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RE: Zettels Meckerecke: Die Verbieter sind überall
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Lieber Zettel,
ganz schwieriges Thema.
Ich verfolge gerade ein wenig die Diskussion, die sich an das Thema anschließt, und muss sagen, dass sie in eine Richtung geht, die mir nicht gefällt. http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=4479
Vorweg: Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass da wirklich ein tiefgreifendes Philosophisches Problem besteht, dem man mit Recht und Gesetz nicht Herr wird.
Zitat von Zettel Die Freiheit, über sein eigenes Leben zu entscheiden, gehört zu dem, was die Würde des Menschen definiert. Selbsttötung darf deshalb nicht strafbar sein. Es ist aber inkonsistent, die Beihilfe zu etwas zu bestrafen, das selbst straffrei ist.
Das klingt zunächst einmal richtig, ist aber kein Einzelfall. Ein typisches Beispiel ist der Paragraph "Förderung der Prostitution", der lange Zeit die Beihilfe zu einer legalen Handlung einschränkte (mittlerweilen ist er etwas entschärft worden).
Ich denke aber, dass der Selbstmord (ich denke, als Kantianer werden Sie von mir nicht verlangen, dass ich irgendeinen Euphemismus wie "Wahl des Freitodes" benutze ) ein besonderer Fall ist, da er die ultimative Schädigung und Auslöschung des eigenen Lebens bedeutet. Und das finde ich paradox: Wenn ich mich nur ein bisschen schädigen möchte, z. B. mal ein kleines Näschen Koks ziehen, wird derjenige, der mir dabei behilflich ist, eingekastelt (vielleicht in Zukunft auch schon der, der mir eine Packung Camel oder einen Big Mac verkauft...). Aber den Schierlingsbecher kann er mir hinstellen, ohne dass ihm was passiert, im Gegenteil, er wird auch noch zum Helden ausgerufen (siehe Spiegel-Thread). Dieses Paradox der freien Selbstbestimmung wohnt dem Liberalismus meiner Meinung nach grundsätzlich inne und kann auch nicht (weder dialektisch noch sonstwie) aufgehoben werden.
Und das Problem sehe ich halt vor allem darin, dass diese "Dienstleistung" unumkehrbar ist. Ich arbeite im Versandhandel und bin von Rechts wegen im Rahmen des Verbraucherschutzes verpflichtet, jedem Kunden ein Rückgaberecht von 14 Tagen einzuräumen. Und das bei Kleidung! Wo ist der Verbraucherschutz bei der Tötung auf Verlangen? Es muss also irgendjemand geben, der darüber befindet, ob mein Anliegen "angemessen" ist oder nicht. Sobald das aber passiert, bin ich nicht mehr Herr meiner Entscheidung.
Und darum bin ich zwar noch nicht unbedingt auf Seiten der "Verbieter", muss aber sagen, dass ich die Befürworter noch viel bizarrer finde. Das sind nämlich interessanterweise nicht die Liberalen (wenn man eine Zeitlang im SPON-Forum seinen Masochismus kultiviert, kennt man da auch seine Pappenheimer), sondern gerade die Verbieter, Vorsorge-Prinzip-Anhänger und Apokalyptiker. Nun die Frage: Wie passt das zusammen?
Meine These: Hervorragend. Anscheinend wird dieses Sehnsucht, "seinen Todeszeitpunkt zu bestimmen" so verabsolutiert, dass nicht nur der Suizid verherrlicht wird, sondern gleichzeitig jede auch nur noch so geringe Gefahr, dass das Leben unkontrolliert beendet werden könnte (durch Handystrahlen, Genfood, AKW-Unfall) ausgeschlossen werden muss.
Ich hoffe, dieser Beitrag war nicht zu unzusammenhängend, aber das Thema umfasst so viele ethische, soziale und kulturelle Aspekte, dass ich selbst noch dabei bin, dazu klare Gedanken zu entwickeln.
Gruß Petz
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