Zitat von OmniNatürlich hat jeder, der über die Handlungen und Motive von Barack Obama nachdenkt, ein Modell von Obama im Kopf in dem ein Haufen Prämissen stecken. Aber es ist ein großer Unterschied ob Sie anerkennen dass wir alle ein solches Modell im Kopf haben oder ob Sie mir zustimmen, dass niemand für sich in Anspruch nehmen kann, ein Modell zu besitzen, welches nur durch äußere Widersprüche in Frage zu stellen ist. Die Theologie kann doch als Beleg dienen, dass alle Aussagen auslegbar und relativierbar sind nach geradezu beliebiger Intention. Deswegen wird Sie wohl kaum jemals eine Äußerung Obamas dazu bringen, Ihr Modell von Ihm zu überdenken. Denn alle seine Äußerungen interpretieren Sie ja grade mit ebenjenem Modell. Aus diesem Grund bedeutet die Annahme, nur die Falsifikation könne das eigene gedankliche Modell stürzen, dass es in der Regel nie gestürzt wird.
Das ist nicht so, lieber Omni. Gewiß unterscheiden sich Menschen darin, wie sehr oder wie wenig sie bereit sind, ihre Meinung im Licht neuer Erfahrungen zu revidieren. Ich vermute, daß ich so ungefähr in der Mitte liege, eher etwas in Richtung größere Bereitschaft zur Revision.
Ich hatte zB bis Anfang der achtziger Jahre das typische "linksliberale" Bild von der DDR. Noch ungefähr 1982 oder 1983 habe ich einmal einem Verwandten, mit dem wir uns in der Nähe von Berlin treffen konnten, auf einem Waldspaziergang (nur da konnte man reden, ohne vermutlich belauscht zu werden) gesagt: Vieles ist halt in eurem System besser, vieles in unserem.
Meine Meinung habe ich erst allmählich revidiert, als ich in einer internationalen Forschergruppe gearbeitet habe, in der ein tschechischer Kollege, eine Kollegin aus Polen und ein Kollege war, der vor Jahren aus Polen geflohen war. Die haben mich in nächtelangen Diskussionen über das Wesen des real existierenden Sozialismus aufgeklärt. Das ganze Ausmaß der Verbrechen, der Armut und der Unterdrückung im Sozialismus habe ich aber erst nach 1989 begriffen.
Also, verzagen Sie nicht, lieber Omni - wenn es entsprechende Informationen gibt, werde ich auch mein Bild von Barack Obama revidieren. Ich glaube allerdings, eher if als when.
Zitat von OmniDas Problem an dieser Diskussion und das, behaupte ich, was Ihnen hier von mehreren Personen vorgeworfen wird, ist doch, dass Sie mit dem Begriff des "beschämenden Verhaltens" eine Kategorie eingeführt haben, die in hohem Maße mit "Intention" zusammenhängt und Intention eine Größe ist, die "weit entfernt ist" von "messbaren" Größen - was freilich ein dehnbarer Begriff ist - aber es geht mir jetzt um die Größenordnungen. Wir können uns über halbwegs messbare Größen unterhalten wie den Verlauf der Proteste im Iran. Die Intention Obamas aber kann nur aus dem gedanklichen Modell, was jeder von Obama besitzt, abgeleitet werden und wie Sie sehen, haben wir alle unterschiedliche Modelle von ihm im Kopf. Ist es da nicht sinnvoller, sich auf Kategorien zu beschränken, die näher an der Messbarkeit liegen?
Das finde ich nicht, lieber Omni. Denn solche Modelle sind ja nicht beliebig. Sie brauchen, wenn sie etwas taugen sollen, ein fundamentum in re, wie man das im Nominalismus-Streit nannte, eine Fundierung in der Sache selbst.
Und darüber diskutieren wir eben, welches Modell die bessere Fundierung in den Tatsachen hat. Wir stellen die Modelle einander gegenüber, jeder verteidigt das seinige. So sieht aus meine Sicht eine fruchtbare Diskussion aus. Wobei es - und in dieser Hinsicht kann ich die Diskutanten hier im Forum nur loben - darauf ankommt, daß man einander nicht einfach seine jeweilige Meinung mehr oder weniger emotional an den Kopf wirft (wie in so vielen Blogs und Foren), sondern daß man mit Begründungen argumentiert.
Zitat von OmniZwei Menschen aus unserem Kulturkreis mit vergleichbarer Vorbildung können offensichtlich zu 2 völlig grundverschiedenen Urteilen darüber kommen. Muss dann wirklich ein, vor allem auch noch moralisches, Urteil sein?
Muß nicht, darf aber. Schauen Sie, über Präsident Bush diskutierte in Deutschland kaum jemand, ohne ständig ein "moralisches Urteil" einfließen zu lassen. Über den Neoliberalismus kann man mit vielen Menschen kaum diskutieren, ohne daß sie ihr moralisches Urteil zu Protokoll geben. Warum nicht auch über Obama?
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