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califax
Beiträge: 1.502
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13.03.2009 02:00 |
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RE: Marginalie: Anmerkungen zu Winnenden
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Zitat von Zettel
Das hat er, lieber Califax, mit den meisten gemeinsam, die die Sache für ihren kleinen Vorteil nutzen. Die einen für ihren Ruf nach Internet-Zensur, die andern für ihren Wunsch nach noch schärferen Waffengesetzen, die dritten für ihren lang anhaltenden Kampf gegen "Killer-Spiele". Wieder andere wollen vielleicht jetzt mehr Geld für die psychosoziale Betreuung von Jugendlichen, für den schulpsychologischen Dienst usf usf.
Ja mehr ich darüber nachdenke, umso mehr scheint mir das am Problem vorbeizugehen, Dieses lautet aus meiner Sicht: Wie konnte ein normaler, nicht asozialer junger Mann moralisch so völlig versagen? wie konnte jemand, der nicht aus einem kriminellen Milieu stammt, zum Schwerstverbrecher werden?
Nunja, das fragen sich die Leute, die sie oben selbst schildern alle auch. Und die meinen eben, sie hätten mal eben eine Antwort aus dem Hut gezaubert. Naja, nicht alle. Die meisten wissen oder ahnen wenigstens wohl, daß sie eigentlich keine Ahnung haben, wollen aber schönes frisches Blut auf ihre Mühle kippen.
Zitat von Zettel
Wenn man schon "die Gesellschaft" in den Blick nehmen will - ob man dann nicht fragen sollte, wie gut denn die Vermittlung von Moral in unserer Gesellschaft ist?
Gute Frage. In Erfurth stellt man sich diese Frage, scheint aber über Schuldverteilung, Beklagung eines Verfalls abstrakter ungenannt bleibender "Werte" und Neuauflagen des für Teenager so verhaßten und aggressivmachenden Verständnisgeseiers nicht hinauszukommen. Dabei gibt es aus der Jugendkultur durchaus Ansätze, Ethik jugendgerecht zu vermitteln. Nur ist das für die meisten Erwachsenen eben zu starker Tobak. Gut, das war Moral schon immer. Aber die ALten haben glorreiche Namen. Und Filme wie Amerikan History X und Kombat 16 oder Bands wie die Böhsen Onkelz mit Anleihen von Nietsche und Kant bis zu peruanischen Kriegermythen sind eben nicht gesellschaftsfähig. Zu plakativ, zu verschrien, zu viel Gewalt, zu viel Einladung an Kriminelle, zu harte Schlußfolgerungen für die Verantwortung des Einzelnen, zuviel Sarkasmus, zuviel Überlebenskampf in einer unverstandenen Welt. Halbstarke brauchen Orientierung und finden sie auch. Irgendwo. Dann ist es eben der Amoklauf, den alle diskutieren, der alle zum Nachdenken bringt, was denn da dem armen jungen Mann so schlimmes angetan wurde. Die perfekte Droge für selbstsüchtige Loser.
Ist Ihnen das schonmal aufgefallen? Asoziale Rowdys laufen nie Amok. Die meisten werden schnell vernünftig, wenn sie an Grenzen stoßen. Viele landen im Knast. Die wenigsten werden nach dem Verlassen der pupertät nochmal rückfällig. Es gibt ein paar Psychopathen, die es nie kapieren. Aber die meisten sind ein paar Jahre, nachdem die einem noch die Kehle aufschlitzen wollten, vollkommen friedliche und verheiratete Leute, die nie wieder straffällig werden. Aber aktiv sind diese Leute. Und meist auch deshalb recht erfolgreich. Überlebenskünstler der eine, Unternehmer der andere. Der Reichtum ist unterschiedlich, der Erfolg eigentlich nicht.
Was unterscheidet die von Amokläufern? Sie sind von vornherein Täter und sehen sich auch so. Sie begehen Straftaten, weil sie Täter sein wollen. Sie sehen sich grundsätzlich ungern als Opfer. Werden sie verprügelt, sind sie nicht das Opfer eines bösen Menschen. Stattdessen haben sie halt eine Niederlage eingesteckt. Passiert ja jedem mal. Pech gehabt. Amokläufer sind passive Menschen, deren selbstgewählte Lebensaufgabe daraus besteht, Opfer zu sein, um sich dann an den eingebildeten Tätern zu rächen. Sie sind eigentlich das konsequent durchdachte Ideal der heutigen Erziehungsideologie.Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster
The Outside of the Asylum
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