Notizen aus der DDR-Schulprovinz: Den besten Lehrer meiner Schulzeit hatte ich in Mathe von der 5.-8. Klasse. Er stand der Partei ebenso fern wie mein damaliger Bio- und Chemielehrer, ein zumindest regional beachteter Schachspieler , sicherlich als Dr. auch in seinen Fächern kompetent, aber nicht fähig, vielleicht auch gar nicht interessiert, seine Schüler für seinen Stoff zu interessieren. Die restliche Lehrerschaft war bestenfalls Durchschnitt, deutlich darunter die (ebenfalls unpolitische) Russischlehrerin. In der 9-12. Klasse war ein Physiklehrer der Fähigste. Er war der Parteisekretär der Schule und stieg sogar in die SED-Kreisleitung auf. Bei seiner Nachfolgerin hatte ich keinen Unterricht. Sie galt aber nicht nur als sehr linientreu, sondern auch als recht fähig (Sprachlehrerin), wenngleich zu streng. Ihr Sohn ist heute übrigens ein wichtiger Journalist bei der einzig bedeutenden Regionalzeitung und bringt gelegentlich auch Beiträge im Berliner „Tagesspiegel“ unter. Der Schuldirektor war ebenfalls kein schlechter Pädagoge. Bei ihm hatte ich allerdings Staatsbürgerkunde, was in der 11. und 12. Klasse bei ihm schon in Richtung Philosophie ging. ML-Philosophie natürlich, es war also im wesentlichen höherer Blödsinn im Sinne der Staatsdoktrin, was dieser Mann seinen meist wie mir recht arglosen Schülern da eintrichterte. Ich staunte nicht schlecht als ich letztens bei einem „Heimaturlaub“ in der schon erwähnten Regionalzeitung, die übrigens noch so heißt wie früher, auf Seite 3 einen ganzseitigen Artikel fand, wo dieser Mann seine Ansichten über Bildung und Bildungssysteme ausbreiten konnte. (Paßt ja wohl zum Artikel von Posener, den ich aber nicht lese, weil mir der Autor mehrmals als intellektuell unredlich aufgefallen war.) 3 ältere noch dem Bildungsbürgertum entstammende Lehrer in naturwissenschaftlichen Fächern waren nur Durchschnitt. Ebenfalls diesem Milieu entstammte auch der Englischlehrer, der 2. herausragende Pädagoge an dieser Schule. Er war eine vielseitig gebildete Persönlichkeit, wohl an diese Schule strafversetzt, nachdem er als Leiter eines größeren Chores irgendetwas gemacht, was den Herrschenden nicht genehm war. Und man lernte sehr viel bei ihm. Von den jüngeren Lehrern ist mir ein weiterer Physiklehrer in guter Erinnerung. Auch wenn ich davon zu meiner Zeit (Ende 70ger Jahre) nichts mitbekam war oder wurde er später oppositionell gesinnt und 89/90in der Bürgerbewegung aktiv. Leider kurz danach verstorben. Der unpolitische Chemielehrer, den wohl keiner von uns sehr ernst genommen hatte, brachte es nach der Wende zum Direktor. Eine junge Deutschlehrerin hatte offenbar während ihres Studiums einige kritische Gedanken aufgeschnappt. Wenn ich mich recht entsinne, kam es in ihrer Klasse zu dem unerhörten Vorgang, daß über Biermanns Ausweisung kontrovers diskutiert wurde, ehe oder gar anstatt wie üblich alle der Partei-und Staatsführung ihre Unterstützung dafür per Unterschrift bekundeten. Sie war leider auch was das Fachliche betrifft auf der Höhe ihrer Zeit. Interesse oder gar Begeisterung für klassische Literatur vermochte sie nicht zu vermitteln, hatte sie wohl selbst nicht. Den „Faust“ etwa habe ich Jahre später, nachdem wir den bei ihr „durchgenommen“ hatten, für mich entdeckt. Soweit meine persönlichen Erfahrungen aus heutiger Sicht und mit heutigem Wissen. Verallgemeinerungen lasse ich lieber bleiben. Die fallen ja auch desto leichter, je weniger man sich in das Dickicht der Einzelfälle verloren hat.
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