Zitat von Karl Eduard Geschichtsunterricht in der DDR wurde nach "Die Geschichte der menschlichen Gesellschaft ist eine Geschichte von Klassenkämpfen" vermittelt, also, die da Unten waren immer die Guten, während die da Oben immer die Bösen waren. Und der erste Revolutionär war demnach Spartakus. (...) Sonst konnte man aber nicht klagen. Ich jedenfalls fand den Unterricht spannend, nur hinterher, mit Abstand, da fällt es einem auf.
Das, lieber Karl Eduard, ist ja das Vertrackte. In einer Gesellschaft, in der es keine freie Konkurrenz der Meinungen gibt, wird die herrschende - also die einzige sichtbare - Meinung als das Selbstverständliche erscheinen.
Man kann es ja gewissermaßen nicht "von außen" betrachten. Es ist halt so. So, wie die Erde sich um die Sonne dreht, ist die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen.
Ich habe Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre mich für Marx interessiert und viel von ihm und Engels gelesen. Auch den historischen Materialismus fand ich interessant.
Vieles hat mir damals eingeleuchtet. Aber in einer freien Gesellschaft war doch immer evident, daß das eben eine mögliche Art ist, die Geschichte zu betrachten. Daß man die Geschichte auch als Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Nationen verstehen kann, als Geschichte der fortschreitenden Aufklärung oder - wie Oswald Spengler, der mich als Schüler ähnlich interessiert hatte wie Marx, als ich etwas älter war - als Geschichte des Entstehens und der "Lebensgeschichte" von Kulturen.
Im Geschichtsunterricht an den Schulen, auf denen ich war (ziemlich vielen, weil wir oft umzogen) wurde übrigens kein spezielles "Geschichtsbild" vermittelt.
Klassenkämpfen wurde durchaus Raum gegeben, wenn auch nicht unter diesem Namen, sondern unter dem richtigeren Namen soziale Konflikte. Aber im antiken Rom stand dabei nicht dieser Aufstand eines entlaufenen Gladiators im Mittelpunkt, sondern die sozialen Auseinandersetzungen beispielsweise unter den Gracchen und zur Zeit von Marius und Sulla. Auch die Bauernkriege wurden ausführlich behandelt; aber es war eben nicht Luther der Böse und Thomas Müntzer der Gute.
Vielleicht wurde Kriegen ein zu breiter Raum gegeben; wir mußten viele Daten von Schlachten auswendig lernen. Aber das hat andererseits dem Geschichtswissen ein gewisses Gerüst gegeben. Bei heutigen Abiturienten staune ich immer wieder, daß sie zwar manche Einzelheiten wissen, sie aber oft falsch chronologisch einordnen. Ich denke, das liegt daran, daß (nach meiner Kenntnis) kaum noch Jahreszahlen gepaukt werden.
Herzlich, Zettel
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