Wenn ich auch noch etwas einwerfen darf: Es muss doch in jedem Fall auch hinterfragt werden, auf welche Weise jemand seine Funktionen ausgeübt hat. Beispiel: Die hessische SPD ist zwar eine demokratische Partei, aber es gab in den letzten beiden Jahren einige recht zweifelhafte Vorgänge. Diese Vorgänge kann man sicher nicht pauschal der SPD zur Last legen, sondern man muss das Fehlverhalten einzelner Personen und Gliederungen der Partei betrachten. Wenn man in ähnlicher Weise bei jeder politischen Partei differenziert, muss man es auch in Bezug auf die FDJ tun.
Es gab in der FDJ hauptamtliche Scharfmacher, aber die wurden zumindest seit Anfang der achtziger Jahre nicht mehr ernstgenommen. Daneben hat die FDJ mit staatlich zugeteilten Ressourcen auch ganz normale Jugendarbeit gemacht, z.B. die Auftritte westlicher Künstler oder den Urlaub in Zeltlagern organisiert. Das ist für Euch im Westen kaum vorstellbar, aber im Osten war das eben so. Zu den ehrenamtlichen Aufgaben der gewählten Vertreter einer FDJ-Gruppe gehörten auch Funktionen, die man heute einem Klassensprecher oder Studentensprecher zuordnen würde. Es wäre völlig verfehlt, diese gewählten Klassenvertreter mit den hauptamtlichen (gut bezahlten) SED/FDJ-Ideologen gleichzusetzen.
Auf ca. 20 Studenten einer Seminargruppe sollten damals laut Plan vier bis fünf »Funktionsträger« kommen: FDJ-Sekretär, Stellvertreter, Wandzeitungsredakteur und Kulturverantwortlicher (die fünfte Funktion habe ich vergessen). So gesehen hatten etwa 20 bis 25% aller Studenten formell eine »FDJ-Funktion«, in Wahrheit haben sie aber einfach auch die Selbstorganisation der Seminargruppe übernommen. Das Studium war damals ziemlich gruppenorientiert und etwas »verschult«. Es wäre jedenfalls völliger Unsinn, diese Menschen deshalb 30 Jahre später für ein politisches Amt zu diskreditieren.
Der FDJ gehörten zwar formell über 95% aller DDR-Jugendlichen an, aber doch nicht aus Überzeugung, sondern weil die Mitgliedschaft fast so selbstverständlich war wie der Schulbesuch. Aus dem Mitgliederbestand der FDJ gingen (nach meiner Schätzung) maximal fünf bis zehn Prozent in die SED. Alle anderen schieden so schnell wie möglich aus -- in der Regel formell nach dem letzten Bildungsabschluss oder durch stillschweigendes Einstellen der Beitragszahlung.
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