren nur das übliche Problemleugnen des Liberalen): eine Regel muß gefunden werden, d.h. ein Verbot. Und schon sind wir bei den bösen Verbietern.
In Antwort auf: Der wahre Liberale wird sich dann dafür aussprechen, dass das staatliche Rentensystem privatisiert wird, der Idee bin ich auch nicht abhold. Aber realiter wird das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein.
Und das ist auch gut so,
In Antwort auf: Nun kämpfen aber Liberale in der Tat dafür, das staatliche Monopol auf die Definition von "Ehe" abzuschaffen.
Ja. Und genau da liegt das Problem. Es gibt überhaupt kein staatliches Recht, Ehe zu definieren. Die Definition ist vorgeben, quasi naturrechtlich, zumindest die Grunddefinition. Die Ehe war da, bevor der Staat da war und 1949 beschlossen hat, sie zu schützen. Sonst sind wir gleich bei 1984, wo der Staat auch die Sprache ummanipuliert.
Der Staat hat sich das Eherecht noch keine 200 Jahre angemaßt. Aber vielleicht war das im Zuge des Absolutismus (und wir leben in einem absolutischen Staat) unausweichlich. In Zuge der sexuellem Revolution ist das allerdings ausgehölt worden, es bedeutet eigentlich nichts mehr (weshalb es dann s seltsame Paragraphen wie den jetzigen Inzestparagraphen gibt). Ob man dem noch weiter nachgeben soll, steht auf einem anderen Blatt.
In Antwort auf: Und solange das über das Rentensystem an meinen Steuern hängt
Das Rentensystem ist beitragsfinanziert, hängt also nicht an den Steuern.
In Antwort auf: Oder will man doch beim gewachsenen Konstrukt "Ehe" bleiben, wie es in Mitteleuropa die letzten 2000 Jahre verstanden wurde?
Entweder gewachsen oder Konstrukt. Und warum 2000 Jahre? Da kann man in Mitteleuropa mit gutem Gewissen noch ein paar Jahrhunderte drauflegen und anderswo Millenia, solange bis man ohnehin nichts mehr weiß. Aber im Grunde stimmen wir hier überein.
In Antwort auf: aber eine kirchliche Kontrolle über die Ehe, wie sie vor dem Kulturkampf Usus war, würde die Liberalen wahrscheinlich mindestens so sehr auf die Palme bringen wie die derzeitige staatliche Kontrolle
Na wieso nur? Weil man im Zweifelsfall die Kirche, die sich ja nicht wehren kann, noch mehr haßt, als den Staat?
Aber als Fazit bleibe ich dabei: man muß die Konsequenzen bedenken (wenn man schon keine naturrechtliche Verankerung anerkennt) und das tun Liberale oft nicht. Deshalb mein Vorwurf ideologischen Handelns.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
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