Zitat von Zettel
Und die Naturwissenschaften waren, lieber Geozentriker, wohl auch eine Nische für Leute, die sich der Indoktrination entziehen wollte - der passiven wie der aktiven
Jaja, lieber Zettel, das wussten natürlich auch die Kommunisten. Deshalb wurden die Naturwissenschaftler auch besonders kritisch beäugt und mussten besondere Systemtreue heucheln. Das ist wie manchmal im Film. Wer bei einer Bande mitmachen möchte, muss was anstellen, um dabei sein zu dürfen. Wem man dann misstraut, der muss zur Initiation was besonders Fieses anstellen. Die Westreisekader waren nun eine besondere Kategorie. Beim Bier hat sich mir gegenüber mal ein parteiloser Oberassistent (der natürlich nicht in den Westen reisen durfte) bitter über sein Schicksal beklagt, dass sein Chef auf Dienstreisen im Westen mit seinen Ergebnissen prahlt (die er noch nicht entsprechend veröffentlichen konnte). Bei einem Gegenbesuch im Osten, wollte man ihn dann nicht zu den Wessis vorlassen. Als er es doch geschafft hatte, wollten die gar nicht mit ihm reden. Er hatte überlegt, ob er einen Ausreiseantrag stellt. Da er Familie und Kinder hatte, hat er diesen Gedanken aber verworfen (es war ja gerüchteweise bekannt, dass es Zwangsadoptionen gibt). Wie ich später erfahren habe, wurde dieser bedauernswerte Mensch auch nach der Wende übergangen. Sein Chef hatte die entsprechenden Seilschaften geknüpft, und natürlich seine Gefolgsleute protegiert. Das ist zwar alles sehr menschlich - und rational gesehen war der Oberassi einfach nur blöd, er hätte ja auch mitmachen können – etwas unappetitlich ist das aber schon (ich habe jedenfalls dafür gesorgt, dass meine Kinder auf keine Ostuniversität gegangen sind.). Der eigentliche Witz an der Geschichte ist aber, dass unter den Westreisekadern nun offenbar besonders skrupellose Burschen waren, denen selbst ihre Familie egal war (Sippenhaft), deshalb gab es da wohl einige Abgänge auf Dienstreisen. Übrigens war offenbar die Situation bei den Geisteswissenschaftlern nicht so homogen, wie man sich das vielleicht vorstellt. Man durfte ja nicht studieren, was man wollte, man wurde „gelenkt“. Dadurch sind nun offenbar nicht nur hundertprozentig Systemtreue Geisteswissenschaftler geworden. Bewusst geworden ist mir das durch die FAZ. Da gab es nach der Wende rege Diskussionen darüber, dass man zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte Ostwissenschaftler mit formal hoher Qualifikation betraut hat (die FAZ war halt mal eine ausgezeichnete Zeitung!). Das waren aber nun wieder die besonders Systemtreuen und Skrupellosen. Die eher ehrlichen Wissenschaftler, die in der DDR keinen so hohen Dienstgrad erreicht hatten, hat man außen vor gelassen. Damit hat man (vielleicht bewusst) die Chance zur Aufarbeitung der DDR vertan (Zeitzeugen werden ja mit der Zeit immer weniger). Dereinst wird es dann sicher wieder eine akademische Geschichtsschreibung geben, die mit den tatsächlichen Verhältnissen wenig zu tun hat (Die Frau Davis wird in dieser Geschichtsschreibung dann wahrscheinlich unsterblich werden, als Liebling aller Ossis – das ist aber eigentlich auch nicht wirklich schlimm – die Zeit geht weiter, und Unsterblichkeit wird bedeutungslos, wenn man gestorben ist ).
|