Zitat von michael76Irgendwie ist es interessant weil wir jetzt ja wissen, dass diese Strategie der RAF offensichtlich nicht funktioniert hat. Wenn wir heute über Terrorismus reden, dann geistert das aber immer noch als Argument herum: also dass wir den Terrorismus/Extremismus nicht militärisch bzw. mit Waffengewalt bekämpfen sollen, weil er dadurch nur noch stärker wird.
Ich gebe Ihnen recht, lieber Michael, und doch auch wieder nicht.
Als der Kern der "ersten Generation" im Juni 1972 verhaftet worden war, dachten viele - auch ich -, daß es damit mit dem Spuk gottseidank vorbei sei. Es hätte schlimmer kommen können - das war damals meine Reaktion.
Dann sah man die Bilder. Von Holger Meins, wie er in der Unterhose herauskam, abgemagert. Von dem verletzten Baader auf seiner Bahre. Später dann die abgemagerte, nicht mehr wiederzuerkennende Ulrike Meinhof, wie sich gegen das Fotografiertwerden wehrte, mit verzerrtem Gesicht. Dann Gudrun Ensslin im Sträflingskleid, auch sie erbarmungswürdig aussehend. Margrit Schiller, wie auch sie sich gegen das Fotografiertwerden wehrt.
Dann kamen die Berichte über "Isolationsfolter", über Hungerstreiks. Es gab eine breite Welle der Empörung.
Überall entstanden Komitees, Initiativen von Unterstützern. Dann der Höhepunkt: Der schreckliche Hungertod von Holger Meins. Das Bild dieser armseligen Figur, dieses abgemagerten Gesichts mit dem langen Bart hatte starke religiöse Konnotationen.
Ich war damals auch tief erschüttert. Sympathisiert hatte ich nie mit diesen Leuten, aber ihr Leiden berührte mich.
So ging es vielen. Sie hatten insofern ihr Ziel erreicht. Ein großer Teil der Sympathisanten, aus denen sich dann die zweite und dritte Generation rekrutierte, waren nicht primär Anhänger des "bewaffneten Kampfs" gewesen, sondern sie waren über die Empörung, das Mitleid dazu geworden. Die Propaganda der RAF hatten - weil Anwälte mitspielten, weil viele Medien mitspielten - perfekt funktioniert.
Insofern also ist die Strategie, den Staat zu "Repressionen" zu zwingen, die dann der RAF neuen Zulauf bringen sollten, erfolgreich gewesen.
Dennoch haben Sie recht: Langfristig ist sie gescheitert. Ich bin heute der Überzeugung, daß das einem einzigen Mann zu verdanken ist: Helmut Schmidt. Er hat keinen Augenblick geschwankt, er hat diesen Kampf durchgestanden. Wäre damals einer wie Gerhard Schröder Kanzler gewesen, dann hätte die RAF es zumindest schaffen können, eine Organisation aufzubauen, die den Namen "Armee" verdient. Ein paar hundert bewaffnete Leute, die systematisch Beamte, Geschäftsleute usw. ermorden. Das sollte ja die erste Etappe werden.
Den Bürgerkrieg hätte sie nicht erreichen können, weil es den Menschen einfach zu gut ging. Man kann Menschen, die in Freiheit leben, die gut verdienen, die allen Grund haben, mit den Verhältnissen zufrieden zu sein, nicht in einen Bürgerkrieg treiben.
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