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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
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Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
PeterCoyote

18.03.2009 23:21
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Antworten
In Antwort auf:
Marx hatte ja nicht Unrecht damit, daß im Kapitalismus als Wirtschaftsform eine Zunahme der Klassengegensätze angelegt ist. Sie ist nur deshalb nicht eingetreten, weil der Kapitalismus des 19. Jahrhunderts sich in demokratischen Staaten oder in Staaten mit jedenfalls starken demokratischen Elementen entwickelte. Also waren Gewerkschaften zugelassen (die bei Marx' Analysen völlig vernachlässigt werden); also waren die Wähler aus dem Proletariat eine wichtige politische Komponente.


auf einer sehr hohen Abstraktionsebene und unter Vermeidung der wissenschaftlich unhaltbaren Konstruktion Klasse können wir uns sicherlich auf folgende Formulierung einigen: Marx hatte ja nicht Unrecht damit, daß es auch im "Kapitalismus" zu Konflikten kommen kann. Auf der Abstraktionsebene ist allerdings so gut wie jede Aussage von Marx und nahezu jedem beliebigen Autor zutreffend.

In Antwort auf:
Das fehlt in China völlig. Also kann man prognostizieren, daß die Klassengegensätze sich verschwärfen werden. Dann wird es entweder zu einer Explosion kommen oder zu einer Demokratisierung, die von der Herrschaft der Kommunisten nichts mehr übriglassen wird.


will man sich über China ein wenigstens einigermaßen angemessenes Bild erarbeiten, so gilt als erstes Prinzip, daß man sich bitteschön von der bequemen Vorstellung der Europäer einer absoluten oder wenigstens relativen Homogenität der Regionen lösen muss. Die Reise von -sagen wir einmal- Qingdao, wo ein Teil meiner Familie für eine Weile lebte, in Direktion Westen ist nicht allein eine Reise im Raum, sondern eine auf der Zeitachse. So gelangen sie schließlich in Regionen, die ihnen den Eindruck vermitteln werden, als ob sie mit der Zeitmaschine zurück zur Zeit Abrahams gereist wären. Von welchen Klassen und welchen Klassengegensätze reden wir also?

In Antwort auf:
Nicht, lieber PeterCoyote, weil es "eherne Gesetze der Geschichte" geben würde. Sondern weil gleiche Ursachen dazu tendieren, ähnliche Wirkungen zu erzeugen.


Anknüpfend an die in den Marx'schen Quellen doch üppiger als in der den Verfassungsfeinden aus dem Linkspartei Milieu einzig bekannten sowjetmarxistischen Vulgarisierung spriessenden Überlegungen zu den historischen Produktionsweisen, stießen die Marxisten einst auf das Konzept der asiatischen Produktionsweise. Nicht allein in Gestalt des Werkes von Wittfogel wurde dann u.A. auch heftig bestritten, daß gleiche Ursachen dazu tendieren, ähnliche Wirkungen zu erzeugen. Theorien, wie solche der hydraulischen Gesellschaft, teilen mit der originär Marxistischen allerdings die Makel der Reduktion historischer Prozesse auf ökonomisches und eine quasi naturgesetzmässige Betrachtung gesellschaftlicher Entwicklung, welche in Gestalt der originär Marxistischen Betrachtung ohne jeden Zweifel eine "materialistische" Reproduktion der klassischen christlich-jüdischen Eschatologie, einschl. Paradies, Sündenfall und Erlösung, darstellt.

Ich denke wir sollten ganz Abstand von jedweder Art solcher Denkmuster nehmen. Noch nicht einmal unsere entwickelten westlichen Industrienationen traten jemals in das messianische Zeitalter ein. Heute leben wir in Zeiten, in denen Demokratie und Freiheit als Eigenwerte verblassen. Der historische Materialismus bewegt sich sozusagen rückwärts und der Fortschritt wird zum Rückschritt.

Wenn wir schon zu einem ernüchternden Bild von westlichen Industrienationen gelangen, was bedeuten Demokratie und Freiheit denn für den Durchschnittschinesen? Welchen Begriff hat er vom Konzept des Individuums und davon abgeleitet die Rechte desselben? Was sagt die chinesische Kultur dazu? Ist dieselbe im historischen Kontext als eine solche autonomer Individuen, welche in jeder beliebigen Situation frei und rasch entscheiden müssen, entstanden zu verstehen, oder eine der Unterwerfung des Einzelnen, der wenig zählt, die Gemeinschaft jedoch viel?

Lieber Zettel, das war eben nur ein winzig kleiner Ausschnitt aus einem Katalog von Fragen, die man angehen müsste. Für meinen Teil halte ich es für durchaus möglich, daß das kommunistische Regime, dessen Wurzeln ja eindeutig weit außerhalb Chinas in den Latrinen westlichen Intellektuellentums liegen, irgendwann einmal verschwinden wird. Jedoch bin ich äußerst skeptisch, daß Demokratie und Freiheit dann Einzug halten werden in China. Wir sollten uns daran gewöhnen, daß andere Kulturkreise ganz anders gestrickt, als die unseren sind und unser Handeln daraufhin ausrichten. Wir sollten lernen mit der Verschiedenheit zu leben. Damit soll die Kritik an den Beschneidungen der Freiheitsrechte in China nicht erstickt werden, ganz im Gegenteil, aber die Illusion einer künftigen homogenen Weltordnung denn schon.


Herzlichst ihr Peter Coyote

Themen Überblick
Betreff Absender Datum
Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Zettel18.03.2009 08:36
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Hajo18.03.2009 10:12
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Libero18.03.2009 15:44
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Zettel18.03.2009 18:29
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China PeterCoyote18.03.2009 16:52
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Zettel18.03.2009 18:37
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Michel18.03.2009 22:34
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Zettel18.03.2009 23:19
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Pentas19.03.2009 10:15
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China PeterCoyote18.03.2009 23:21
Karl Marx Zettel20.03.2009 06:59
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Nola21.04.2009 21:25
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China R.A.19.03.2009 11:32
RE: Zitat des Tages: "Massenvorfälle" in China Zettel19.03.2009 16:49
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