Werter Llarian, ich werde auf die letzten 30 Beiträge nicht eingehen. Wenn Sie nicht selbst erkennen, wieviel Polemik und abwertende Adjektive enthalten waren, dann mache ich mir nicht die Mühe, dass zusammenzukopieren.
1. Fakt ist: niemand hier kennt Laura, ihren Vater, ihre Mutter oder einen der beteiligten Behördenmitarbeiter. Niemand hier kennt einen aus der Familie oder auch nur einen aus dem Freundeskreis der Familie. Die wenigsten hier haben überhaupt tiefere Kenntnisse des niederländischen Rechtssystems. Deswegen ist die Diskussion über die realen "Fall Laura Dekker" ABSOLUT SUBSTANZLOS.
2. Es bleibt also gar nichts anderes übrig, als den Fall zu abstrahieren. Wie steht man PRINZIPIELL zur Befugnis des Staates, das Erziehungs- und Weisungsrecht der Eltern für Kinder einzuschränken? Da wir über den "Fall Laura Dekker" nichts, aber auch GAR NICHTS wissen (oder glaubt hier tatsächlich jemand etwas, nur weil es in einer Onlinezeitung steht???), können wir das nur als Ausgangspunkt einer abstrahierten Diskussion nehmen.
3. Im Spiegel Online wird die Geschichte von Laura Dekker in der Rubrik "Schulspiegel" erzählt. Hm, warum könnte das sein? Vielleicht deswegen, weil es sich um einen schulpflichtigen Menschen handelt? Wie alt ist dieses Mädchen? gerade mal 14 Jahre geworden.
Es IST polemisch die Frage zu stellen, wie man sich positionieren würde, wenn Laura nicht gerade mal eben 14, sondern gerade eben noch nicht 18 wäre. Denn sie ist nun mal 14 und nicht 17. Aber gut - gehen wir mal eine Sekunde auf diese Polemik ein. Antwort: So fern man die Existenz von Staaten und Gesetzen akzeptiert, ist die unausweichliche Konsequenz, dass Gesetze NORMIEREN. Ein Anarchist ist wenigstens in so weit konsequent, als er jede Form staatlichen Handelns ablehnt. Aber alle, die sich nicht als Anarchisten betrachten, haben akzeptiert, dass Gesetze normieren. Und damit gibt es Grenzen, die im Einzelfall suboptimal sind - das ist ein eingebautes Merkmal von Gesetzen. Alles andere ist Willkür. Ich verstehe nicht ganz, wieso man unter so gebildeten Teilnehmern wie hier im Forum vertreten, solche Trivialitäten noch mal erläutern muss.
Warum ist das Wahlrecht an ein bestimmtes Alter geknüpft? Der Drogenkonsum? Das Heiratsrecht? Das sind alles im Einzelfall willkürliche Grenzen, die lediglich im Durchschnitt Sinn ergeben.
Man kann ja sentimental der Zeit hinterher weinen, als 14jährige Jungs "zum Mann wurden", in dem sie auf Wanderschaft geschickt wurden und sich ohne Eltern quer durch Deutschland schlagen durften. Als 14jährige Mädels bereits heiraten durften und man oder frau mit 16 bereits eine Familie und ein Geschäft haben konnte.
Solche sentimentalen und sozialromantischen Vorstellungen verdecken nur leider das unvermeidliche Gegenstück: Kinder DURFTEN nicht etwa nur, sie MUSSTEN. 14jährige Kinder in Kohlegruben. Zwangsheiraten. Kinderprostitution. Körperlich und seelisch vrkrüppelte Kinder in Spinnereien, auf den Höfen, in den Fabriken. Noch heute gibt es Kindersoldaten in moslemischen Kulturen. In anderen Ländern werden 14jährige als Arbeitssklaven verkauft.
Die europäische Tradition einer staatlich geschützen Kindheit ist ein PRIVILEG und nicht etwa eine Folter.
4. Zu diese, Privileg gehört übrigens auch die Schulpflicht. Ein 14jähriges Mädchen für Jahre aus der Schule zu nehmen, ist ein schwerwiegender Eingriff. Wer das nicht akzeptiert, der hat sich meiner Meinung nach von einer sachlichen Diskusson verabschiedet. Man mag ja der Meinung sein, es gäbe "etwas anderes" als Ersatz dafür, was genau so wichtig wäre. Aber das eine solche lange Abwesenheit von der Schulausbildung prinzipiell ein schwerwiegender Eingriff ist, sollte man zunächst mal zugeben.
Zum Thema Schulpflicht gibt es immer wieder Auseinandersetzungen. Streng religiöse Familien, die ihre Kinder nicht dem schädlichen Einfluss der Gesellschaft aussetzen wollen. Anarchisten, die es als wichtiger empfinden, dass ihr Kind "sich selbst" findet. Arme Familien, die ihre Kinder lieber arbeiten schicken wollen. Eine allgemeine Schulpflicht IST ein schwerer Eingriff in die Familien, das gebe ich ja vorbehaltslos zu. Ich halte diesen Eingriff aber für in Summe gerechtfertigt.
Deswegen bin ich der Meinung, dass sich nicht der Staat rechtfertigen muss, wenn er die Schulpflicht durchsetzt - ich bin der Meinung, dass diejenigen sich rechtfertigen müssen, die davon eine Ausnahme haben wollen.
5. Daneben geht es auch um die Frage, ob eine staatlich geschützte Kindheit sich auch auf Themen der Freizeitgestaltung erstrecken sollte. Auch das würde ich prinzipiell bejahen. Ich halte es für richtig, dass der Staat Kinder daran hindert, Drogen zu konsumieren. Ich finde es richtig, dass der Staat Kinder daran hindert, schwerwiegende Finanzgeschäfte zu tätigen oder Hardcorepornos zu sehen oder gar zu selbst zu drehen. Alles Tätigkeiten, die im Einzelfall nur den jungen Menschen selbst schädigen.
Im Normalfall sind die Eltern dafür zuständig, die Kinder vor solchem Unsinn zu bewahren. Wenn die Eltern dieser Schutz- und Fürsorgepflicht nicht nachkommen, dann kann ersatzweise der Staat eingreifen. Wie weit der Staat in die Freizeitgestaltung -auch die Ausübung von Sport- eingreifen sollte, ist immer wieder umstritten. Zu Recht umstritten: es gibt da kein nur schwarz oder nur weiß. Wenn beispielsweise immer wieder die Grenze diskutiert wird, ab wann Kinder in den Hochleistungssport einsteigen dürfen, dann ist das Ausdruck dieser gesellschaftlichen Diskussion. Und genau dazu zählt auch diese Weltumseglung einer 14jährigen. Das fällt in den Bereich des Hochleistungssports - ich hoffe mal, dass wir uns wenigstens auf diese simple Tatsache eingen können. Und Hochleistungssport bei Kindern ist immer und grundsätzlich gefährlich für Leib und Leben.
In so weit verstehe ich überhaupt nicht, warum mache hier die Befürworter einer Kontrollinstanz im Falle Laura Dekker als mitleidlose, machtgeile und tumbe Aparatschniks hinstellen. Es ist für mich offensichtlich, dass über eine solche Aktion gesprochen werden muss. Genau so wie man darüber sprechen sollte, wenn Eltern ihre Kinder mit 14 bereits auf einer Olympiade turnen lassen. Zu welchem Ergebnis diese Diskussion kommt, ist für mich dann offen. Das aber PRINZIPIELL eine solche Diskussion gerechtfertig ist, steht für mich außer Frage.
MfG Frank
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