Zitat von GomezObwohl ich bislang immer vermieden habe, mich Aufgaben aus dem Inet zu stellen, die über eine zwanglose Unterhaltung hinausgehen (sowas pflegt im Stimmenhören zu enden ), weil Sie es sind, lieber Zettel:
Das "gedankenlose Bewußtsein" als Spezialfall der Vernunft, die sich gewiß ist, "alle Realität zu sein", ist deshalb gedankenlos, weil es meint, daß die Wahrheit nur in seinen Sinnesempfindungen liege, und nicht sieht, daß es damit eben aus diesen Empfindungen etwas ganz anderes macht, sie nämlich verallgemeinert, denn Aussagen zu treffen geht nur über Verallgemeinerungen. Wenn ich Ihnen schreibe, daß mir der Kaffee, den ich trinke, gut schmeckt, dann geht das nur, wenn Sie und ich beide über die Allgemeinausdrücke "Kaffee" und "schmecken" verfügen. Ich habe mich also gar nicht auf meine private Empfindung bezogen sondern im Gegenteil eine Aussage allgemeiner Natur gemacht. Das ist die Lehre aus dem Kapitel "Sinnliche Gewißheit", die hier anklingt.
"Dies Allgemeine ist so nur erst das Sichgleichbleibende." Das verweist auf das zweite Kapitel über die "Wahrnehmung". Unter "Wahrnehmung" rubriziert Hegel Weltanschauungen, denen die verallgemeinernde Kategorisierung der Welt in dem identischen Ausdruck des "Dinges" geschieht, also das, was das "gedankenlose Bewußtsein" noch nicht begriffen hat, daß es ihm in Wahrheit um seine verallgemeinernde Tätigkeit geht. Alles ist ein Ding, und somit, von seiner allgemeinen Natur her, identisch. Was Hegel weiter unten beschreibt, ist der langweilige Prozeß der Identifizierung von Allgemeinheiten. Es beschreibt den Prozeß der Kategorisierung, denen ja eine Willkürlichkeit anhaftet, indem die kategorisierten Dinge eben auch ganz anders kategorisiert werden können. Linné könnte da genannt werden, aber das spricht Hegel auf den dem Zitat folgenden Seiten an. Hier geht es nur darum, daß bei diesem Prozeß der Identifizierungen der Gegenstand selbst aus dem Blick gerät - eben aufgrund der Willkür und des reinen Tätigkeitscharakters dieses Kategorisierens. Die weiteren Sätze über das fortschreitende Zergliedern greift Gedanken wieder auf, die im Kapitel "Kraft und Verstand" zur Sprache gekommen sind, und beschreiben die "natürliche Grenze" dieses Identifizierens, nämlich dort, wo es nichts mehr zu identifizieren und somit zu kategorisieren gibt, bei den ganz und gar partikularen Entitäten nämlich.
Vielen Dank, das ist schon viel besser als Hegels Text.
Ich versuche jetzt mal sozusagen eine reverse Potenzierung. Beim Potenzieren der Homöopathen wird ja bekanntlich immer weiter verdünnt; und ich versuche jetzt mal, umgekehrt um eine Potenz weiter zu dehydrieren:
Zitat von Hegel, dehydriertSinnesempfindungen als solche liefern noch keine Erkenntnis; denn etwas erkennen heißt es einordnen. Damit geht man aber über die reine Sinnesempfindung hinaus. Man kategorisiert.
Man braucht das Kategorisieren auch, um sich über Sinnesempfindungen mit anderen verständigen zu können.
Freilich ist zu bedenken, daß dem Kategorisieren eine gewisse Willkürlichkeit anhaftet. Und daß man manches nicht kategorisieren kann, weil es einmalig ist.
Besser, finden Sie nicht, lieber Gomez? Und nun kann man es auch in die philosophische Tradition einordnen. Sie finden diese Überlegungen nämlich bei Berkeley, der damit viele Seiten füllt, wie aus den sensations die idea of an object wird ("sensations as such neither are nor appear to be outside of us", aus dem Kopf zitiert). Sie finden das ausführlich auch bei Condillac, dessen Statue sich ja auch von den sensation zu den Kategorien hochbewegt.
Schauen Sie, das genau meine ich: Hegel, wenn man ihn dehydriert, sagt nix Falsches, aber eben oft auch nix Aufregendes. Es sind einfache Gedanken, nur zur soundsovielten Potenz erhoben.
Zitat von Gomez
In Antwort auf:Kant hat im Grunde mit der Philosophie Schluß gemacht
Das kennzeichnet ja Philosophie. Wer hat nicht schon alles das Ende der Philosophie ausgerufen! Aber Wittgenstein z.B. hatte ja nicht einmal recht, als er das Ende seiner eigenen Philosophie ausgerufen hat. Philosophie ist nun einmal ein rein negatives, zersetzendes Geschäft. Ihr geht es darum, mehr noch als anderen Wissenschaften, zu zeigen, wie es nicht geht, als zu zeigen, wie es geht. Deswegen hört man die Rede vom Ende der Philosophie so häufig.
Nein, ich meinte das schon etwas konkreter.
Seit den Vorsokratikern ging es der Philosophie zentral darum, herauszufinden, wie die Welt beschaffen ist. (Und es ist ja spannend zu lesen, was sie da bereits alles durchspielen: Ist sie in ihrem Wesen eigentlich unveränderlich oder in ständiger Veränderung? Gibt es einen Urstoff? Wie gelangt die Kenntnis von den Gegenständen in die Seele? Und dann bei Aristoteles schon das ganze Programm der Naturwissenschaften).
Natürlich (ich schreibe das, lieber Gomez, nur zur Sicherheit, damit Sie es mir nicht vorhalten) hat die Philosophie auch andere Themen; aber diese Weltkenntnis, die ja mehr war als Ontologie, war doch ihr zentrales Thema. Und dieses ging ihr peu a peu verloren, in dem Maß, in dem die Wissenschaften sich seiner bemächtigten.
Das hat Kant verstanden; und darum ging es ihm (als Philosoph; er war ja auch an Fachwissenschaften interessiert) nicht mehr um die Inhalte der Erkenntnis (diese herauszufinden überließ er eben jenen Fachwissenschaften), sondern um das Instrument der Erkenntnis.
Genauer: Um dessen Grenzen. Das meinte ich mit "Ende der Philosophie". Sie erwähnen Wittgenstein; ja, natürlich, diese Grenzen waren sein zentrales Thema - "die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt", wenn ich das recht in Erinnerung habe. Es ist natürlich auch ein zentrales Thema der analytischen Philosophie.
Nur daß diese - wenn Sie an Leute wie Searle, Dretske oder Dennett denken, über den ich hier kürzlich mit Meister Petz diskutiert habe - die Erkenntnistheorie sehr vernachlässigen. Sie sehen sich eher als die Zuchtmeister der Fachdisziplinen, denen sie bohrende Fragen stellen, denen sie unscharfe Begriffe und eine schludrige Sprache austreiben wollen. Und denen sie auch die eine oder andere inhaltliche Handreichung versprechen, etwa in der Bewußtseinsforschung, früher vor allem in der Physik (wenn Sie zB an die Minnesota Studies in the Philosophy of Science denken).
Das ist eigentlich gar nicht destruktiv. Obwohl manchen Fachwissenschaftlern diese Philosophen schon sehr auf die Nerven gehen.
Ich habe mal eine Diskussion erlebt, in der einer der bekanntesten analytischen Philosophen Deutschlands es einem Biologen verbieten wollte, zu sagen, daß eine Nervenzelle verhindern will, daß eine andere feuert.
Der Biologe hat dann umständlich erläutert, daß er keineswegs einen Kategorienfehler begehen, sondern nur a bisserl anschaulich daherreden wollte.
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