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Florian
Beiträge: 3.083
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23.08.2010 12:18 |
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Zitat -------------------------------------------------------------------------------- Ein interessanter Fall sind die Historiker. Fachhistoriker, die sich zB mit deutscher Geschichte befassen, müssen natürlich Deutsch können. Allerdings erinnere ich mich an eine spektakuläre Ausnahme: Daniel Goldhagen, dessen Buch "Hitlers willige Vollstrecker" Mitte der neunziger Jahre viel Aufsehen erregte, reiste damals zu Diskussionen nach Deutschland - und war nicht in der Lage, auf Deutsch zu diskutieren! Ja, wie hat er denn dann die Dokumente gelesen. --------------------------------------------------------------------------------
Zum Argument von R.A. kommt noch folgendes hinzu: Nehmen wir mal an, Goldhagen würde ganz passabel deutsch sprechen, sagen wir mal so gut wie der typische deutsche Abiturient englisch spricht. Nun hat er die Wahl: Er kann eine Diskussion vor deutschem Publikum auf englisch oder auf deutsch abhalten lassen. (Und zwar nota bene eine Diskussion, wo sicher kontrovers und scharf argumentiert werden wird).
Macht er es auf deutsch, ist er sprachlich allen anderen anwesenden unterlegen. Jede grammatikalische Unkorrektheit wird das Publikum tendenziell in Richtung geringe akademische Kompetenz deuten. Jeder schiefe Ausdruck wird ggf. dann gegen ihn verwendet. Er muss 50% seiner Energie auf die Formulierung verwenden und hat entsprechend weniger geistige Kapazitäten frei haben für "Hintergrundgedanken" (also z.B. für einen filligranen Argumentationsaufbau. Oder dafür, mögliche Gegenargumente geistig schon vorweg zu nehmen. etc.)
Macht er es auf englisch, hat er ein Heimspiel.
Es scheint mir eindeutig, wie sich Goldhagen entscheiden wird, selbst falls er ordentlich deutsch spricht.
(Zumal in Deutschland einem Amerikaner eben immer zugestanden wird, auf englisch zu sprechen. Einem sagen wir mal russischen Historiker würde man ein ähnliches Privileg nicht einräumen).
Kleiner Exkurs: Ich hatte (in einem deutschen Privatunternehmen) mal einen amerikanischen Arbeitskollegen. Der hat mir irgendwann erklärt, warum er erst gar nicht versucht, Deutsch zu lernen. Solange er überhaupt kein deutsch kann, müssen alle englisch mit ihm reden. Und er ist immer im Vorteil. Wenn er aber erst einmal ein paar Brocken Deutsch kann, werden seine deutschen Gesprächspartner irgendwann auf die Idee kommen, mit ihm deutsch zu reden - und dann ist er hoffnungslos im Nachteil. Warum also Energie in eine Fertigkeit investieren, die einem im Berufsleben nur Nachteile bringt? (Leicht zynisch vielleicht - aber m.E. durchaus clever).
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