Zitat von Gorgasal Hat jemand Statistiken über die Prostituierten in Schweden? Darüber, wieviele von ihnen aus Osteuropa stammen? Wieviele unter der Annahme kamen, dass sie in Schweden als Kellnerinnen, Nannys oder sonstwas Legitimes arbeiten würden, bis ihnen der Schleuser den Pass wegnahm und sie an einen Zuhälter verkaufte, der ihnen erzählt, wenn sie zur Polizei gehen, würden sie entweder deportiert oder ins Gefängnis kommen, also sollen sie gefälligst brav weiter anschaffen?
Ich kenne, lieber Gorgasal, dazu keine Zahlen. Aber mir scheint das auch gar nicht den Punkt zu treffen, um den es mir in dem Artikel ging.
Was Sie aufzählen, das sind Delikte wie Menschenhandel, Freiheitsberaubung, Erpressung, möglicherweise Körperverletzung usw. Selbstverständlich müssen diese Delikte verfolgt werden; und ich bin - wie bekannt - dafür, gegen Kriminelle keine Milde walten zu lassen.
Diese Delikte stehen im Zusammenhang mit der Prostitution; aber weder sind sie an die Prostitution gebunden, noch kommt Prostitution nur im Zusammenhang mit ihnen vor.
Die Einschleusung von Illegalen, die dann wie Sklaven gehalten werden - die zB jahrelang fast ihren gesamten Lohn an die Schleuserbanden abtreten müssen - gibt es in vielen Bereichen; ich habe das einmal über illegale Chinesen in den USA gelesen. Oft müssen sie für einen Hungerlohn zB in der Gastronomie arbeiten. Aber deswegen wird man die Gastronomie nicht verbieten wollen.
Ebenso gibt es auf der anderen Seite eine Prostitution, die frei von solchen Delikten ist. Es gibt, wenn ich das recht weiß, zunehmend auch Prostituierte, die keinen Zuhälter haben. Ich hätte auch gern Zahlen (vor allem auch für Deutschland), aber ich bin nicht sicher, daß diejenigen, die der Prostitution gezwungenermaßen nachgehen, einen großen Prozentsatz der Prostituierten ausmachen. Da gibt es auch ein Klischee, das leicht die Wahrnehmung der Realität bestimmt.
Man muß mit Entschiedenheit gegen solche Verbrechen vorgehen, wie Sie sie nennen. Aber man muß eben gegen diese vorgehen und nicht gegen die Prostitution. Das Verbot in Schweden fördert natürlich diese Art der Kriminalität, so wie die Prohibition die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum gefördert hat. Die wirklichen Nutznießer der Gutmenschen, die dem Teufel Alkohol den Kampf angesagt hatten, waren Mafia, Camorra und Co. Nicht anders ist es bei der Prostitution. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die Delikte, die Sie nennen, durch die schwedische Gesetzgebung keineswegs verhindert, sondern im Gegenteil gefördert werden.
Zitat von Gorgasal Und in der Prostitution findet man den offensichtlichsten Beleg für bestehende Machtungleichgewichte zwischen Freiern und Prostituierten, der ein Einschreiten des Staates rechtfertigt.
Das sehe ich nicht so. Ein Machtgefälle besteht allerdings zwischen Prostituierten und Zuhältern. Die Zuhälter sind umso mächtiger und das Machtgefälle ist umso größer, je mehr die Prostitution in die Illegalität befördert und damit logischerweise in ein kriminelles Umfeld gestellt wird.
Zwischen Prostituierten und Freiern besteht kein Macht-, sondern ein Geschäftsverhältnis.
Zitat von Gorgasal Zettels Artikel finde ich daher auch denkbar unglücklich, insofern er stillschweigend zwischen Freiern und Prostituierten gleich lange Spieße voraussetzt, wie der Schweizer sagt.
Mir ist diese Metapher nicht ganz klar. Ein Machtverhältnis gibt es, wie gesagt, nicht.
Im übrigen: Wenn wir einmal verschiedener Meinung sind, lieber Gorgasal, dann ist das ja nur allzu normal. Verwunderlich ist eher, wie oft wir bei der Beurteilung eines Sachverhalts übereinstimmen.
Wir verstehen uns beide, denke ich, als liberalkonservativ. Dieses Wort bezeichnet ein Spannungsverhältnis. Ich habe das - viele werden ihn kennen - in dem alten Artikel "Mein liberalkonservativer Vermittlungsausschuß" zu skizzieren versucht.
Im Fall der Prostitution haben Sie eine mehr konservative und ich eine mehr liberale Position. Wir hatten schon manche Diskussion, in der das umgekehrt war.
Herzlich, Zettel
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