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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
Zettel

Beiträge: 20.200


31.01.2010 14:51
Greilings Prognosen Antworten

Zitat von Zettel
Das Buch basierte auf sehr sorgfältigen Analysen. Ich habe es mir aus dem Regal geholt; mal sehen, wie schnell ich es parallel zu dem lese, was sonst so noch auf meinem Nachttisch liegt. Vielleicht heute Nacht; vielleicht dauert es auch ein paar Tage.


Greilings Prognosen basieren im wesentlichen auf zwei Faktoren: Der technischen Entwicklung und der demographischen Entwicklung. Aus ihrem Wechselspiel leitet er seine Vorhersagen ab.

Für die Abschätzung der technischen Entwicklung benutzt er Erfahrungswerte aus der Vergangenheit: Wie lange dauert es, um eine Erfindung zur Serienreife zu bringen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein bestimmter Entwicklungsschritt getan werden kann? Dabei ist er sich natürlich im Klaren darüber, daß es unerwartete Durchbrüche geben kann und daß für die Umsetzung von Wissenschaft in Technik auch die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen eine Rolle spielen.

Beispiel Raumfahrt: Greiling untersucht, wie lange es jeweils dauerte, um eine technische Neuerung im Bereich des Transports "vom Entwurf bis zur vollen Entfaltung" zu bringen. Beim Motorflug rund zwanzig Jahre zwischen dem Flug der Gebrüder Wright 1903 und der kommerziellen Luftfahrt ab Mitte der zwanziger Jahre. Die Eisenbahn habe zwischen 1840 und 1860 "ihre typische Form gefunden". Eine ähnliche Spanne beim KfZ.

Das extrapoliert Greiling auf die Raketentechnik: Sie begann mit der V2; also werde sie rund zwanzig Jahre später - Mitte der sechziger Jahre - so weit entwickelt sein, daß Raketen für bemannte Raumflüge eingesetzt würden werden können.

Und er schreibt: "Wahrscheinlich ist das aber schon früher der Fall, da aus militärischen Erwägungen aller Raketenarbeiten beschleunigt vorangetrieben werden". Keine schlechte Prognose, nicht wahr? Gagarin flog 1961.

Bis zu einer Weltraumstation veranschlagte Greiling weitere zehn Jahre; er prognostizierte sie also für 1975. Das Salyut-Programm lief von 1971 bis 1982. Da er annahm, daß eine Mondexpedition von einer Raumstation starten würde und er auch für diesen Schritt den Erfahrungswert von 20 Jahren ansetzte, erwartete er sie für 1990.

Damit lag er falsch; aber nur, weil man den Weg des direkten Flugs ging. Und auch hier hatte er ein caveat: "... fiele die erste Mondexpedition großen Stils in die Zeit um 1990, vorausgesetzt, daß militärische Gründe nicht auch dieses Projekt beschleunigen und schon lange vor diesem Zeitpunkt verwirklichen". Publiziert 1954.



Ähnlich geht Greiling bei seinen demographischen Prognosen vor. Er beginnt mit Erfahrungswerten und versucht abzuschätzen, wieweit man sie extrapolieren kann.

Seit dem Beginn der Industrialisierung um 1830 gibt es, schreibt er, ein exponentielles Wachstum der Bevölkerung mit einem relativ konstanten Exponenten. Extrapoliert man das, dann ergibt sich auf der Basis einer Weltbevölkerung von 2,40 Milliarden zu dem Zeitpunkt, als Greiling das Buch publizierte, für 2010 beispielsweise eine Weltbevölkerung von 5,14 Milliarden. (Ich habe eben nachgesehen: der tatsächliche Wert liegt bei 6,80 Milliarden).

Nun kann, schreibt er, das exponentielle Wachstum natürlich nicht unbegrenzt weitergehen. Der bremsende Faktor ist just die Technik, die dieses Wachstum zunächst in Gang gebracht hat. Sie ermöglicht zunächst (dank besser Lebensbedingungen, ärztlicher Versorgung usw.) eine steigende Lebenserwartung, aber die Reproduktionsgewohnheiten bleiben noch weitgehend unverändert. Daher das schnelle Wachstum. Wächst mit der fortschreitenden Technik aber der allgemeine Wohlstand, dann ändern sich die Reproduktionsgewohnheiten. Die Geburtenrate sinkt.

Entscheidend ist nun, wann in den (zu Greilings Zeiten) noch kaum industrialisierten Ländern die Industrialisierung ein Niveau erreicht haben wird, das einen wachsenden allgemeinen Wohlstand und damit einen Rückgang der Geburtenrate bis zu dem Punkt zur Folge hat, an dem die Bevölkerung stabil bleibt.

Diesen Punkt sieht Greiling Mitte des 21. Jahrhunderts erreicht; und zwar aufgrund der europäischen Zahlen und vor allem der Zeit, die Japan bis zur Industrialisierung gebraucht hatte (knapp ein Jahrhundert). Also, argumentiert Greiling, ist zu erwarten, daß die (damals, um 1950) noch nicht industrialisierten Länder Asiens, Afrikas, Lateinamerikas bis Mitte des 21. Jahrhunderts industrialisiert sein werden.

Die demographische Extrapolation ergibt nun bis dahin - bis sich also die Weltbevölkerung stabilisiert - einen Wert von ungefähr 9 Millionen. Das ist für Greiling folglich der Erwartungswert, bei dem sich die Weltbevölkerung stabilisieren wird.

Er ist sich im Klaren, daß es sich um eine grobe Schätzung handelt. Immerhin war das eine Zahl, die damals als phantastisch galt. Greiling verwendet viele Details darauf, nachzuweisen, daß so viele Menschen überhaupt ernährt werden können, daß Wohlstand für so viele Menschen überhaupt geschaffen werden kann usw.



Ich finde, lieber Thomas, vor allem die Herangehensweise von Greiling beeindruckend. Demographie und Technik als die beiden dominierenden Faktoren; Berechnungen aufgrund von Extrapolationen zu ihnen und ihrer Interaktion: Das scheint mir eine rationale Art zu sein, Futurologie zu betreiben.

Herzlich, Zettel

Edit: "Die demographische Extrapolation ergibt nun bis dahin - bis sich also die Weltbevölkerung stabilisiert - einen Wert von ungefähr 9 Millionen" --> "Die demographische Extrapolation ergibt nun bis dahin - bis sich also die Weltbevölkerung stabilisiert - einen Wert von ungefähr 9 Milliarden". Dank an Uwe Richard für den Hinweis auf den Lapsus.


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Greilings Prognosen Zettel31.01.2010 14:51
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