Zitat von Zettel Haben Sie, lieber R.A., nicht oft in anderen Diskussionen zu historischen Themen darauf hingewiesen, daß man darüber allenfalls spekulieren kann?
Sicher, aber spekulieren ist ja nichts Ehrenrühriges ;-) Ich halte diese meine Spekulation jedenfalls für recht realitätsnah. Denn die FDP war im Tief, nicht nur bei den Umfragen, sondern in der Stimmung von Mitgliedern und Kernwählerschaft. Und auf die kommt es an, wenn man überzeugen will. Die Medien-Kampagne mit den absurden Vorwürfen zu Hotels und Spenden etc. hat da echt Wirkung gezeigt. Ein weiteres passives Hinnehmen wäre bestimmt falsch gewesen, sachliche Entgegnungen waren eben wegen der Kampagnen-Absicht chancenlos. Man kann jetzt diskutieren, ob eine andere Reaktion besser gewesen wäre. Nur fällt mir keine geeignetere ein.
Zitat Ich bin wie Döring der Meinung, daß die FDP das Potential hat, zu einer dritten, wenn auch kleineren Volkspartei neben der Union und der SPD zu werden
Gut möglich - aber eine so große Verändungen wird nie im Konsens möglich sein. Da muß man Denkgewohnheiten aufbrechen, Streit anfangen über Punkte, die bisher allgemein akzeptiert wurden, aber eben nicht mehr richtig sind.
Zitat Das kann sie aber nur durch Sacharbeit erreichen, die breite Anerkennung findet.
Die muß auch sein, findet auch statt. Wird aber für die öffentliche Wahrnehmung nicht viel bringen.
Zitat Daran hapert es bei den momentanen Ministern ...
Dem kann ich so pauschal nicht zustimmen. Zum Beispiel macht Rösler eine gute Sacharbeit. Und wird genauso von den Medien in die Pfanne gehauen wie die anderen FDP-Minister. Während sich die CDU-Minister derzeit ziemlich alles erlauben können. Selbst die Unions-skeptischen Medien sind derzeit so durch FDP-Bashing ausgelastet, daß sie daraus nichts machen.
Zitat Das mag kurzfristig durch eine Mobilisierungskampagne wie jetzt die von Westerwelle aufgefangen werden; mittelfristig wird diese Kampagne nach meiner Überzeugung verheerende Folgen haben. Von einem Außenminister-Bonus wird Westerwelle nur noch träumen können.
Das sehe ich relativ gelassen. Solche Stimmungen ändern sich schnell wieder. Genscher war nach dem angeblichen "Verrat" 1982 einer der meistgehaßten Politiker der Republik - und galt einige Jahre später als großer Wundertäter.
Es ist richtig (und bedauerlich), daß sich einige potentielle FDP-Wähler jetzt verunsichert fühlen. Mittelfristig wäre es durchaus besser gewesen, wenn die Mobilisierungskampagne nicht nötig gewesen wäre. Aber auf sie zu verzichten wäre m.E. viel schlimmer gewesen.
Zitat Übrigens frage ich mich auch, wie es eigentlich international gesehen wird, wenn ein frischgebackener Außenminister sich derart vehement am innenpolitischen Streit beteiligt.
Das ist dem Ausland ziemlich egal. Wir achten doch auch nicht darauf, was andere Außenminister zu Hause so treiben.
Zitat Ach so, ich hatte vergessen, Forsa ... 
Richtig.
Aber im Ernst: Ich habe ja nicht gesagt, daß die Infratest-Zahlen bestimmt so kommen werden. Aber wenn ein Ergebnis ungefähr so aussehen würde (und die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht gering), dann würde die Welt plötzlich ganz anders aussehen. Und ich könnte darauf wetten, daß die Medien dann ganz plötzlich die Schiene wechseln. FDP-Bashing wäre dann einfach nicht mehr verkäuflich, dann würden sie sich ein neues Opfer suchen (von der SPD ist z. B. kaum noch die Rede).
Zitat Ein Erfolg der FDP bei einem gleichzeitigen Verlust der christlich-liberalen Regierungsmehrheit wäre aus meiner Sicht eine Katastrophe für NRW
Richtig. Aber wenn die Wähler das nun wollen, müssen sie auch die Folgen ausbaden.
Zitat vor allem dann, wenn man Ende eine Ampel rechnerisch möglich wäre und die FDP sich darauf einlassen würde.
Wird sie nicht, da können wir gerne wieder eine Wette machen ;-)
Zitat Da sind wir halt verschiedener Meinung.
Und werden das wie üblich gut aushalten 
Zitat Die jetzige Dauerkrise der Regierung ist keineswegs der Union allein anzulasten; sie hat wie auch die FDP das primäre Interesse, gemeinsam gute Regierungsarbeit zu machen.
Das sehe ich eben anders. Für die Union ist der gemeinsame Regierungserfolg derzeit völlig nebensächlich, sie verfolgt in erster Linie das strategische Ziel, die FDP als Machtkonkurrent nieder zu halten. Erst wenn sie sieht, daß das ein Eigentor wird, wird sie wieder zu normaler Regierung-Kooperation bereit sein.
Zitat Die FDP andererseits glaubte, mit ihrem ausgezeichneten Ergebnis im Rücken jetzt die Regierungpolitik maßgeblich bestimmen zu können.
Das sehe ich nicht. Die FDP war kompromißbereit - das sieht man doch am Koalitionsvertrag. Und der muß jetzt auch umgesetzt werden, genau hier verweigert sich die Union.
Und absurderweise sabotiert die Union (eben weil es ihr in erster Linie um Machtkampf geht) ausgerechnet die Themen, die sie selber vor der Wahl vertreten hat. Streit um Steinbach oder Schröders Pflegeideen wäre noch normaler Koalitionsalltag. Aber wenn die Union nun bei Steuersenkungen und vor allem der Kopfpauschale bremst, dann geht das konträr zu ihren eigenen Inhalten.
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