Dem kann ich mich nur anschließen, Karl-Eduard, wie auch den Beiträgen von Bibliothekar und Geozentriker. 
Ich meine auch, dass "kritisches Denken" in der Post-68er Schulform nur dann erwünscht ist, wenn es "auf Linie" liegt (Kapitalismuskritik, Ökologismus, Sozial- und Gerechtigkeitsfetischismus etc). Die Indoktrination der Kinder war in der DDR sicherlich gewünscht, aber wir wussten alle, dass die Lehrer manchmal halt "rote Knete" salbadern mussten. Aufgrund der offensichtlichen Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität dürfte die Indoktrination aber größtenteils ins Leere gelaufen sein. Heute werden die Schüler lediglich subtiler in den gewünschten Mainstream gepresst ... wer kritisch denkt kommt zwar nicht ins Heim, aber dafür in die soziale Schmuddelecke.
Ferner denke ich, dass diese Art des Frontalunterrichts mehr Individualisten hervorbringt, als die Kuschelpädagogik mit ihren Gruppenarbeiten, Rollenspielen und Gesprächsrunden. Auf meiner Schulbank hatte ich nur meinen Tischnachbarn, meine Arbeitsutensilien und meinen Lehrstoff. Vor der Nase nur den Rücken des Vordermanns und den Lehrer. Da war ich mehr oder weniger auf mich allein gestellt und nicht Teil einer Gruppe, in der die eigene Leistung untergeht oder ausgenutzt wird. Wenn ich heutige Klassenzimmer sehe, stehen da meist die Tische in U-Form, so dass jeder mit jedem interagieren kann, was der Disziplin nicht unbedingt förderlich ist. Bezeichnend für das heutige Selbstverständnis von Schule ist dieser Abschnitt:
Zitat von Alan Posener Früher herrschte die Diktatur des Proletariats. Heute herrscht die Diktatur des Stoffs. Schüler freistellen für die Arbeit als Konfliktlotsen? Nein, Stoff geht vor. Eine Stunde ausfallen lassen, damit die Kinder in der Aula ein Theaterstück sehen können? Nein, Stoff geht vor.
Ja, was denn sonst? Schule ist doch kein Kindergeburtstag. Schule soll Wissen vermitteln. Das kann sie aber nur, wenn auch eine gewisse Disziplin herrscht, deshalb verstehe ich nicht so ganz, was in diesem Abschnitt als so verwerflich anzusehen ist:
Zitat von Alan Posener „Dabei entdecken Ur-Konservative und Ex-Kommunisten überraschende Übereinstimmungen“, sagt ein West-Berliner Fachleiter für Geschichte. „Sie sind autoritär, misstrauen der Eigenverantwortlichkeit der Schüler, schielen auf den nächsten Vergleichstest, stellen Kontrolle vor Vertrauen.“
Abgesehen davon, dass ich diese Aussage für überzogen und pauschalisierend halte, denke ich doch, dass man erstmal Disziplin in so eine Rasselbande bekommen muss, bevor man die Zügel lockerer handhaben kann. Und was an Vergleichstests so schlimm sein soll begreife ich auch nicht. Wie soll ein Schüler denn sonst merken wo er Nachholbedarf hat?
Was Posener hier zum Besten gibt ist auch Unfug:
Zitat von Alan Posener Dabei wird, wie früher im Osten, die Norm durch Schummelei übererfüllt. Es steht ein Diktat an? Die unbekannten Wörter werden gebüffelt, bis jeder eine Zwei schreibt. Ein Vergleichstest? Dann wird der eben so lange vorbereitet, bis die Schüler ihn auswendig können.
Ich glaube eher an einen Zensurenbonus bei Unbeschulbaren heutzutage, als an Schummeleien ehemaliger Ost-Lehrer. Bei uns waren die Zensuren jedenfalls immer normal verteilt. Und, dass bei anstehenden großen Tests nur das abgefragt werden kann, was vorher auch im Unterricht behandelt wurde ist ja wohl selbstverständlich. Das hat aber nichts mit dem vorherigen Auswendiglernen von Testfragen zu tun.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
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