immer wieder sind solche Diskussionen mit Ihnen lehrreich für mich. Sie haben mir ja auch, Arm in Arm mit Gorgasal, meine schöne Idee ganz schön madig gemacht, daß die Rückständigkeit Arabiens auf die türkische Kolonialzeit zurückgeht. Aber madig oder nicht - sie gefällt mir immer noch .
Zur jetzigen Diskussion habe ich zwei Anmerkungen.
Erstens: Ich möchte nicht, daß der schuldlose George Friedman für das haftbar gemacht wird, was ich im Artikel und vor allem, was ich verkürzt in der jetzigen Diskussion geschrieben habe. Mit "imperialer Option" wollte ich um Allahs willen nicht sagen, daß irgendwer in der Türkei die Wiederherstellung des Osmanischen Reichs anstrebt. Sondern es war und ist mein Kürzel für das, was Friedman so beschreibt:
Zitat von George FriedmanThere is a second vision of Turkey, however: that of Turkey as a Muslim power with responsibilities beyond guaranteeing its own national security. (...) Under this second vision, Turkey would extend its power outward in support of Muslims. This vision, if pursued to the full, would involve Turkey in the Balkans in support of Albanians and Bosnians, for example. It would also see Turkey extend its influence southward to help shape Arab regimes. And it would cause Turkey to become deeply involved in Central Asia, where it has natural ties and influence. Ultimately, this vision also would return Turkey to maritime power status, influencing events in North Africa. It is at its heart a very expansionist vision, and one that would require the active support of a military that, at present, is somewhat squeamish about leaving home.
Also, das wäre gerade kein Nationalismus im engeren Sinn, sondern unter islamlischen Vorzeichen etwas Internationalistisches, wie es auch das Osmanische Reich gewesen war.
Zweitens: Sie sprechen, lieber R.A., der Türkei das Potential ab, in die Rolle einer solchen Großmacht zu schlüpfen. Das hat mich veranlaßt, a bisserl über dieses "Potential zur Großmacht" nachzudenken.
Ich glaube, nachgedacht habend, daß man es kaum jemals in der Geschichte einer zukünftigen Großmacht angesehen hat, daß sie das werden würde. Kaum eine hatte das "Potential".
Nicht die kleine Gemeinde auf den sieben Hügeln nah den Pontinischen Sümpfen, die ihre etruskischen Nachbarn, ihre italischen Nachbarn, irgendwann das mächtige Karthago besiegte und fast die ganze bekannte Welt eroberte.
War bei dem Stamm der Franken dieses Potential zu erkennen, jenem Stamm, der besonders gut die Balance zwischen germanischem Erbe und römischer Zivilisation hinbekam und aus dessen Reich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hervorging? War es bei den Kaufleuten und Beduinen von Mekka und Medina zu erkennen, die binnen eines Jahrhunderts ein Reich von Spanien bis an die Ufer des Tigris errichteten?
Und so fort. England wurde ebenfalls in der Spanne eines Jahrhunderts von einer verschlafenen spätmittelalternichen Nation am Rand Europas zur Weltmacht. Die Niederländer waren unterdrückte Vasallen des Felipe zwei und ein Jahrhundert später eine Großmacht.
Oder nehmen wir Preußen: Beim Amtsantritt Friedrichs II noch ein armes Land ohne Aussichten, den Großmächten das Wasser reichen zu können; 1870 der Sieger über die Großmacht Frankreich.
Oder auch die USA: Bis zum Ersten Weltkrieg ein zwar wirtschaftlich erfolgreiches, aber in der Weltpolitik bedeutungsloses Land; kein halbes Jahrhundert später eine Supermacht.
Wie funktioniert das? Nehmen Sie mir den a bisserl hochtrabenden, aber meines Erachtens exakten Begriff nicht übel: Durch iterative Rückkopplung.
Ein vergleichsweise unbedeutender Staat expandiert. Dadurch gewinnt er an Macht. Damit kann er expandieren und gewinnt damit mehr Macht. Und so fort. Kleine Eroberungen werden zur Voraussetzung für größere Eroberungen. Es ist ein sich selbst unterhaltender Prozeß, der, wenn er erst einmal in Gang gekommen ist, nur entweder durch äußeren Widerstand oder durch innere Unfähigkeit gestoppt wird.
Und dann kommen das schiere Glück hinzu, kommen technische Umstände hinzu, die man kaum prognostizieren konnte: Kleine, wendige Schiffe erweisen sich als den großen Schlachtschiffen überlegen, wenn man als Ort für die Seeschlacht einen Enge wie die bei Salamis wählt. Man ist bei einer Seeschlacht auch im Vorteil, wenn die Soldaten das Nachladen geübt haben, wie bei Gravelines. Man führt das Zündnadelgewehr ein, bevor andere es haben. Ein Marschall Bonapartes ist unfähig, und Blücher marschiert extraschnell. Sowas entscheidet manchmal, ob ein Staat zur Großmacht wird, ob er es bleibt, ob er in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
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