Lieber Zettel, jetzt schiebe ich die Antwort auf die angerissene Dennett-Diskussion endgültig nicht mehr vor mir her. Wenn ich intentionale Zustände haben könnte, hätte ich jetzt ein schlechtes Gewissen 
Zitat von Zettel Ich finde, Dennett ist in diesem Text mal wieder at his best - und at his worst. Er ist wie immer glänzend darin, Fragen darauf abzuklopfen, ob man sie überhaupt so stellen kann; darin ein würdiger Nachfolger Kants.
Ja, das kann er. Wobei er natürlich die Antwort im Sinne des Reduktionismus immer schon vorher weiß. .
Zitat von Zettel Er hat eine große Begabung, Diverses aus den verschiedensten Disziplinen miteinander in Zusammenhang zu bringen (er reist, ich habe das glaube ich schon einmal erwähnt, ständig auf Fachkonferenzen von Naturwissenschaftlern, wo er sich von diesen mit Details aus deren Disziplin füttern läßt; ein neugieriger, sehr angenehmer Gesprächspartner).
Bis er auf einen Theologen oder sich sonst in irgendeiner Form spirituell bekennenden Gesprächspartner trifft. Und das ist meiner Ansicht nach seine größte Schwäche, dass er - vorsichtig formuliert - eine überzogene Antipathie gegen alles Religiöse hegt, von der er sich auch leiten lässt. [http://www.edge.org/3rd_culture/dennett0...tt06_index.html]Dieser Text[/url] ist ein, wenn auch extremes, aber doch nicht untypisches Beispiel für seine Art, mit dem Thema Religion umzugehen. Ich bin normalerweise nicht leicht in meiner religiösen Überzeugung zu verletzen, aber wenn einem so eine geballte Arroganz von einem selbsternannten "Bright" entgegenschlägt, finde ich das genauso unverschämt wie er es vermutlich finden würde, wenn ich ihn vor der Bedrohnung seiner Seele vor der ewigen Verdammnis warnen würde. Das ist seinem Niveau nicht würdig.
Zitat von Zettel Er glaubt ein Problem durch Wegerklären gelöst zu haben und sieht nicht den unerklärten Rest.In "Consciousness Explained" hat er diese zuvor schon mit Marcel Kinsbourne publizierte geniale Theorie der Multiple Drafts entwickelt, die viele Probleme der Bewußtseinsforschung (Zeitparadoxe zum Beispiel) als Scheinprobleme entlarvt. Aber er sieht nicht, daß diese Theorie, so wie er sie formuliert hat, in einem eklatanten Widerspruch zur Phänomenologie des Bewußtseins steht.
Bei uns ging mal eine Satire rum, ich glaube von David Chalmers, die sich damit beschäftigt, welche Transparente Philosophen auf einer Demo tragen würden. Und da waren die Churchlands mit dem Transparent "I HAVE NO MIND AND I AM PROUD OF IT" . Und da ist das Problem, dass die ganzen Reduktionisten einfach die Erste-Person-Perspektive wegerklären, indem sie sie als wissenschaftlich unzulässig, da nicht mit dem Physikalismus vereinbar bezeichnen. Man merkt ja Dennett förmlich das Vergnügen an, dieses Gedankenspiel weiterzutreiben, dass das Bewusstsein alles Illusion ist.
Zitat von Zettel Nur haben wir Menschen sie halt, die Intentionalität. Und bei uns ist es keine solche vereinfachende Beschreibung, kein "als ob", wenn wir davon sprechen, daß wir etwas meinen. Dennetts Roboter ist ein Zombie. Das Problem der Intentionalität wird - meines Erachtens - überhaupt nicht gelöst, sondern nur scheinbar in Luft aufgelöst.
Naja, laut Dennett haben wir sie nicht, und zwar deswegen, weil es sowas gar nicht geben kann. "Wir" können auch gar nichts haben, das wäre ja schon wieder ein intentionaler Zustand.
Zitat von Zettel Auch hier übersieht Dennett wieder die Phänomenologie: Hätten wir selbst keine Intentionalität, dann würden wir sie natürlich auch einem Zombie nicht zuschreiben; wir würden sein Verhalten dann behavioristisch erklären. Wir würden ihm auch keine Qualia zuschreiben.
Ja und ich frage mich halt, ob Dennetts These so genial sein kann, wenn sie auf ein simples Cogito keine Antwort hat. Manchmal denke ich, wenn ich bewundernd vor seinen Konstrukten stehe, dass ich mich nur von seiner brillanten Sprache einseifen lassen habe.
Zitat von Zettel Ich glaube, lieber Petz, Dennett beginnt mit seiner Argumentation erst an dem Punkt, wo es bereits Leben gibt. Ist das erst einmal der Fall, dann braucht das Prinzip der Evolution in der Tat nicht weiter abgeleitet zu werden - es setzt sich das durch, was am Durchsetzungsfähigsten ist. In der Dawkins'schen Weiterentwicklung von Darwin: Erhalten bleiben diejenigen Gene, die bewirken, daß sie erhalten bleiben. Das ist ja das Geniale an dieser Theorie, daß sie im Grunde eine Tautologie ist!
Das sind die ontologischen Gottesbeweise auch, trotzdem würde ihnen heute niemand mehr Genialität zuschreiben. Ich habe das Evolutionsbuch von Dennett nicht gelesen, nur das von Pinker, der wohl ziemlich ähnlich argumentiert, allerdings wesentlich weniger brillant (Ich finde, wenn große Linguisten ihr angestammtes Feld verlassen, kommt selten was vernünftiges dabei raus, das gilt besonders für Chomsky, aber auch für Pinker). Darum weiß ich nicht, wie wichtig die Evolution in Dennetts Gedankengebäude ist, ich vermute aber ziemlich wichtig. Und deswegen ist mein Verdacht, dass diese tautologische Ausgangsthese nicht unbedingt genug Kraft hat, um die Entstehung von Bewusstsein zu erklären. Wenn man sagt, erhalten bleibt das, was erhalten bleibt, könnte man auch frei nach Anselm von Canterbury sagen "est, quod "fittius" non cogitari potest".
Gruß Petz
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