Zitat von FTT_2.0ich glaube, Sie schießen hier deutlich über das Ziel hinaus bzw. daran vorbei, wie man will.
Vielleicht untersuchen Sie die Schießscheibe noch mal, lieber FTT, ob Sie nicht vielleicht doch das Einschußloch finden?
Zitat von FTT_2.0
Zitat von Zettel
Zitat von DagnyIch sehe das anders: Über die Besetzung von Ministerien in einer Koalition kann durchaus zunächst der Parteivorsitzende (vor)entscheiden.
Mit welchem Recht, liebe Dagny? Die Kanzlerin kann und sollte ihn natürlich konsultieren, bevor sie ihre Entscheidung trifft. Aber es ist am Ende ihre eigene, freie Entscheidung.
So wie es die freie Entscheidung der anderen Koalitionspartner ist zu sagen: "Du hast nicht unseren Personalvorschlag akzeptiert. Dann verlassen wir eben die Regierung. Ciao!" Das war schon immer so und ist auch nur schlimm, wenn man irgendwelchen wahrscheinlich utopischen Vorstellungen einer reinen Lehre anhängen sollte.
Nein, es war nicht immer so. Vielleicht hat das ja schon mal jemand untersucht; sonst wäre es, wie gesagt, ein schönes Dissertationsthema: Wie aus der Selbstverständlichkeit, daß der Kanzler bei der Regierungsbildung mit allen Parteien redet und ihre Wünsche entgegennimmt, eine de-fact-Recht der Parteien wurde, "ihre" Ministerien zu besetzen, ohne daß der Kanzler auch nur ein Vetorecht hat.
Wenn man den heutigen Abendnachrichten glauben kann, dann möchte die Kanzlerin durchaus Glos gehen lassen. Aber wenn ein Mann, der in Bayern einer Regionalpartei vorsitzt, das nicht will, dann kann sie das nicht. Eine Kanzlerin, die ihr Kabinett gar nicht "bildet", sondern die nehmen muß, wen man ihr schickt.
Und Sie meinen allen Ernstes, lieber FTT, das sei "schon immer so gewesen"?
Zitat von FTT_2.0Ich glaube übrigens kaum, dass Kohl damals gesagt hat: "Bitte bitte, holt mir Möllemann und Leutheusser-Schnarrenberger ins Kabinett!"
Möllemann ist ein gutes Stichwort. Er trat im Januar 1993 als Wirtschaftsminister wegen der Briefbogen-Affäre zurück. Können Sie sich auch nur vorstellen, daß er das tat, indem er Otto Graf Lambsdorff, den damaligen FDP-Vorsitzenden, schrieb: "Ich bitte Sie, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden"?
Ob Möllemann Lambsdorff auch nur zuvor informiert hat, daß er zurücktreten werde, weiß ich nicht. Daß er sich an diesen mit der Bitte gewendet hätte, ihn von seinen Pflichten zu entbinden, hätte man damals für einen schlechten Witz gehalten.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelDie Praxis, die jetzt eingerissen ist, führt übrigens auch dazu, daß es kaum noch die klassische Kabinettsumbildung gibt, wie sie zB in GB üblich ist und wie sie auch in Deutschland bis zu Kohl die Regel war: Oft nach der Hälfte der Legislaturperiode bildet der Prime Minister bzw der Kanzler sein Kabinett um. Erfolglose Minister fliegen raus; es wird zwischen Ressorts getauscht. Das bringt frisches Leben in die Regierung.
... und ist normalerweise die Reaktion auf einen Fehltritt, einen Skandal oder eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung.
Keineswegs. Kabinettsumbildungen sind in GB etwas völlig Normales, ohne Skandal. Unzufrieden sind die Leute natürlich immer mehr oder weniger. Adenauer hat seine Kabinette wiederholt umgebildet, Schmidt und Kohl haben es getan.
Meines Wissens - korrigieren Sie mich, wenn ich mich da irre - war Schröder der erste Kanzler, der zwar ständig Minister verlor, die er ersetzen mußte (die Verkehrsminister in geradezu atemberaubendem Tempo), der aber nie aktiv eine Kabinettsumbildung herbeigeführt hat.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelHätten wir normale Bedingungen, dann hätte die Kanzlerin sie längst ausgetauscht. Aber sie sitzt ja im Kabinett als "Vertreterin" des linken Flügels der SPD.
Wir haben aber keine "normale", sondern "deutsche Bedingungen" und hier ist das schon immer so. Herr Genscher war auch tausend Jahre Außenminister.
Nein, es war nicht immer so. Genscher war eben eine Ausnahme. Erbhöfe für mediokre Minister, die irgendeinen Parteiflügel repräsentierten, gab es nicht. Die Flügel mußten im Kabinett vertreten sein; natürlich. Aber über die Personen entschied der Kanzler. Und gewiß nicht der Vorsitzende einer Koalitionspartei.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von Zettel(Übrigens wären auch in Frankreich solche Verhältnisse völlig undenkbar).
Mit den französischen Verhältnissen sind nicht mal die Franzosen glücklich.
In diesem Punkt habe ich noch nix von einem Unglücklichsein bemerkt, lieber FTT. Sie meinen, daß man sich dort wünscht, daß z.B. ein Minister, der demissionieren möchte, das beim Vorsitzenden seiner Partei tut statt beim Ministerpräsidenten bzw. Staatspräsidenten?
Ich wette, wenn Sie einem Franzosen diese Idee vortragen, wird er Sie angucken, als kämen Sie ... aus Deutschland.
Zitat von FTT_2.0Abgesehen davon verpflichtet der Koalitionsvertrag niemanden in dem Sinne, dass seine Einhaltung verpflichtet werden könnte. Es ist ja vielmehr eine politische Absichtserklärung zwischen den Koalitionspartnern und als solche meiner Meinung auch kein schlechtes Mittel, notorisch vergessliche Politiker an ihre Versprechungen zu erinnern.
Er ist eine Vorwegnahme der legislativen Arbeit durch ein Gremium, das dazu nicht legitimiert ist.
Wer sind denn "die Koalitionspartner" im Bundestag? Es sind die Fraktionen. Allenfalls deren gewählte Vorsitzende dürften Vereinbarungen über das treffen, was sie in der Legislaturperiode anstreben. Aber in den Verhandlungskommissionen sitzen ja oft Leute, die nicht mal im Bundestag sind.
Es sind die Parteien, die sie entsenden, nicht der Wähler. Damit verlagert sich die Willensbildung vom Souverän zu einer kleinen Gruppe, nämlich die Mitglieder der Parteien und deren Vertreter.
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