Werter Zettel,
normalerweise schätze ich Ihre Einträge außerordentlich, auch wenn ich oft genug ganz anderer Meinung bin, denn in den meisten Fällen erkennt man bei Ihnen doch das ehrliche Bemühen um Objektivität. In diesem Fall ist es leider, meiner bescheidenen Auffassung nach, völlig anders, und ich erkenne das, was ich normalerweise in der etablierten Presse so geringschätze. Bei "den Stöcken der Prügelperser" fühlte ich mich spontan an eine große deutsche Tageszeitung erinnert. Ich will das gar nicht näher ausführen, denn vielleicht habe ich nur den Sarkasmus nicht verstanden?
Wie dem auch sei, mir zeigen die Vorkommnisse in Persien etwas ganz anderes, und wenn Sie gestatten, möchte ich das ausführen. Ein guter Freund von mir ist in der DDR aufgewachsen. Bei jedem Anlaß, zu dem es in der Bundesrepublik seit der Einheit zu öffentlichem Aufruhr kommt, fühlt sich mein guter Freund bemüßigt zu äußern, daß sowas "damals" völlig undenkbar gewesen wäre. Niemand sei auf die wahnsinnige Idee verfallen, er könne einen VoPo-Trabanten umstoßen, gar anzünden, oder mit Wurfgeschossen gegen die kasernierte VoPo vorgehen. Stets muß ich nicken und ihm recht geben. Der Punkt ist nun, daß die DDR, ich weiß sie könnten da gut anderer Meinung sein, verglichen mit anderen totalitären Regimen eben immer noch am unteren Ende der Skala zu finden war.
Wenn nun im Iran ein derartiger Aufruhr ausbricht, die Menschen also wenig Angst zu haben scheinen, daß ihnen aus ihrer Rebellion handfeste Nachteile erwachsen, dann würde ich daraus ableiten, daß der Grad an Totalitarismus im Iran möglicherweise in der westlichen Presse weit übertrieben wird und deutlich unter dem der DDR liegen könnte, die, wenn man die Wahlergebnisse im Osten anschaut, im Anteil von etwa einem Drittel ihre DDR ja wiederhaben zu wollen scheinen...
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