Lieber Zettel,
"Wie kommst du zu diesen Behauptungen? So etwas finde ich sonst in linksextremen Blogs, deren Autoren die Klischees, die sie im Kopf haben, mit der Wirklichkeit verwechseln. Autoren, die nie gelernt haben, daß man Behauptungen auch belegen muß."
Ich glaube, das resultiert aus einem Weltbild und einer eigenen Sicht der Dinge. Das gleiche Phänomen beobachtet ich in der Vergangenheit, als in irgendeiner Stadt im Osten ein rechtsradikaler Übergriff vermutet wurde bzw. stattfand. Den Sachverhalt bekomme ich im einzelnen nicht mehr hin. Da tat sich ein ganzes Dorf zusammen, um sich gegen pauschale Vorwürfe zu wehren, sie seien alle rechtsradikal. Das hatte niemand behauptet, aber die Bevölkerung zog sich einen Schuh an, der gar nicht für sie gedacht war. Ein Bekannter von mir aus dem Osten, den ich als sehr sachlich und besonnen schätze, mit einem klaren Blick, fühlte sich auch angegriffen. In den Diskussionen mit ihm sah ich dann, wo die Ursache dafür lag, dass er meinte, sich gegen diesen Schuh verteidigen zu müssen. Bei ihm hatte sich verfestigt, dass der Westen den Osten als rechtsradikal pauschalisiere und so ist er bei dieser Aktion automatisch in eine Verteidigungsposition gerutscht, ohne dass es objektiv einen Anlass dafür gegeben hätte, dass er irgendetwas rechtfertigen muss.
Die meisten Deutschen fühlen sich nicht persönlich angegriffen, wenn von einem rechtsradikalen Übergriff in Deutschland berichtet wird. Der innerliche Abstand zu solchen Übergriffen ist zu groß, als dass die meisten gar nicht auf die Idee kommen, man könnte sie mit so etwas in Verbindung bringen. Daher distanziert sich auch keiner, denn warum soll man Schuhe anziehen, die einem überhaupt nicht passen.
Ähnliches beobachte ich bei Diskussionen über mangelnde Integration. Die "Migranten", "Ausländer", die ich kenne, ziehen sich da auch keine Schuhe an, sondern fordern viel krasser häufig als andere, dass man Integration abfordern muss. Dies manchmal allerdings mit dem Nachsatz, sie seien es leid, dass wegen des Verhaltens anderer ein negatives Bild über ihre Gruppen entstehe.
Jede Aussage wird vom Empfänger subjektiv wahrgenommen. Jeder hat sein Weltbild und Aussagen anderer werden immer unter dem Blickwinkel des eigenen Weltbildes gewürdigt. Je mehr eine Ideologie überwiegt, umso weniger können häufig Aussagen objektiv wahrgenommen werden. An dem Beispiel des Dorfes aus dem Osten, viele Ost-Deutsche fühlen sich, ob zu Recht oder Unrecht, von den Westdeutschen nicht für vollwertig genommen. Das muss zur Folge habe, dass man sich eher engegriffen fühlt, dass man Angriffe wittert, ohne dass es eigentlich dafür einen Anlass gibt. Jemand, der denkt, mal überspitzt formuliert, Menschen sind per se fremdenfeindlich oder der Deutsche insbesondere, wird viel eher Fremdenfeindliches aus Aussagen heraushören als jemand, der denkt, es gibt fremdenfeinlich eingestellte Menschen, aber die meisten Menschen gerade in den Zeiten der Globalisierung sind weltoffenen genug als dass sie keine pauschalen Vorbehalte wegen der Herkunft gegenüber Menschen haben. Wer letzteres denkt, wird zunächst einmal Aussagen weitesgehend objektiv würdigen ohne ein braunes Gedankengut zu unterstellen.
Ob die hier diskutierten Aussagen hilfreich waren, ob sie ggf. ungeschickt formuliert wurden, das steht alles auf einem anderen Blatt. Was aber von einigen aus den Aussagen gemacht wurde, läßt deutlich darauf schließen, dass die Aussagen bei einem so sensiblen Thema zum Ausleben der eigenen Ideologie mißbraucht wurden und damit dann (vermutlich unbewusst) sicher gestellt wurde, dass diese Aussagen Schaden anrichten - was das bemerkenswerte ist, denn der Mißbrauch der Aussagen durch Dritte soll ja vordergründig einem Anliegen dienen, welchem aber gerade so geschadet wird.
Herzliche Grüße Stefanie
|