Zitat von Zettel
Zitat von R.A.
Zitat von Zettel Humbug war das, lieber R.A., ganz gewiß nicht.
Das kommt jetzt darauf an, was genau seine Prognose war. Wenn er 9 Milliarden gesagt hat, bleibe ich beim Humbug. Wenn er ein plus/minus 2 Milliarden dazu gesetzt hat, fände ich die Prognose völlig vernünftig.
Gut, ich krame das Buch wieder raus. Vielleicht lese ich es heute Nacht.  Aber ohne diese Lektüre will ich jetzt schon zu diesem Punkt antworten: Es ist bei Prognosen allgemein üblich, daß man konkrete Zahlen nennt. Nicht, weil man meint, sie würden genau so eintreffen, sondern eben als best bet. Das, was Statistiker den Erwartungswert nennen. Eine Varianz kann man häufig dazu nicht angeben.
Eine Prognose, die keine Aussage über die erwartete Streuung des tatsächlich eintreffenden Wertes macht, halte ich für nahezu wertlos. Wenn die Prognose für morgen 0 Grad Celsius ist, mit einer Streuung von +/- 1 Grad, dann lasse ich die Handschuhe und die Mütze daheim. Wenn die Streuung +/- 15 Grad ist, dann kann es morgen so pervers werden, dass ich lieber von zu Hause arbeite. Wenn ein Webserver 10.000 +/- 200 Anfragen pro Sekunde schafft, dann ist das in Ordnung - wenn er 10.000 +/- 10.000 schafft, dann wird er irgendwann furchtbar in die Knie gehen, typischerweise mit grausigen Folgen (siehe auch: Programmers Need To Learn Statistics Or I Will Kill Them All). Und genau deswegen ist die Angabe einer Variabilität auch eine Art von Signaling: wer nur eine Punktprognose abgibt, der versteht nichts von wissenschaftlicher Prognostik. (Gut, das ist jetzt ein wenig hart formuliert...)
Dabei ist es letzten Endes gar nicht so wichtig, ob man Standardabweichungen, Intervallprognosen oder am besten fan charts liefert. Der Leser sollte in der Lage sein zu beurteilen, ob die Prognose mit viel oder wenig Unsicherheit behaftet ist. Und das ist alles kein Hexenwerk, zumindest Fehlerfortpflanzung und Standardfehler von Regressionen waren 1954 schon bekannt, die sollten einfließen. Deutlich sinnvollere Methoden, verschiedene Fehlerquellen einzubeziehen (bei einer Bevölkerungsprognose etwa Ungenauigkeiten in der Bezifferung der aktuellen Bevölkerung, Schätzfehler für geschätzte Modellparameter, Unsicherheiten in den zukünftigen Kriegsausbrüchen, Naturkatastrophen oder Bevölkerungspolitik), gibt es erst mit Computern - dann baut man schöne Monte Carlo-Simulationen und gibt Intervallprognosen aus.
Und mit all diesen Verfahren unterschätzt man typischerweise die Variabilität der Zukunft noch immer massiv.
-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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