Zitat von Dalayah Ich glaube die wollen einfach in der Opposition bleiben. Oder aber sie übernehmen als Koalitionspartner Regierungsverantwortung, und verabschieden sich gleichzeitig von ihrem Programm. Damit verlieren sie dann ihre enttäuschten Wähler. Wie es auch kommt, es wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wurde.
Vielleicht entwickelt es sich in einer dieser beiden Weisen. Nur kann man leider nicht sicher sein. Ich halte eine andere Entwicklung für viel wahrscheinlicher.
Es gibt viele Beispiele dafür, daß Parteien und Politiker auf radikale Worte auch radikale Taten folgen lassen, sobald sie dazu in der Lage sind. Die Nazis, über die vor 1933 genau das gesagt wurde, was Sie über die Kommunisten schreiben - Hitler würde sich in der Regierungsverantwortung schnell mäßigen, man werde ihn "einrahmen" können usw. - sind nicht das einzige Beispiel.
Um ein Näherliegendes zu nennen: Die französischen Kommunisten haben bereits in den sechziger Jahren exakt die Strategie entwickelt, der jetzt Venezuela folgt und die im jetzigen Programmentwurf der deutschen Kommunisten beschrieben wird. Falls Sie, liebe Dalayah, Französisch lesen, können Sie das in diesem Artikel in der französischen Wikipédia nachlesen:
http://fr.wikipedia.org/wiki/Le_PCF_et_le_programme_commun_(1968-1981)
Im Dezember 1968 wurde das betreffende Manifest verabschiedet: Pour une démocratie avancée, pour une France socialiste . Der Übergang zum Sozialismus sollte durch eine démocratie jusqu'au bout erreicht werden, durch eine bis zum Äußersten vorangetriebene Demokratie. Dazu sollte die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien gehören, die Errichtung von Machtstrukturen parallel zu denen des Parlamentarismus, die Einführung der 35-Stundenwoche usw. (Im jetzigen Entwurf für "Die Linke" sind es gar 30 Stunden).
Als François Mitterand im Mai 1981 zum Staatspräsidenten gewählt worden war und danach die Koalition aus Sozialisten und Kommunisten in der Nationalversammlung eine Mehrheit erlangt hatte, begann man mit der Umsetzung dieses Programms. Die Banken und ein Teil der großen Konzerne wurden verstaatlicht. Es wurden massive Lohnerhöhungen durchgesetzt. Eine Planwirtschaft wurde vorbereitet. Frankreich machte sich - das ist noch keine drei Jahrzehnte her - auf den Weg in den Sozialismus.
Gescheitert ist das nicht an mangelndem Machtwillen, sondern an der wirtschaftlichen Katastrophe, die es auslöste. Die Wirtschaft bewegte sich so bergab wie jetzt in Venezuela; die Lohnerhöhungen lösten eine Inflation aus, die zu drei Abwertungen des Franc in kurzem Abstand zwang; es kam zu einer Kapitalflucht aus Frankreich. Die Regierung wußte sich keinen anderen Rat, als eine Devisenkontrolle einzuführen. (Ich habe es damals erlebt; man wurde beim Grenzübertritt auf Francs, deren Ausfuhr verboten war, so durchsucht wie heute verdächtige Drogenkuriere nach Kokain).
Mitterand hätte damals den Weg von Chávez gehen und die Krise mit weiteren Schritten auf dem Weg zum Sozialismus beantworten können. Er entschloß sich aber im März 1983 dazu, das Experiment vorerst abzublasen.
Bis zum nächsten Versuch, in Europa den Sozialismus einzuführen. Ich habe, liebe Dalayah, keinen Zweifel daran, daß eine Volksfront in Berlin, sobald sie an der Macht ist, damit beginnen wird, wieder die Weichen in Richtung Sozialismus zu stellen.
Herzlich, Zettel
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