Zitat von Zettelbei solchen Diskussionen bewegt man sich logischerweise im Bereich der Mutmaßungen.
Nur teilweise - denn ich bestreite ja schon, daß die Fakten Friedmans Mutmaßungen überhaupt tragen.
In Antwort auf:Die Türkei war bis 1918 eine Großmacht wie Großbritannien, das Zarenreich, das Habsburger Reich, Deutschland.
Richtig. Und ich bin Ihnen dankbar, lieber Zettel, daß sie ein so schönes Beispiel wie das Habsburger Reich genannt haben.
Hat Österreich heute, nach dem Fall des eisernen Vorgangs und dem EU-Beitritt fast aller seiner ehemaligen Untertanengebiete, eine Option auf Wiedererrichtung des k.u.k.-Reichs?
Die Antwort ist ein klares Nein. Genauso klar wie im Falle Türkei. Und das hat wenig mit Mutmaßungen zu tun und viel damit, daß die Rahmenbedingungen eine solche Idee völlig unrealistisch machen.
Und da ist es gar nicht mal der Punkt, daß Österreich beim Bruttosozialprodukt zu schwach ist. Selbst wenn es die Größe Deutschlands hätte, wäre die Idee völlig abwegig. Ganz einfach deshalb, weil keines der alten Habsburger-Gebiete noch irgendein Interesse an diesen alten Strukturen hat, die Zeit ist völlig darüber hinweg gegangen.
Selbst die Österreicher selber wären daran kaum noch interessiert. So ein bißchen nostalgische Verklärung beim Heurigen ist noch ok, ein gewisses Partnerschaftsgefühl gegenüber den Ungarn gibt es auch noch, aber der Balkan oder Galizien ist den Österreichern mehr als egal.
Und ähnlich ist das bei den Türken. Auch die freuen sich manchmal über einzelne Höhepunkte ihrer Geschichte. Aber die sind meist ziemlich lange her (z. B. Eroberung von Konstantinopel), das spätere osmanische Reich gilt als dekadente Phase des Niedergangs. Und mit ihren ehemaligen Untertanen (vor allem den Arabern) möchten sie noch weniger zu tun haben als die Österreicher mit den Slawen.
Natürlich möchte die Türkei stark sein, Einfluß nehmen, anerkannt sein. Aber ihre Ziele liegen in Brüssel und Washington, sie will ihre Interessen in Zypern oder im kurdischen Grenzgebiet durchsetzen, sie will Handelsbeziehungen zu den Ex-SU-Gebieten und nach Europa ausbauen.
Mit seiner alten Karte liegt Friedman völlig daneben. Die Türken denken nicht mehr in diesen Kategorien. Die Idee einer Einflußsphäre in Ägypten wäre ihnen ähnlich absurd wie den Deutschen die Frage, ob Togo wieder Kolonie wird.
Deswegen haben sie sich m. W. auch überhaupt nicht für die französischen Mittelmeerpläne interessiert. Erstens ist dieser Plan ohnehin unrealistisch, die Franzosen können da auch gar nichts anbieten. Und zweitens geht es da fast nur um Bereiche, die für die Türkei unattraktiv sind.
Die einzige Richtung, in der die Türkei mal imperiale Versuchungen hatte, war Mittelasien, d.h. die Turkvölker dort, die nach dem Ende der SU selbständig wurden.
Für ein Volk wie die Türken, die sich völlig einsam und isoliert zwischen feindlichen Nachbarn fühlen, war es emotional verlockend, befreundete und verwandte Völker zu finden. Nur haben sie inzwischen festgestellt, daß es außer vagen Emotionen kaum eine Basis für eine Zusammenarbeit gibt.
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