Zitat von lois jane
Naja, bei obiger Beschreibung der Wehrpflicht wäre danach zu fragen, was zur Substanz des ganzen gehört und was unnötiges Beiwerk wäre. Ist das heutzutage wirklich noch alles so in Kraft (fragte sie als Nichtbetroffene)?
Wie Kallias schon bemerkte, liegt es mit Sicherheit an der Truppengattung, wie ein Rekrut gedrillt wird. Es gibt halt schlicht militärische Notwendigkeiten, die bestimmen, welches Wissen, und welche Fertigkeiten ein Soldat dieser Truppe beherrschen muss. In meinem Fall war es (unfreiwillig) die Fallschirmjägertruppe, also "leichte Infanterie". Da ist es im Ernstfall lebensnotwendig, bestimmte Techniken im Schlaf und in völliger Dunkelheit "drauf zu haben". Das wird auch heute noch so sein (evtl. sogar noch mehr, - meine Dienstzeit lag "vor Afghanistan").
Soll heißen: Ausdauer und Zähigkeit, sowie "Unsichtbarkeit" waren (und sind) gefragt. Da zielt auch der Drill hin, denn es geht um die eigene Überlebensfähigkeit und auch den Schutz von Kameraden. Die Panzertruppe und die Artillerie werden da bestimmt andere Prioritäten setzen.
"Unnötiges Beiwerk" sehe ich auch in der Retrospektive kaum. Aber es gab schon Fälle, wo mit "den Glatten" ein wenig Unfug getrieben wurde. Schikanen würde ich es aber nicht nennen.
Gerade gehen mir unzählige Episoden meiner Grundausbildung durch den Kopf, die ein Zivilist als Schikane, oder "unnützes Beiwerk" bezeichnen würde. Aber momentan übriggeblieben sind nur drei Aktionen, welche echt nur unnütz disziplinieren sollten:
Da Zeit in der Aga knapp ist, ist jeder Rekrut gezwungen, sein Mittagessen quasi runterzuschlingen (der Letzte in der Schlange hat eventuell gar keine Zeit mehr sich auch nur hinzusetzen). Wenn jetzt der Ausbilder im Speisesaal seine Truppe zusammenruft um mit ihr einen straffen Kasernenlauf anzutreten, welcher erst dann endet, als ein geschätztes Zehntel kotzend am Wegesrand liegt - dann ist das übel.
Wenn vier Kampfgruppen stundenlang durch den Wald marschieren, dann endlich Rast machen und in nur drei der Gruppen Rauchfreigabe erteilt wird - welche Einer der "rauchfreien" Gruppe dann trotzdem nutzt, indem er sich heimlich zu einer anderen gesellt und sich 'ne Ziggi ansteckt, von seinem Gruppenführer entdeckt den Befehl erhält, mit hoch erhobener Waffe "bis zum Horizont" zu laufen, und bei jedem dritten Schritt "Dritte Gruppe Rauchverbot" zu schreien ... dann ist das Willkür.
Wenn man vor der eigentlichen Weckzeit, per Alarmstart, aus den Federn geholt wird, um in dreißig Minuten abmarschbereit (d.h. voll aufgerödelt) vor der Kaserne zu stehen, anschließend einen ca zwei Kilometer langen Bergpfad runterrennen muss, um dort einer Rasurkontrolle unterzogen zu werden (die Unrasierten mussten dann wieder hochrennen) - dann ist das Sadismus.
Aber ansonsten war es eigentlich normaler Drill um im Feld überleben zu können. Die Waffen in unmöglichen Situationen pflegen und warten können, die Ausrüstungspflege und die penible Ordnung im "Spind am Mann" (der großen Kampftasche) zu erhalten, naja ... einfach fit und "gut sortiert" zu sein.
Eine lustige Episode hab ich aber noch. Da ich genau einen Tag vor meinem 24.Geburtstag einberufen wurde, hat mir mein Kompaniechef als Erstem eine besondere Ehre angedeihen lassen. [Befehlston bitte mitdenken] "Antreten!", "Stillgestanden!", "Jäger Calimero ... Vortreten!", "Kehr um!" (ich stand dann neben dem Chef, einem Dolph Lundgren Doppelgänger) ... "Die ganze Kompanie, in den Liegestütz ... fallt!", "Wir ehren unseren Kameraden, Jäger Calimero, jetzt auf Fallschirmjägerart mit 24 Liegestützen ... Eins! Zwo! Drei! usw..."
Naja, ich habe dann selbst auch noch viele Liegestütze gemacht (150 am Stück war am Ende mein Normalsoll). Es war hart, es war unzivil und es war unfrei, sowie teilweise abstrus ... aber missen möchte ichs nicht.
Beste Grüße, Calimero
P.S. Wir hatten damals die ausgezeichnet beste Truppenküche der gesamten BW (drei Jahre hintereinander erster Rang, dank ehemaligem Hotelkoch*) ... woanders wars teilweise grausam.
*Nachtrag: Natürlich auch dank "Falli-Zulage".---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
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