Die aktuelle Entwicklung im Fall K. wirft ein Licht auf Probleme der Justiz, die dem Normalbürger idR verborgen bleiben. Wir haben über die möglicherweise voreilige Verhaftung diskutiert, über die StPO, die Taktik von K's Verteidigung uam., aber der sich herausschälende Kern des Falls ist mE ein anderer. Und das Problem ist beileibe kein Einzelfall.
Die Justiz (hier StA und Gerichte) gehört ohnehin zu den aufgrund ihrer Aufgabe konservativeren (unpolitisch gemeint) Institutionen des Staates. Bevor ein Verwaltungsgericht eine Behördenentscheidung aufhebt, muß schon sehr viel passieren. Der klagende Bürger kämpft in der Regel gegen Behörde und Gericht. Die Justiz hat außerordentlich viel Macht in der Sache (sie entscheidet letztlich über den Streit und das Schicksal eines Menschen), und wegen ihrer verfahrensrechtlichen Stellung viel Macht (sie ist den Parteien, dem Anwalt, und anderen Verfahrensbeteiligten klar überlegen). Sie unterliegt (zumindest der Richter) nahezu keiner Kontrolle.
Diese Position erfordert überdurchschnittliches Verantwortungsbewußtsein und Fingerspitzengefühl seitens der Richter und StÄ. Vor allem erfordert sie das Bewußtsein, daß sie - und zwar jeden Tag auf das Neue - den Rechtsstaat praktizieren und nicht bloß irgendeinen Fall abwickeln.
Leider fehlt es sowohl den Richtern als auch den StÄ oft an diesem Bewußtsein. Die Fälle werden ohne jedes menschliche Gespür behandelt und (bei Gericht) durchentschieden, der betroffene Bürger wird nicht mit seinem Anliegen, mit seiner Lage, sondern als fachlich inkompetentes und störendes Übel im Arbeitsalltag der Justiz wahrgenommen. Selbstkritik (auch Humor und Ironie) gehört auch nicht gerade zu den hervorstechenden Merkmalen der Justiz. Kombiniert mit der oa. Machtfülle und der closed shop - Mentalität der Richter und StÄ eine ernsthafte Gefahr für einen ordentlich funktionierenden Rechtsstaat.
Im Fall K möchte ich der StA nicht einmal eine voreilige Verhaftung zum Vorwurf machen, da mir ihr Informationsstand zum konkreten Zeitpunktn unbekannt ist. Ihr weiteres Vorgehen erweckt aber den Eindruck, als ob sie nun auf Biegen und Brechen nicht einsehen will, daß sich mittlerweile die Sachlage massiv zugunsten Ks verändert hat. Mit unangebrachter, aber justiztypischer Verbissenheit steht nun nicht mehr die Rechtmäßigkeit der fortdauernden Haft (also der Mensch K) im Mittelpunkt ihrer Überlegungen, sondern die Frage, wie sie ihr Gesicht wahren und den Eindruck vermeiden kann, ihre frühere Entscheidung sei falsch gewesen. Jetzt wird kleinkariert vorgegangen, die Sache in die Länge und alle Register gezogen, um am Ende doch noch sagen zu können, man habe Recht gehabt.
Möglicherweise hat Ks Verteidiger nicht sehr glücklich agiert, aber letztlich befindet er sich verfahrenstechnisch in der schwächeren Position, und es würde die StA auch nicht entlasten oder von ihrer Verantwortung befreien.
Diese Mängel der Justiz haben nach meiner Erfahrung mindestens ebensoviel Einfluß auf das Funktionieren des Rechtsstaates wie die zunehmend dilettantische Arbeit des Gesetzgebers. People who are wise, good, smart, skillful, or hardworking don't need politics, they have jobs. (P.J.O'Rourke)
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