Zitat von ZR # Finden Sie, daß die Diskussionsrunde einschließlich der zugeschalteten Interviewpartner ausgewogen zusammengesetzt war? # Hat der Moderator sich gegenüber Sarrazin fair verhalten? # Wurden die Thesen Sarrazins sachlich und ernsthaft diskutiert?
Da ich mir diese Sendung gestern nach 10 min nicht mehr antun wollte, habe ich sie aufgenommen und heute morgen ein wenig mit Stoppuhr und Notizblock seziert.
Beckmann: War kein eigentlicher Moderator (moderare - ausgleichen, lenken), sondern hat von Anfang an klargemacht, dass er parteiisch ist und von Sarrazins Thesen nichts hält. Dementsprechend fiel er Herrn Sarrazin auch ständig ins Wort und übertönte ihn dabei deutlich. Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass sein Hauptgast sehr langatmig formuliert und soetwas einer Diskussion doch sehr abträglich ist. Man hätte mindestens einen weiteren Befürworter einladen müssen.
Zusammensetzung der Diskussionsrunde: Acht gegen Thilo, wobei der "Moderator" leider mit eingerechnet werden muss. Bei einer ausgewogenen Runde gäbe es zwei oder drei Parteien, deren Gespräch Beckmann hätte leiten müssen. Das war hier nicht der Fall.
Zeitkontingent der Gesprächsbeiträge: Sarrazin hatte dann doch 20 min Redezeit (handgestoppt) von den 90 min Sendezeit, wobei ihm allerdings dauernd dazwischengeredet und er damit übertönt oder unterbrochen wurde.
Häufigkeit der Redebeiträge: Hier habe ich nur die gezählt, die klar erkennbar waren, also zugeteilte Redezeit plus ungestörte Antworten, keine Zwischenrufe. 1. Sarrazin: 8 2. Yogeshwar: 6 3. Künast: 5 5. Özkan: 4 5. Scholz: 4 8. Graumann (MAZ): 1 8. Foroutan: (Zuschaltung): 1 8. Sonnenburg (Gast): 1 Das ergibt ein Netto-Verhältnis von 8:22 (1:2,75). Wenn man Beckmanns Texte noch dazu addieren wollte, käme man bei den geschätzt 10 längeren Beiträgen auf ein Brutto-Verhältnis von ca 1:4. Das würde ich nicht als ausgewogen bezeichnen.
Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit: Hier bin ich natürlich meiner subjektiven Meinung unterworfen, habe aber ein paar Notizen gemacht, die mich unterstützen sollen.
Sarrazin: Temperamentsunterkühlt, sachlich, hält sich an den Zahlen aus seinem Buch fest. Manchmal zu faktenhuberisch.
Yogeshwar: Glänzt als Diskussionspartner, bringt seine Beiträge sympathisch rüber, ist aber sichtlich erfreut seine Gegenthesen aus dem Schutz der Masse heraus vorbringen zu können. Seine Argumentation zieht er aus der Toolbox der veröffentlichten Meinung. Er bringt z.B. das Mantra vom verstärkten Fördern, welches alles gut werden ließe - obwohl Sarrazin plausibel vorgelegt hatte, dass es nicht an Geld und Ausweitung des Sozio-ökonomischen Komplex liegt, sondern an den Eltern und ihrer Kultur. Albern war auch sein Experiment, als er gestandenen Akademikern irgendwelche Tests für die 9.Klasse vorgelegt hat, und diese dabei schlecht abschnitten. Was sollte das beweisen? Das Akademiker ohne Vorbereitung nicht unbedingt im Stoff der 9.Klasse stecken? Lächerlich. Verwundert hat mich ein wenig, dass er Sarrazin vorwarf, zuerst eine These aufzustellen und diese erst dann auf ihren Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen. Wie würde er vorgehen? Erstmal überall wild rumanalysieren, bis sich ihrendwann eine These formt?
Graumann: Indiskutabler Verbands-Funktionär. Ein Berufsempörter mit lächerlicher Haartracht ... hab mir kein Wort gemerkt, von dem was er sagte.
Künast: Wie immer laut und quakig. Für ihre Verhältnisse aber oft zurückhaltend mit dauerverkniffenem Gesichtsausdruck dasitzend. Ansonsten: Von Grünen nichts Neues. Hauptaussage: Wie können sie nur!? Unangenehm, aber erwartbar: Alle Religionen haben ... und die Christen haben schließlich die Kreuzzüge...! Naja, und der Aufruf an Sarrazin, seine Bucherlöse doch zu spenden war ja wohl völlig daneben. Talkshowgemüse.
Özkan: Gibt zu das Buch nicht gelesen zu haben, kennt nur die Auszüge. Braucht keine Statistiken, denn sie kennt ja die Menschen. Bringt als Gegenbeispiel zu Sarrazins Zahlen sich selbst. "Meine Eltern sind vor 60 Jahren hier eingewandert, und ich hab Abitur!" Lustig fand ich ja den Bewerbungs-Beitrag. Migranten werden bei Bewerbungen diskriminiert, weil die Arbeitgeber zeugnishörig sind und die interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachigkeit gering schätzen. Gerade vorher wurden die Ärmsten noch bedauert, weil sie weder deutsch noch türkisch können. Lacher.
Scholz: Zwiespältig. Man kenne die Zahlen, er braucht das Buch nicht. Vertrat IMHO nicht seine Meinung, sondern die vorgefertigte Meinung des Medien- und Parteikartells. Bei der Frage nach dem Parteiausschluss war er ganz Parteisoldat. Seine halbherzigen Angriffe auf Sarrazin schienen mir, als folge er einer Doktrin.
Foroutan: Ganz schlimm. Bewegt sich beruflich im sozio-politischen Forschungskomplex, den es ohne die Moslem-Problematik gar nicht gäbe. Macht optisch was her und fühlt sich trotzdem als Halbperserin auf der Straße diskriminiert. Ich hätte ihr das spontan gar nicht angesehen. Operiert mit merkwürdigen Zahlen. Laut Selbstauskunft sind 84% der hier lebenden Türken und Araber davon überzeugt gute bis sehr gute Deutschkenntnisse zu besitzen. Ferner würden 18% der Türken in Deutschland die Schule mit Abitur abschließen, wobei in den 60-er Jahren die Abiturquote der Migranten lediglich 3% betragen habe. Dies entspricht laut Frau Foroutan einer Steigerung um 900%! Nebenbei sei erwähnt, dass ich in den Letzten Tagen mehrere Zahlen zur Abiquote bei Türken in Deutschland gesehen habe. 18% war da nie dabei, es ging immer so um 7-8%. Bei Sarrazin hab ich jetzt auf die Schnelle nichts zur Abiturquote gefunden, aber immerhin die Zahlen zu Hochschulabschlüssen von Türken in Deutschland. Da sinds grad mal 2% im Gegensatz zu 20% bei autochthonen Deutschen.
Sonnenburg: Der Streetworker. Klang ganz vernünftig und arbeitet immerhin an der Basis. Ist aber ein Vertreter einer Zunft, die direkt davon abhängig ist, dass das Problem nicht verschwindet, sondern das man ewig weiter an den Symptomen rumdoktern kann. Ansonsten eine ehrliche Haut, die sich engagiert. Es würde mich freuen, wenn er und Sarrazin wirklich mal in seiner Einrichtung zusammentreffen würden. Zwei Sachen fand ich ich bei seinem Auftritt ganz witzig. Erstens die Antwort auf die Frage, was türkisch/arabische Jugendliche denn wohl empfinden würden, bei Sarrazins Buch. Antwort: Wut.
[Kleine Anekdote dazu: Vor ein paar Tagen war ein hier ansässiger Radiosender mal in Neukölln oder Kreuzberg unterwegs um die Stimmung unter den Jugendlichen einzufangen (Lächerlicherweise hat der Reporter sich vorher noch umgezogen, weil er zu seiner schwarzen Hose ein rotes Hemd und eine gelbe Umhängetasche trug. Er wollte ja nicht provozieren, ha ha). Die Antworten waren dann: "Wer?", "Thilo was?", "Nee, kenn isch nisch.", "Klingt italienisch irgendwie, aber weiß nisch:" usw, usf ... da musste man dann schlussendlich doch auf irgendwelche Geschäftsleute zurückgreifen, die die gewünschte Empörung auch verbal artikulieren konnten.]
Zweitens die Hervorhebung des interkulturellen Miteinanders unter deutschen und muslimischen Jugendlichen: "Klar, natürlich interessieren sich die Jungs für deutsche Mädchen!" Ähm, Kunststück, wenn hinter Fatima und Aishe eine Horde Brüda und Cousins mit schlagkräftigen Argumenten lauert. Da hat sich Sonnenburg als verblendeter Multi-Kulti-Depp geoutet.
So, nun bin ich ja mal auf Plasberg am Mittwoch gespannt.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
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