Zitat von ZettelIch bin der Meinung, daß die imperiale Option für die türkische Politik eine, sagen wir, Versuchung ist.
Mit dieser Neuformulierung, lieber Zettel, könnte ich schon viel eher leben. Irgendwelche Versuchungen gibt es immer, und auch immer Leute, die völlig utopischen Ideen nachhängen. Widersprochen habe ich in erster Linie der Vorstellung, eine solche Option hätte eine Realisierungschance.
Im Originalbeitrag gab es da die Zitate: "Friedman weist darauf hin, daß die Türkei durchaus das Potential für eine solche imperiale Politik hat" und "Die Wahrscheinlichkeit, daß die Türkei diesen expansionischen Weg beschreiten wird, sieht Friedman als groß an."
Das erste Zitat habe ich versucht durch Fakten zu widerlegen - da geht es kaum um Mutmaßungen oder "Versuchungen", sondern um die realen Rahmenbedingungen.
Und damit widerspreche ich auch der Wahrscheinlichkeit. Und dieser Widerspruch wird noch gestützt dadurch, daß es wohl keine relevante politische Kraft in der Türkei gibt, die Friedmans Agenda verfolgt.
Rein theoretisch mag es sein, daß irgendwo im Hinterzimmer beim Raki irgendwelche Stammtische von solchen Plänen träumen. Aber alle mir bekannten politischen Absichten gehen in völlig andere Richtungen.
In Antwort auf:Meine Beiträge tendieren ja bekanntlich dazu, a bisserl zu lang zu werden und abzuschweifen.
Dafür bin ich sehr dankbar. Erstens kann man von guten Texten gar nicht genug haben, und zweitens fällt dann meine eigene Wietschweifigkeit nicht so auf ;-)
In Antwort auf:Wenn eine Großmacht diesen Status verliert, dann hat sie im wesentlichen diese Optionen:
Im Prinzip ja - nur stehen ihr im realen Leben meist nicht alle dieser theoretischen Optionen zur Verfügung. Gerade die Revanche-Option ist selten gegeben.
In Antwort auf:-- Und dann gibt es noch den vierten Fall, für den die Habsburger Monarchie steht. Dort verlor 1918 ja nicht ein Land sein Reich, sondern ein Reich zerfiel.
Und genau so war es auch beim osmanischen Reich. Sogar noch ausgeprägter. Denn im Habsburger Reich gab es wenigstens noch ein Volk (nämlich die Deutschen), die letztlich dieses Reich über die Jahrhunderte erworben hatten und bis zuletzt dominierten (vor allem auch sprachlich).
Das gilt für das osmanische Reich nur bedingt. Das war KEIN türkisches Reich mit Untertanengebieten. Die Türken waren nur sehr begrenzt als Staatsvolk zu betrachten wie die Deutschen in Österreich. Die osmanische Sprache der Führungsschicht war zwar strukturell aus dem Türkischen entstanden, aber so stark durch andere Elemente (vor allem arabisch und persisch) geprägt, daß sie für normale Türken kaum noch verständlich war. Und die Zusammensetzung dieser Führungsschicht war multinational, insbesondere Griechen spielten eine große Rolle. Ethnische Türken waren eigentlich nur in der Armee stärker vertreten und wurden ansonsten von der Führungsschicht als dumme Bauern verachtet, sie waren Untertanen wie die übrigen Völker auch.
Atatürks Hauptverdienst war es eigentlich, die Türken überhaupt wieder als Volk aus der Konkursmasse des osmanischen Reichs zu formen.
Während also die Deutschen Österreichs ein Reich verloren haben, als sich ihre diversen Untertanenvölker selbständig machten oder anderen Staaten anschlossen, war es bei den Türken eher so, daß sie - wie die übrigen Untertanenvölker - mit dem Zerfall des Reichs ihre Selbständigkeit wiederfanden.
Ich habe das jetzt natürlich etwas überspitzt dargestellt. Insbesondere war das ein längerer Prozeß. Während Österreich erst 1918 zerfiel, löste sich das osmanische Reich etappenweise auf (beginnend mit der griechischen Unabhängigkeit) und 1918 war nur der Schlußpunkt. Daher gab es schon vor 1918 eine Stärkung des türkischen Elements, die "Unabhängigkeit" wurde von Atatürk vollendet, war aber schon in der Endphase der osmanischen Herrschaft in Gange.
Vor diesem Hintergrund ist aber wohl verständlich, warum das osmanische Reich so überhaupt keine Projektionsfläche für die türkische Außenpolitik ist - da phantasiert Friedman.
In Antwort auf:Daß sich da die Frage nach dem Selbstverständnis als Nation, nach den Optionen stellt, hat Friedman meines Erachtens richtig erkannt.
Schon, aber das ist noch recht trivial. Und seine Antwort auf diese Frage ist wiederum recht deutlich falsch. Die Frage ist weitgehend offen - DAS ist das Hauptproblem der türkischen Außenpolitik. Die beiden Ideen "EU-Beitritt" und "Gemeinschaft der Turk-Völker" sind unwahrscheinlich geworden bzw. völlig geplatzt. Und weitere große Ideen sind nicht in Sicht - also wurschtelt man sich so durch.
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