Hallo Zusammen !
Ich lese hier schon eine ganze Weile mit - m.E. eines der intelligentesten und differenziertesten deutschsprachigen Blogs !. Da mir das Thema Schopenhauer (und seine Kritik an "abgehobener" Sprache) besonders am Herzen liegt, hier nun mein erster Beitrag dazu:
Das folgende Zitat ist eine kleine Kostprobe für Schopenhauers extrem klaren und anschaulichen Stil, die Dinge messerscharf auf den Punkt zu bringen (und den Leser zugleich nicht nur nicht zu langweilen, sondern sogar zu unterhalten):
"Wenn ich daher solche moderne Philosopheme lese," schreibt Schopenhauer, "die sich in lauter sehr weiten Abstraktis fortbewegen, so kann ich bald, trotz aller Aufmerksamkeit, fast nichts mehr dabei denken, weil ich eben keinen Stoff zum Denken erhalte, sondern mit lauter leeren Hülsen operieren soll, welches eine Empfindung gibt, der ähnlich, die beim Versuch, sehr leichte Körper zu werfen, entsteht: die Kraft nämlich und auch die Anstrengung ist da: aber es fehlt am Objekt, sie aufzunehmen, um das andere Moment der Bewegung herzustellen.
Man könnte sagen, Schopenhauer formuliert "So formal wie nötig, so anschaulich wie möglich", während umgekehrt das Gros der "Laberphilosophen" leider gemäss dem Motto "So formal wie möglich, so anschaulich wie nötig" zu verfahren scheint ;-)
Der folgende Auszug aus Schopenhauer vs. Hegel fasst sehr gut zusammen (besser als ich es mit eigenen Worten könnte) worum es Schopenhauer mit seiner Sprachkritik vor allem geht(und warum diese auch heute noch so aktuell ist):
Mit seiner rigorosen Ablehnung der Universitätsphilosophie dokumentiert SCHOPENHAUER besonders drastisch seine Skepsis gegenüber einer ideologisch mißbrauchten Sprache. [...] Die verunstaltete, ideologisch mißbrauchte Sprache übt nach Schopenhauer eine erzieherische Funktion aus. Dadurch gelingt es ihr auch, die Autonomie des Intellektuellen zu untergraben und in bestimmten vorgeprägten Begriffsrastern zu denken. [...] Der Sprache gelingt es nicht nur, hinter komplizierten und verschachtelten Wendungen realpolitische und ökonomische Interessen zu verbergen, [...] die nun als modernisierte Scheinbegriffe ihre Wirkung auf den Kreis der Intellektuellen nicht verfehlen, dienten zur Neutralisierung und Bloßstellung möglicher Gegner aber auch zur Umerziehung bzw. zur andressierbaren Gefügigkeit diverser Selbstdenker.
Aber am besten hat es m.M.n. immer noch Karl Popper in seiner berühmten Streitschrift "Wider die großen Worte" ausgedrückt:
"Was ich 'die Sünde gegen den heiligen Geist genannt habe — die Anmaßung des dreiviertel Gebildeten —, das ist das Phrasendreschen, das Vorgeben einer Weisheit, die wir nicht besitzen. Das Kochrezept ist: Tautologien und Triviaitäten gewürzt mit paradoxem Unsinn. Ein anderes Kochrezept ist: Schreibe schwer verständlichen Schwulst und füge von Zeit zu Zeit Trivialitäten hinzu. Das schmeckt dem Leser, der geschmeichelt ist, in einem so „tiefen" Buch Gedanken zu finden, die er schon selbst einmal gedacht hat. (Wie heute jeder sehen kann — des Kaisers aeue Kleider machen Mode!)"
[...]
"Was haben die Neodialektiker gelernt? Sie haben nicht gelernt, wie schwer es ist, Probleme zu lösen und der Wahrheit näher zu kommen. Sie haben nur gelernt, wie man seine Mitmenschen in einem Meer von Worten ertränkt."
Und zum Schluss nochmal in Schopenhauers Worten:
Wer etwas Sagenswertes zu sagen hat, braucht es nicht in preziöse Ausdrücke, schwierige Phrasen und dunkle Allusionen zu verhüllen, sondern er kann es einfach, deutlich und naiv aussprechen und dabei sicher sein, daß es seine Wirkung nicht verfehlen wird. Daher verrät durch obige Kunstmittel, wer sie braucht, seine Armut an Gedanken, Geist und Kenntnissen.
(Arthur Schopenhauer: Über Schriftstellerei und Stil) ----------------------------
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