Lieber FAB.,
ich freue mich, daß Sie sich mit gewohnter Kompetenz und Gründlichkeit in diese Diskussion eingeschaltet haben (ich hatte es, ehrlich gesagt, auch a bisserl gehofft ). Aber nun muß ich Sie um weitere Aufklärung bitten, weil ich den Unterschied, fürchte ich, noch nicht verstanden habe:
Zitat von FAB. Hinreichender und dringender Tatverdacht stehen nicht in einem einfachen Verhältnis des mehr und weniger. Zitat von BGH v. 22.04.2003 - StB 3/03 Hinreichender Tatverdacht als Voraussetzung für die Anklageerhebung ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist.
Wohingegen der dringende Tatverdacht zwar eine größere Wahrscheinlichkeit erfordert, daß der Angeschuldigte Täter einer Straftat ist, aber:
Zitat von OLG Hamm v. 14.01.2010 - 2 Ws 347/09 Die Prognose, daß eine Verurteilung wahrscheinlich ist, verlangt der dringende Tatverdacht hingegen nicht; es genügt die Möglichkeit der Verurteilung.
Verstehe ich das richtig, daß unterschieden wird zwischen a) der Wahrscheinlichkeit, daß der Angeschuldigte in der Hauptverhandlung verurteilt wird und b) der Wahrscheinlichkeit, daß er Täter ist?
Aber wie kann es eine Differenz zwischen diesen beiden Wahrscheinlichkeiten geben? Ist die Implikation, daß jemand zwar mit großer Wahrscheinlichkeit Täter sein kann, aber die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gleichwohl nicht groß ist?
Wenn das so sein sollte - an welche Fälle ist dann gedacht? Daß dem Staatsanwalt die Beweise für die Annahme einer hohen Tatwahrscheinlichkeit ausreichen, er aber vermutet, daß sie dem Gericht nicht ausreichen werden?
Oder ist an eher exotische Fälle gedacht, wie daß jemand zwar auch vom Gericht als Täter festgestellt wird, er aber aus irgendeinem formalen Grund nicht verurteilt werden kann?
Mir kommt beides unplausibel vor; ich vermute also etwas Weiteres, das mir nicht eingefallen ist. Ich bin deshalb auf Ihre Erläuterung gespannt, und würde mich freuen, wenn sich vielleicht auch JeffDavis und die anderen Juristen unter den Zimmerleuten an der (jedenfalls meiner) Erhellung beteiligen würden.
Herzlich, Zettel
Nachtrag: Und wenn ich noch eine Frage nachschieben darf: Wie könnte man den Unterschied auf den Fall Kachelmann beziehen?
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