Lieber Zettel,
leider liegen mir keine Umfrageergebnisse zur Haltung der Iraner zu den USA vor. In einer Studie des Pew-Instituts vom Juni 2007 hatten beispielsweise nur 21% der Ägypter, 15% der Marokkaner, 13% der Palästinenser und 9% der Türken eine gute Meinung von den USA. Warum sollten die Ansichten der Iraner positiver sein? Die Revolution war explizit antiamerikanisch. Die Botschaftsbesetzer galten als Volkshelden. Der Krieg gegen den Irak, bei dem die USA auf der Seite Saddam Husseins standen, hat sicherlich auch keine Sympathie für dieses Land geweckt. Summa summarum: ich kann es nicht beweisen, aber es scheint mir zumindest sehr wahrscheinlich, dass die USA im Iran unbeliebt sind. Eine sehr energische Intervention des amerikanischen Präsidenten gleich zu Beginn der Protestbewegung hätte deshalb einen überwiegend negativen Effekt gehabt.
Als kräftige Einmischung würde ich Obamas Kairoer Rede auch nicht bewerten. Wäre seine Rede in der islamischen Welt so verstanden worden, hätte es sicher massive Widersprüche gegeben, was (abgesehen von Al Qaida) nicht der Fall war. Und selbst wenn diese Rede eine ungeschickte Einmischung gewesen wäre, würde das an meinem Urteil über Obamas Iran-Politik nichts ändern.
Zum dritten Punkt. Obama sagte: "Although there is amazing ferment taking place in Iran, the difference between Ahmadinejad and Mousavi in terms of their actual positions may not be as great as has been advertised," Obama told CNBC on Tuesday. "We've got long-term interests in having them not weaponize nuclear power and stop funding organizations like Hezbollah and Hamas. And that would be true whoever came out on top in this election." (http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/con...9061703850.html) Es ging ihm also um die Frage, ob sich an den genannten Punkten der Außenpolitik des Iran viel ändern würde, wenn Mussawi Präsident würde. So viel ich weiß, hat Mussawi in der Tat in dieser Hinsicht keine Änderungen angekündigt. Obama hat also nichts falsches gesagt. Er hätte allerdings meiner Ansicht nach hinzufügen sollen, dass der amerikanischen Regierung nicht gleichgültig sein kann, ob die Iraner wenigstens die bisherigen bescheidenen Rechte bei der Präsidentwahl behielten, unter den zugelassenen Kandidaten zu wählen. Insofern stimme ich Ihrer Kritik zu. Ich sehe aber keine Anzeichen dafür, dass diese Äußerung direkt an die Protestierenden im Iran gerichtet war oder dort großen Eindruck hinterlassen hat.
Daraus abzuleiten, dass Obama am Fortbestand von Achmadinedschads Regime interessiert ist, damit Druck auf Israel erhalten bleibt, finde ich nun weit überzogen. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie aus so spärlichen Äußerungen so gewagte Schlussfolgerungen ableiten können. Iran unter Achmadinedschads Diktatur (das ist es ja wohl nach dieser "Wahl") soll Obama und der Führung der amerikanischen Demokraten lieber sein als eine auf bescheidene Reformen und vielleicht etwas weniger aggressive Außennpolitik oriente iranische Regierung? Das glaube ich nie und nimmer.
Wenn sich Obama jetzt schärfer äußert, gibt es dafür zwei Erklärungen. Entweder reagiert er damit tatsächlich auf innenpolitischen Druck oder er geht davon aus, dass er sich nun lange genug zurückgehalten hat, so dass im Iran niemand glaubwürdig sein Engagement als Beweis für eine amerikanische Fernsteuerung der Proteste nutzen kann. Wie auch immer, ich halte es für objektiv nützlicher, dass er sich zunächst zurückgehalten hat und sich erst jetzt lauter und deutlicher äußert.
Tut mit Leid, lieber Zettel, aber diesmal kann ich Ihre Ansichten nicht teilen.
Grüße,
Abraham
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