Zitat von ZettelWenn man den heutigen Abendnachrichten glauben kann, dann möchte die Kanzlerin durchaus Glos gehen lassen. Aber wenn ein Mann, der in Bayern einer Regionalpartei vorsitzt, das nicht will, dann kann sie das nicht. Eine Kanzlerin, die ihr Kabinett gar nicht "bildet", sondern die nehmen muß, wen man ihr schickt.
Und Sie meinen allen Ernstes, lieber FTT, das sei "schon immer so gewesen"?
Ich meine allen Ernstes, dass es in der Bundesrepublik schon immer so war, dass die Parteien, wie es jemand anderes hier schon schrieb, im Prinzip frei über die Besetzung "ihrer" Ministerposten frei verfügen können. Darauf bezieht sich meine ganze Argumentation. Der Fall ohne Präzedenz, und da stimme ich Ihnen zu, ist in meinen Augen, dass irgendwie der Eindruck entsteht, Seehofer könnte über den Rücktritt entscheiden.
Ich glaube, lieber FTT, das müssen wir gemeinsam zu klären versuchen. Jedenfalls finde ich es interessant, daß wir da so unterschiedliche Erinnerungen haben.
Ich will, wenn ich Zeit haben, gern nach Belegen für meine Erinnerung suchen. Die "Spiegel"-Jahrgänge habe ich bis Mitte der sechziger Jahre komplett im Regal stehen, und inzwischen steht ja ihr gesamter Inhalt auch im Web zur Verfügung. Vielleicht finden Sie ja auch Belege für Ihre Erinnerung?
Mir ist aus den fünfziger bis siebziger Jahren noch nicht einmal die Formulierung in Erinnerung, daß eine Partei diesen und jenen für ein Ministerium auswählt oder ihn für dieses Ministerium bestimmt oder ihn in dieses entsendet. Sondern der Kanzler bildete sein Kabinett aufgrund von Verhandlungen mit den Parteien, in denen über die Personalia entschieden wurde. Niemals hätte Adenauer es akzeptiert, daß, sagen wir, die DP einen ihrer strammen Rechtsaußen ins Kabinett "schickte", die sie ja wahrlich hatte. Den gemäßigten Hellwege, den gemäßigten, wenn auch extravaganten Seebohm nahm er in sein Kabinett auf. Natürlich nicht ohne Absprache mit der zuständigen Kommission der DP; aber das ist, wie schon geschrieben, eben etwas ganz anderes.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelKeineswegs. Kabinettsumbildungen sind in GB etwas völlig Normales, ohne Skandal. Unzufrieden sind die Leute natürlich immer mehr oder weniger. Adenauer hat seine Kabinette wiederholt umgebildet, Schmidt und Kohl haben es getan.
In den sehr lesenswerten Memoiren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Reshuffles bei ihr aus den von mir genannten Anlässen erfolgt sind. Auch die ganzen Kabinettsumbildungen unter Chirac, die ich jetzt im Gedächtnis habe, fallen darunter. Warum sollte man auch das "winning team" ändern?
Da gibt es viele Gründe; auch ein Trainer stellt ja seine Mannschaft um, ohne dazu durch einen Skandal oder dergleichen gezwungen zu sein. Natürlich ist das Ziel, daß es danach besser ist als zuvor. Aber es ist eine freie Entscheidung des Kanzlers, nicht eine Entscheidung der Parteien. Darum geht es mir, lieber FTT.
Zitat von FTT_2.0Dass durchgehend 10 bis 20 Prozent der Wähler "Anti-System-Parteien" wählen, halte ich für ein von mehreren Zeichen, dass auf der anderen Rheinseite ein ganz erheblicher Unwillen mit "dem politischen System" vorliegt.
Fraglos. Wenn man alle extremistischen Parteien zusammennimmt, kann man bei einigen Wahlen sogar in die Nähe von 30 Prozent kommen. Aber hier diskutieren wir ja darüber, wer die Minister beruft und entläßt.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelDamit verlagert sich die Willensbildung vom Souverän zu einer kleinen Gruppe, nämlich die Mitglieder der Parteien und deren Vertreter.
Eine "Parteiendemokratie" ist allerdings das, was die Väter des Grundgesetzes wollten, wie Sie wissen. Ob man das gut findet, ist eine andere Frage.
Was ich weiß, lieber FTT, ist, daß laut Grundgesetz die Parteien "an der politischen Willensbildung mitwirken". Nicht weniger, nicht mehr.
Das GG sieht nicht vor, daß Parteigremien Beschlüsse fassen oder aushandeln, die faktisch die Gesetzgebung binden. Natürlich müssen sich Koalitionspartner auf allgemeine Ziele verständigen. Aber sie müssen nicht bis in die Einzelheiten hinein (haben Sie sich mal so einen "Koalitionsvertrag" angesehen?) festlegen, was das Parlament zu beschließen hat.
Interessante Diskussion, lieber FTT. Ich glaube, es geht da in der Tat um Grundfragen unserer Demokratie.
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