Zitat von jana Ich schätze Biermann auch sehr
Zu Biermann, liebe Jana und lieber Ungelt, eine kleine Erinnerung an sein Konzert in Köln im November 1976.
Es war ein aufwühlendes Ereignis. Erst übertrug es der WDR, dann noch einmal die ARD die Aufzeichnung. Biermann, der ja noch nie vor einem annähernd so großen Publikum aufgetreten war, hatte eine ungeheure Bühnenpräsenz. Er benahm sich so, als hätte er nie etwas anderes gemacht, als vor solchen Massen aufzutreten. Der geborene Star. Ein paar Tage später habe ich ihn dann live in der Ruhrlandhalle Bochum erlebt.
Wir - dh die Unimenschen und Studenten, mit denen ich bekannt oder befreundet war - waren damals alle der Überzeugung, daß er die "bessere DDR" repräsentierte. Er sagte und sang auch wenig Kritische über die DDR und bezeichnete sie, wenn ich mich recht erinnere, als sein Land, oder so ähnlich.
Jedenfalls hatten wir den Eindruck, daß er sich mit der DDR identifizierte, und fanden das klasse. Also lebt er doch, der gute, der wahre Sozialismus in der DDR - das war so ungefähr unsere Reaktion. Biermann machte richtig Reklame für die DDR.
Umso größer war die Bestürzung, als seine Ausbürgerung mitgeteilt wurde. Wir verstanden das natürlich nicht, und wir begrffen auch nicht, wie die DDR-Führung das aus ihrer eigenen Interessenlage heraus tun konnte. Biermann war doch ihr bester Botschafter gewesen!
Als ich jetzt nachgesehen habe, wann genau dieses Konzert gewesen war, bin ich auf ein interessantes Interview mit Günter Ewald gestoßen, damals Rektor der Ruhr-Universität. Biermann war bei ihm zu Besuch, als er die Nachricht von der Ausbürgerung erfuhr.
Ich kannte Ewald ganz gut aus der Zeit, bevor er Rektor geworden war; wir hatten hier und da zusammengearbeitet. Ein Mathematiker, aber ein ganz ungewöhnlicher. Mich hat er schon damals an den Parapsychologen Bender erinnert. Er interessierte sich für die philosophischen Grundlagen und Implikationen der Mathematik. Sein Arbeitsgebiet war, wenn ich mich recht erinnere, die Geometrie. Inzwischen befaßt er sich, wie ich gerade gesehen habe, mit Bewußtsein und Seele.
Aber ich schweife ab ... 
Jedenfalls waren wir geschockt, als Biermann ausgebürgert wurde. Seltsamerweise hat das aber kaum jemanden damals zum Nachdenken über das Wesen des real existierenden Sozialismus gebracht. Die vorherrschende Meinung war: Diese Dummköpfe im Politbüro! Naja, sie werden schon wieder zur Vernunft kommen.
Herzlich, Zettel
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