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Zettel
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16.03.2009 12:12 |
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Das deutsche Minderwertigkeitsgefühl
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Zitat von Dagny (Wo kommt dieses Minderwertigkeitsgefuehl eigentlich her, historisch gesehen?)
Ich denke, aus dem 17. Jahrhundert.
Bis ins 16. Jahrhundert gehörte Deutschland zu den kulturell und auch politisch führenden Nationen Europas. Da war nichts von Minderwertigkeitsgefühl, sieht man von dem im 15. und 16. Jahrhundert weit verbreiteten Gefühl ab, von Rom kujoniert zu werden.
Im Dreißigjährigen Krieg ging dieses Selbstbewußtsein unter. Politisch, weil Deutschland ein Schlachtfeld fremder und eigener Heere wurde und darunter zerfiel. Kulturell entstand damals die Dominanz Frankreich; man kann das an der Sprache des Barock sehen, die immer mehr von französischen Vokabeln durchsetzt wurde. Danach sprachen dann die Gebildeten überhaupt eher französisch; erst mit Gottsched, Klopstock, Lessing begann sich das wieder zu ändern.
Kulturell gab es danach eine Blüte, aber politisch blieb Deutschland so schwach, daß es sich mit geringen Ausnahmen an der kolonialen Aufteilung der Welt nicht beteiligen konnte. Das Wilhelminische Reich versuchte das dann fast schon verzweifelt nachzuholen und wurde dafür als Störenfried wahrgenommen.
Ich glaube, liebe Dagny, daß diese Diskrepanz zwischen der kulturellen (und wissenschaftlichen) Bedeutung Deutschlands und seiner politischen Bedeutung zu dieser Seite unseres Nationalcharakters geführt hat: Selbstunsicherheit, Unterlegenheitsgefühle, die dann - in der Endphase des Wilhelminischen Reichs, bei den Nazis, auch in der DDR - in Größenwahn und Überheblichkeit umschlagen.
Herzlich, Zettel
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