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Kallias
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03.12.2008 00:18 |
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Zitat von str1977 Der Satz ist anti-totalitaristisch (im Sinne von Antilibanon) in dem er meint, man müsse entweder ganz mitmachen oder Widerstand leisten.
OK, zitier ich das mal, Wamba halber auszugsweise:
Zitat von Adorno Eigentlich kann man überhaupt nicht mehr wohnen. Die traditionellen Wohnungen, in denen wir groß geworden sind, haben etwas Unerträgliches angenommen: jeder Zug des Behagens darin ist mit Verrat an der Erkenntnis, jede Spur der Geborgenheit mit der muffigen Interessengemeinschaft der Familie bezahlt. Die neusachlichen, die tabula rasa gemacht haben, sind von Sachverständigen für Banausen angefertigte Etuis, oder Fabrikstätten, die sich in die Konsumsphäre verirrt haben, ohne alle Beziehung zum Bewohner: noch der Sehnsucht nach unabhängiger Existenz, die es ohnehin nicht mehr gibt, schlagen sie ins Gesicht. Der moderne Mensch wünscht nahe am Boden zu schlafen wie ein Tier, -
usw. zieht sich der Klagegesang eine Weile hin, dann wendet sich Adorno dem Eigentum zu:Zitat von Adorno - es gehört zur Moral, nicht bei sich selber zu Hause zu sein. Darin zeigt sich etwas an von dem schwierigen Verhältnis, in dem der Einzelne zu seinem Eigentum sich befindet, solange er überhaupt noch etwas besitzt. Die Kunst bestünde darin, in Evidenz zu halten und auszudrücken, daß das Privateigentum einem nicht mehr gehört, in dem Sinn, daß die Fülle der Konsumgüter potentiell so groß geworden ist, daß kein Individuum mehr das Recht hat, an das Prinzip ihrer Beschränkung sich zu klammern; daß man aber dennoch Eigentum haben muß, wenn man nicht in jene Abhängigkeit und Not geraten will, die dem blinden Fortbestand des Besitzverhältnisses zugute kommt. Aber die Thesis dieser Paradoxie führt zur Destruktion, einer lieblosen Nichtachtung für die Dinge, die notwendig auch gegen die Menschen sich kehrt, und die Antithesis ist schon in dem Augenblick, in dem man sie ausspricht, eine Ideologie für die, welche mit schlechtem Gewissen das Ihre behalten wollen. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Adorno, Minima Moralia, Erster Teil, Abschnitt 18
Weder mitzumachen, noch Widerstand zu leisten wird hier als möglicher Weg bezeichnet. Nur die Paradoxie "in Evidenz zu halten und auszudrücken" wird dem Einzelnen angesonnen.
Man kann wohl auch nicht sagen, daß es bei dem berühmten Satz um Wohnkultur geht. Die reichlich vage Formulierung "darin zeigt sich etwas an von dem schwierigen Verhältnis" leitet ja einen abrupten Themenwechsel ein; es geht nicht mehr um alte oder neue Wohnkultur, sondern um die bedauernswerten Lage des Antikapitalisten, der Eigentum braucht, um nicht arm zu sein, aber keines haben darf, weil es irgendwie keine Berechtigung dafür gibt. Schuld an dem Dilemma ist der Kapitalismus, indem er auch die Linken wohlhabend machte: das scheint mir der abschließende Satz aussagen zu wollen.
Da ist im Grunde was dran, das Verhältnis vieler Antikapitalisten zu ihrem eigenen Luxus ist verkrampft und ästhetisch anfechtbar, man muß nur an die Toskana-Linke denken, an Peter Hacksens feudale Empfänge oder an Lafontaines Palazzo Prozzo, über dessen Portal sich Adornos Spruch nicht schlecht machen würde.Zitat von str1977 Ich würde sogar sagen: es gibt kein richtiges Lesen im Valschen.

Vielleicht auch: Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen.
Gruß, Kallias
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