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Zettel
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05.07.2008 01:10 |
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RE: Zettels Meckerecke: Die Verbieter sind überall
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Antworten
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Lieber Meister Petz,
Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel Die Freiheit, über sein eigenes Leben zu entscheiden, gehört zu dem, was die Würde des Menschen definiert. Selbsttötung darf deshalb nicht strafbar sein. Es ist aber inkonsistent, die Beihilfe zu etwas zu bestrafen, das selbst straffrei ist.
Das klingt zunächst einmal richtig, ist aber kein Einzelfall. Ein typisches Beispiel ist der Paragraph "Förderung der Prostitution", der lange Zeit die Beihilfe zu einer legalen Handlung einschränkte (mittlerweilen ist er etwas entschärft worden).
War das Beihilfe? Wenn ich mich nicht irre, war es nicht strafbar, einer Frau die Möglichkeit zur Prostitution zu geben, sondern "Förderung" lag dann vor, wenn man es ihr und/oder dem Freier besonders angenehm machte. Ich vermute - vermute nur, vielleicht kann es jemand klären -, daß die rechtliche Konstruktion nicht die einer Beihilfe zum Akt der Prostitution war (weil es eben keine Beihilfe zu etwas geben kann, was nicht strafbar ist), sondern die der Förderung des sittenwidrigen Zustands, daß es überhaupt Prostitution gibt. So ganz klar ist mir das aber auch nicht.
Zitat von Meister Petz Ich denke aber, dass der Selbstmord (ich denke, als Kantianer werden Sie von mir nicht verlangen, dass ich irgendeinen Euphemismus wie "Wahl des Freitodes" benutze ) ein besonderer Fall ist, da er die ultimative Schädigung und Auslöschung des eigenen Lebens bedeutet. Und das finde ich paradox: Wenn ich mich nur ein bisschen schädigen möchte, z. B. mal ein kleines Näschen Koks ziehen, wird derjenige, der mir dabei behilflich ist, eingekastelt (vielleicht in Zukunft auch schon der, der mir eine Packung Camel oder einen Big Mac verkauft...). Aber den Schierlingsbecher kann er mir hinstellen, ohne dass ihm was passiert (...)
Dieses Argument hat etwas für sich, lieber Meister. Es berührt aus meiner Sicht aber weniger die Frage, ob die Beihilfe zum Selbstmord erlaubt sein sollte (eine Frage, zu der ich keine abgeschlossene Meinung habe; meine Meckerei zielte ja nur auf den Schnellschuß der Verbieterei). Sondern es betrifft die Frage, warum eigentlich der Handel mit Rauschgiften verboten ist. Sollte nicht jeder Mensch das Recht haben, sich zu schädigen?
Aus meiner Sicht rechtfertigt sich das allein dadurch, daß jemand, der abhängig ist, nicht mehr selbstverantwortlich handeln kann. Nach dieser Rechtfertigung dürften nur Rauschgifte einem Verbot unterliegen, die süchtig machen. Wenn dennoch auch Haschisch verboten ist, dann, weil es als Einstiegsdroge dient (darüber haben wir ja kürzlich in einem anderen Thread diskutiert). Eine andere Rechtfertigung für das Verbot des Handels mit Haschisch kann ich nicht sehen.
Zitat von Meister Petz Dieses Paradox der freien Selbstbestimmung wohnt dem Liberalismus meiner Meinung nach grundsätzlich inne und kann auch nicht (weder dialektisch noch sonstwie) aufgehoben werden.
Ich sehe da kein Paradox. Jeder ist für sich verantwortlich, was das Recht einschließt, sich zugrundezurichten oder sich das Leben zu nehmen. Aber dieser "jeder" muß in der Lage sein, selbstverantwortlich zu handeln. Kinder können das noch nicht, Süchtige können es nicht, hochgradig Schwachsinnige können es nicht, Psychotiker können es nicht.
Zitat von Meister Petz Und das Problem sehe ich halt vor allem darin, dass diese "Dienstleistung" unumkehrbar ist.
Ich sehe das Problem darin, daß in dem Konflikt, in dem sich nahezu jeder befindet, der den Suizid erwägt, die Waagschale sich durch das Angebot der "Dienstleistung" zur Seite des Todes neigen könnte. Er muß nach meiner Überzeugung frei sein, sich zu entscheiden. Aber es ist eine Sache der Ethik, daß andere Menschen ihn nicht in Richtung auf eine Entscheidung, zu sterben, beeinflussen dürfen.
Ob das aber als Rechtsnorm festgelegt oder gar strafbewehrt sein sollte, das ist eben eine andere Frage. Eine, die für mich offen ist.
Zitat von Meister Petz Und darum bin ich zwar noch nicht unbedingt auf Seiten der "Verbieter", muss aber sagen, dass ich die Befürworter noch viel bizarrer finde. Das sind nämlich interessanterweise nicht die Liberalen (wenn man eine Zeitlang im SPON-Forum seinen Masochismus kultiviert, kennt man da auch seine Pappenheimer), sondern gerade die Verbieter, Vorsorge-Prinzip-Anhänger und Apokalyptiker. Nun die Frage: Wie passt das zusammen?
Meine These: Hervorragend. Anscheinend wird dieses Sehnsucht, "seinen Todeszeitpunkt zu bestimmen" so verabsolutiert, dass nicht nur der Suizid verherrlicht wird, sondern gleichzeitig jede auch nur noch so geringe Gefahr, dass das Leben unkontrolliert beendet werden könnte (durch Handystrahlen, Genfood, AKW-Unfall) ausgeschlossen werden muss.
Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung.
Herzlich, Zettel
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