Zitat von Thomas Paulidiese Kathedralen wurden ja zu einer Zeit gebaut, als der durchschnittliche Christ einmal am Tag in die Kirche ging. Kürzlich erst las ich "Reformation" von Diarmaid MacCulloch, woduch mir erst halbwegs klar wurde, welche überragende Stellung die Religion in diesen Zeiten (und davor) in den Köpfen der Menschen einnahm!
Ja, man kann sich da wohl als von der Aufklärung Geprägter schwer hineinversetzen. Auch Luther selbst war ja geradezu gepeinigt von der Frage "Wie kriege ich einen gnädigen Gott?" Und wenn er sich als kleines ohnmächtiges Menschlein sah ("Mit unserer Macht ist's nicht getan, wir sind gar bald verloren ..."), dann stelle ich ihn mir vor, wie er in einer dieser riesigen Kathedralen stand.
Zitat von Thomas PauliMit der Reformation kamen ganz alte Ideen wieder zu Tragen, nämlich daß der Mensch so unbedeutend sei, daß sein Schicksal ein für allemal geregelt sei und weiteres Verhalten zu Lebzeiten der Aufmerksamkeit Gottes entgehen würde. Deshalb hilft keine Fürbitte, keine gute Tat und kein Ablaß dem Reformierten weiter. Danach dürften die Kirchen automatisch leerer geworden sein!
Ich glaube, ihre Funktion änderte sich.
Bei Luther war das ja ein eigenartiger Widerspruch: Er hat (Paulus folgend? ich kenne mich da nicht genügend aus) einerseits den Menschen ganz klein gemacht; auf Gnade angewiesen. Und andererseits hat er diesem kleinen Menschen die ganze Last aufgebürdet, sich zwar nicht durch gute Taten, aber durch den Glauben um sein eigenes Seelenheil zu kümmern. Sich die unverdiente Gnade Gottes zu verdienen, das scheint mir das Luther'sche Paradox zu sein.
Und in diesem Kontext änderte sich, scheint mir, die Funktion der Kirchen, der Gottesdienste.
Der katholische Gottesdienst ist in gewisser Weise heidnisch: Man absolviert ein Ritual. Vom Gläubigen wird erwartet, daß er das bejaht, daß er mitmacht, so wie das im antiken Rom der Fall gewesen war. Mehr im Grunde nicht.
Im protestantischen Gottesdienst spielt das Ritual dagegen eine ganz untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht die Predigt, die - jedenfalls kenne ich das so aus meiner lutherischen Kindheit - im Kern immer um die Sündhaftigkeit des Menschen kreist und um die Gnade Gottes.
Die Religion rückt dem Menschen dadurch viel mehr auf den Pelz; es verschwimmt auch die Grenze zwischen dem Alltag und dem Numinosen.
Der Katholik sündigt fröhlich und lebt in seinem Alltag, und dann schüttelt er das ab und geht in die andere Welt der Kirche, wo es schön bunt ist und gut riecht. Der Protestant schleppt seine Religion hingegen auch im Alltag ständig mit sich herum; und andererseits fehlt es im Gottesdienst am Heiligen, am Sinnlichen.
Naja, liebe Thomas. Das sind so Küchengedanken von jemandem, der von solchen Dingen nix versteht. (Und der jetzt wirklich in die Küche muß, den Zwiebelkuchen backen ).
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