Zitat von Florian Ich finde, Sarrazzin vermischt da zwei verschiedene Konzepte. (a) wer zu uns kommt, soll sich anpassen (b) wer zu uns kommt, soll uns nicht auf der Tasche liegen.
Ich würde, lieber Florian, nicht sagen, daß er sie vermischt, sondern daß er sie verbindet. Aus dem kurzen (Copyright!) Zitat geht das vielleicht nicht deutlich hervor, aber seine These ist, daß es da einen Zusammenhang gibt: Wenn Einwanderer hier auch ohne sich anzustrengen ein - zumal nach ihren heimischen Maßstäben - gutes Leben führen können, dann entfällt der Anreiz zur Assimilation.
Meine Ergänzung dazu: Zwischen Arbeit und Assimilation gibt es einen doppelten Zusammenhang. Erstens assimiliert man sich durch die gemeinsame Arbeit mit deutschen Kollegen; man lernt nicht nur die Sprache, sondern paßt sich auch in der Mentalität in gewissem Umfang an. Zweitens muß man sich assimiliert haben, wenn man in der Arbeitswelt einen Job bekommen, vor allem wenn man aufsteigen will. (Sie gehen ja auch weiter unten darauf ein).
Das gilt freilich nur solange, wie sich nicht bereits eine weitgehend geschlossene Parallelgesellschaft entwickelt hat.
Zitat von Florian Einerseits hat er natürlich recht, dass die Tendenz zur kulturellen Abschottung speziell türkischer und arabischer Zuwanderer problematisch ist.
Andererseits:
Zum einen scheint mir dies im Bereich der "High Potentials" kontraproduktiv zu sein. Warum können wir einen amerikanischen Uni-Professor oder einen indischen McKinsey-Berater nur bei uns akzeptieren, wenn er Deutsch spricht und sich an unsere Sitten und Gebräuche anpasst? Die werden sich auf ein solches Spiel wohl eher nicht einlassen. Und umgekehrt wären doch auch wir befremdet, wenn China den Siemens-Ingenieur erst dann ins Land lassen würde, wenn er Mandarin spricht und bereit ist, seine Grippe mit Schlangen-Suppe auszukurieren.
Es ist aus meiner - und wohl auch Sarrazins - Sicht eine Frage der kritischen Masse. Bei den von Ihnen genannten Beispielen gibt es sicher keine Problem. Wenn aber ein großer und schnell wachsender Teil der Bevölkerung - Zahlenbeispiele wurden ja in diesem Thread genannt - sich erstens nicht assimiliert und zweitens in sich homogen ist, wie die Gruppe der türkischen Einwanderung, dann fällt die Nation auseinander.
Ich schreibe das immer wieder: Wenn man das will, dann akzeptiere ich diese Haltung, auch wenn ich sie nicht teile. Man bekommt dann einen binationalen Staat Deutschland mit einer deutschen Nationalität (schrumpfend) und einer türkischen (wachsend).
Das wird einen Umbau unserer Gesellschaft verlangen, gegen den die Wiedervereinigung ein Klacks war. Belgien gibt einen Eindruck davon, wie schwierig es ist, wenn zwei Nationen unter demselben staatlichen Dach zusammenleben; wobei es dort noch vergleichsweise einfach ist, weil Flamen und Wallonen in weitgehend getrennten Siedlungsgebieten wohnen.
Die Probleme eines binationalen Deutschland werden riesig sein; selbst wenn die Türken vorerst demographisch noch in der Minderheit sein werden. Aber gut, wenn man das will, dann soll man es ehrlicherweise sagen. Und man soll es dann konsequenterweise vorbereiten: Einrichtung von türkischen Schulen und Universitäten, schrittweise Einführung von Türkisch als zweiter Amtssprache, Quotierungen (diese werden besonders wichtig sein, denn irgendwann werden - siehe Belgien - die Türken den Anspruch anmelden, zum Beispiel in der Beamtenschaft entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten zu sein, bei den Studenten usw.)
Man kann das wollen. Dann muß man jetzt die Vorbereitungen dazu in Angriff nehmen.
Wenn man es aber nicht will, dann brauchen wir dringend eine Assimilationspolitik; wenn es nicht schon zu spät ist.
Zitat von Florian Zum anderen scheint mir die kulturelle Assimilation auch in klassischen Einwanderländer keine von Staatsseite vorgegebene Forderung zu sein. Gerade die USA sind ja sehr gut damit gefahren, den Zuwanderern hier große Freiheit zu lassen: manche siedeln sich dann eben im Chinatown oder in Little Italy an und sondern sich ab. Manche Latinos sprechen vielleicht gar kein Englisch. So what? (so lange sie uns nicht auf der Tasche liegen und solange sie sich an die Gesetze halten).
Jeder, der amerikanischer Staatsbürger werden will, muß eine Prüfung - auf Englisch! - bestehen und einen Eid auf die Verfassung ablegen. Aber das ist aus meiner Sicht nicht das Entscheidende. Wesentlich ist, daß (siehe oben) ein Assimilationsdruck dadurch besteht, daß nur vorankommt, wer sich assimiliert. - Mit der Einwanderung der Latinos könnte es erstmals anders aussehen; ich habe ja kürzlich beschrieben, daß diese eher einer Verschiebung der mexikanisch-amerikanischen Grenze gleicht.
Zitat von Florian Ich würde mal vermuten, dass eine konsequente Verfolgung von Forderung (b) ausreichen würde, um faktisch auch (a) zu erreichen.
Es ist jedenfalls ein zentraler Faktor, das sieht auch Sarrazin so. Ob nach Jahrzehnten der Multikulti-Ideologie dies allein noch ausreicht, weiß ich allerdings nicht.
Herzlich, Zettel
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