Zitat von ZettelEs gibt sexualfreundlichere Religionen als das Christentum. Die der griechischen und römischen "Heiden" gehörten dazu, die ihren Dionysos-Kult und ihre Saturnalien hatten; deren Götterwelt durchzogen war von Liebeslust und Liebesleid.
Es gibt überhaupt eine Religion namens "griechisches und römisches Heidentum" gar nicht, sondern nur eine Vielzahl von Kulten und Vorstellungen. Liebesleid im heutigen Sinne kommt darin aber gar nichr vor.
Zitat von ZettelEine mir sehr sympathische Form der Religiosität; wäre ich religiös, dann wäre ich ohne Zweifel Polytheist.
Seltsam, zuerst Zweifel an Metaphysik und Gottesbeweisen angeben und dann eine Präferenz für den - schon lange vor dem Christentum bakrotten Polytheismus bekunden.
In Antwort auf:Die drei Offenbarungsreligionen sind nicht sehr lustfreundlich. Warum, darüber mögen Berufenere nachdenken. Vielleicht hat es etwas mit dem kargen Dasein von Nomaden zu tun.
Leibfeindlichkeit, Lustfreundlichkeit etc. sind doch ziemlich unscharfe Begriffe. Was soll das überhaupt heißen.
Die Lustfeindlichkeit, die dem Christentum vorgeworfen wird (komischerweise selten dem Judentum), ist letzlich nur die Diagnose, daß diese Religion eine Sexualmoral hat, was sie von heidnischen Religionen - die entweder Regeln als gegeben nicht weiter reflektieren oder sich nicht darum kümmern - oder, wie der Buddhismus, durch Ablehnung des ganzen Bereichs ohnehin auf moralische Überlegungen verzichten können.
Wenn man also "lustfeindlich" ruft, frage ich mich, was wäre eigentlich eine lustfreundliche Religion oder gar Zivilisation?
Aber was soll das Fabulieren über Nomaden. Wieder das Märchen vom Monotheismus aus der Wüste? Zur Information, die Israeliten waren schon lange keine Nomaden mehr, die ersten Christen waren Stadtbewohner und kein Monotheismus (der Islam eingeschlossen) kam je aus der Wüste.
In Antwort auf:Da gab und gibt es also sehr verschiedene Traditionen im Katholizismus, was das Verhältnis zur Lust angeht. Die asketische Tradition scheint mir aber in der Religiosität des Volks nie dominant geworden zu sein. In katholischen Ländern wird gut gegessen, viel getrunken, gern gesungen und gefeiert, die sexuelle Lust hochgeschätzt.
In der protestantischen Tradition sehe ich das nicht. Der Protestantismus entstand aus dem Protest gegen das, was man als biederer Deutscher als das römische Lotterleben wahrnahm. Es war auch ein Protest des, sagen wir, Handwerkertums gegen den Adel, des soliden Fleißes gegen den Hedonismus.
Mal abgesehen davon, daß weder das Handwerkertum per se protestantisch wurde noch der Adel katholisch blieb, kommen wir zur Frage der Unterschiede zwischen katholischem und protestantischem Verhältnis zum Leiblichen zurück:
Es ist eine Tatsache, daß der Protestantismus leibfeindlicher ist, als der Katholizismus. Aber dies muß keine Grundlage im Kern der Lehre haben. Protestanten hätten sich auch auf Luthers "Sündige tapfer" berufen können, auf sein "tausendmal huren und morden", und die lutherische und calvinistische Lehre kann mehr sehr gut als eine Verneinung jedweder moralischer Vorgaben sehen - insofern sind die heutigen Landeskirchen nach jahrhundertelanger Degeneration bei Luther angekommen - wenn auch unter Preisgabe des Evangeliums.
Ich stimme mit Ihnen, Zettel, überein, daß die Antwort in den Umständen seiner Entstehung liegt. Der Protestantismus als Protest- und Reformbewegung wendet sich gegen etwas, was immer zu bestimmten Einseitigkeiten führt. Eine Kirche jedoch, die nicht aus dem Bruch geboren ist, kann sehr viel entspannter mit der Thematik umgehen und eine größere Vielfalt zulassen.
Wirklich eindeutig antisinnenfreudig zeigt sich der Protestantismus nur in Bezug auf den religiös-liturgischen und davon abgeleitet künstlerischen Bereich. Doch dies mag dann auch auf die Kultur insgesamt abfärben: die Obsession, sich auf "das wesentliche" zu beschränken (mag hier ein Ursprung des antihumanen Reduktionismus liegen), die absurde Furcht um "die Reinheit", welche dann den Puritanismus hervorbringt und ängstlich alles Nichtchristliche abstößt anstatt Inkulturation zu betreiben. Allerdings hat das nun mit der eigentlichen Lustfrage nichts mehr zu tun.
In Antwort auf:Luther war noch in gewisser Weise Renaissance-Mensch; er hatte ja durchaus Sinn fürs Deftige und Lustvolle. Calvin nicht, Zwingli nicht.
Unter den dreien war Calvin der Humanist, Luther nur ein schlechtgebildetes Theologenprofessorlein. Nein, der Unterschied liegt in der Persönlichkeit, wie es ja auch heute vulgärere und feinere Personen gibt.
In Antwort auf:Da kam dann die Tradition der Ketzerei durch, der Bogumilen und Katharer. Sie bestimmt, so scheint mir, bis heute den Protestantismus in weiten Teilen.
Es gibt da keinerlei Verbindung. Die Katharer lehnten ja alles Leiblich an sich ab und hatten folglich auch keine den Bereich regelnde Moral. Die Gläubigen machten de facto was sie wollen, während die Perfecti allem abschworen.
Abschließend wäre noch zu sagen, daß man nicht "das Rheinische" mit dem "Katholischen" in eins setzen darf. Insofern ist auch der Verweis auf den "katholischen Karneval" verfehlt. Sicher ist das der Ursprung, nur haben die meisten Karnevalsexzesse nichts mit dem katholischen Glauben zu tun.
Gruß, str1977
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Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
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The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
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