Liebe Dagny,
Zitat von Dagny Es gibt, wir hatten das bei Ypsilanti schon, zwei Arten von 'Wortbruechen' in der Politik:
Der eine, welchen die Waehler verzeihen, ist der 'Sachzwang': Wir wollten das zwar so, aber als wir sahen, was uns die Vorgaengerregierung hinterlassen hatte, konnten wir nicht anders. Dazu gehoeren auch Steuererhoehungen, das sind wir, die Waehler, alles gewohnt. - Und dann gibt es das Wahlversprechen welches aus persoenlicher Machtgier und Eitelkeit gebrochen wird. 'Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen' und 'Niemals werde ich mich von den Kommunisten waehlen lassen' oder 'Wir schliessen eine Ampel ganz sicher aus'. Wenn ein solches, ein Machtversprechen, gebrochen wird, ist der Waehler sauer und so eine Luege vergisst er nicht: Der Umfaller der FDP Adenauer nicht zu waehlen. Der Umfaller von Schmidt zu Kohl. Eventuell auch die 'bluehenden Landschaften'. Und in Teilen der Bevoelkerung das 'Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser' vs. Hartz-4. -> Vergisst niemand.
in der Betrachtung fehlt m. E. eine wichtige Komponente: die Erwartungen.
Kanzler Schröder? Es war das erste Mal, daß Rot-Grün regieren konnte. Das rot-grüne Projekt! Deren Wähler hatten sich davon viel versprochen, aber bestimmt nicht die Politik, die tatsächlich gemacht wurde. Ebenso mit der FDP und Adenauer: Ich kann das nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, weil ich da noch lange nicht auf der Welt war, aber ich nehme an, man hatte der FDP das wirklich abgenommen.
Mit den Kommunisten ist das heute anders: Wer glaubt denn diese Beteuerungen der SPD vor Wahlen? So gut wie niemand, schätze ich. Was soll auch so schlimm daran sein? Vor allem unser "unabhängiger" Zwangsgebührenfunk ist doch tagtäglich damit beschäftigt, die umbenannte SED als ganz normale, demokratische Partei hinzustellen. Wie wir hier im Forum diese Partei sehen, dürfte wohl eher die Ausnahme sein. Für mich sieht es nicht so aus, als hätte es der SPD oder den Grünen geschadet, was jetzt abläuft: http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/nrw.htm
Auf der anderen Seite die "Sachzwänge": Der Staat ist blank wie eine Kirchenmaus, wir versinken immer mehr in Schulden, während gleichzeitig immer abenteuerlichere "Rettungspakete" aufgelegt werden, sich mit Populismus und Symptombekämpfung beschäftigt, aber sich keine Mühe gemacht wird, reale Probleme zu lösen. Wir sind pleite, aber als Konsequenz daraus können die überregulierten und überbürokratisierten Systeme nicht reformiert werden, sondern Unfug wie unser "Steuersystem" muß beibehalten werden und ein Monster wie der Gesundheitsfonds gilt als "nicht verhandelbar"? Kann mir jemand erklären, wie die Beibehaltung und ungebremste Ausweitung der irrsinnigen Bürokratie in Deutschland dabei helfen soll, jemals den Haushalt zu sanieren?
Deshalb gewinnt Rot-Grün in Umfragen in NRW hinzu, während die Bundesregierung abstürzt: Die SPD ist bislang noch immer umgefallen und wirft lieber bedenkenlos Prinzipien über Bord (sofern man der Meinung ist, daß es Parteien gibt, die noch welche haben ...), wenn es um die Macht geht. Oder hat jemand ernsthaft geglaubt, in NRW bliebe man hart? Nein? Wenn es entsprechende Erwartungen nicht gegeben hat, können auch keine enttäuscht werden. Ganz einfach. Deshalb kann ich mich darüber auch nicht aufregen, weil passiert, womit ich sowieso gerechnet habe und da ich SPD, Grünen und Kommunisten ohnehin kein Wort glaube. Mit der Bundesregierung ist es anders: Auch hier waren wohl nur wenige Wähler so naiv, daß sie gedacht haben, nun sei die Reformunwillig- und die Reformunfähigkeit Deutschlands mit einem Schlag beendet, aber es war auch angesichts der günstigen Situation mit der Bundesratsmehrheit bis zur NRW-Wahl die leise Hoffnung da, es würde wenigstens etwas konservativ-liberale Politik gemacht. Aber auch wer wenig optimistisch war, ist wohl bitter enttäuscht worden: Leider hat sich die Politik von Schwarz-Gelb als um Größenordnungen übler herausgestellt, als die schlimmsten Befürchtungen waren. Besonders für die Wähler der FDP. Eine Aussicht auf Besserung ist derzeit nicht in Sicht.
Unterm Strich meine ich also, daß man ein akkurateres Bild bekommt, wenn man sich nicht nur auf den Vergleich stützt, was Politiker vor Wahlen sagen und was sie hinterher tun, sondern welche Erwartungen die Bürger darüber haben.
MfG
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